Theater mit Berta - im Urlaub - Püttmann ... Folge 25

Theater mit Berta - im Urlaub

Die letzten Monate waren in meiner Klempnerklitsche verdammt stressig. Ich brauchte dringend Urlaub.

„Berta, ich bin völlig fertig! Ich hab jetz im Oktober schon mein Novembertief inne Knochen. Ich ertrag die Dunkelheit, dat Nieselwetter und den schrecklichen Nebel nich mehr. Ich hab auf nix mehr Lust! Ich werd noch depressiv! Wat iss mit son Trip in unsere Ferienbude nach Ibiza, schön ma wieder inne Sonne aalen?“

Meine Ehefraugemahlin war ma wieder gut drauf: „Pass ma gut auf, Wilhelm, bevor du keine Rechnungen schreiben tus, darfse gar nich an Urlaub denken! Kuck dir ma unser Konto an!“

Sie hatte Recht,et herrschte tatsächlich schwer Ebbe inne Kasse. „Berta, dat mit die Rechnungen erledige ich heute Abend, buch ma flott son Schnäppchenflug!“ Gesagt, getan.

Vier Tage später landeten wir auf Ibiza. Drei herrliche Wochen Urlaub hatten wir vor der Brust, endlich die ersehnte Entspannung vonne vielen Maloche! Hab ich gedacht!

Berta nörlte bereits am ersten Urlaubstag rum: „Willi, dat Wetter iss heute so mies! Et schüttet und stürmt so stark, dat man nich ma dat Fenster aufmachen kann!“
Ich beruhigte mein Täubchen. „Berta, dat kennen wir doch, morgen scheint wieder der Lorenz und dann geht et ab inne Fluten rein! Dat Wasser iss noch schön warm, da friert dir noch nix ab.“
„Willi, lass uns heute zum Lidl nach Ibiza-Sadt fahren, wir brauchen Lebensmittel.“ Ich war einverstanden.

Zuerst gingen wir ma inne Altstadt wat spachteln. Mir hing nämlich der Magen schon aufe Erde. Tagesmenü für 6,50 €, drei Gänge. Toll! In dem gut besuchten Bar-Restaurante beschallten uns drei riesige Fernseher. Die vielen Arbeiter unterhielten sich beim Mittagessen kauend und sehr landestypisch: Sie bölkten sich wie ne Horde Schwerhörige an. Ich blieb, trotz meiner angeschlagenen Nerven, ruhig, weil dat Essen wirklich lecker war.
Dann ging et ab zum Einkaufen.
Der Einkaufswagen bog sich! Vierzig Minuten stand ich mir anne Kasse die Beine im Bauch. Einmal und nich wieder. Dat iss ne Zumutung für die Kunden, und sonne Warterei iss schon gar nix für Willi Püttmann! Der Scheißladen war viel zu klein für son Massenansturm!
Dat miese Wetter hielt sich unheimlich gut: Man konnte eine Woche nix unternehmen!
Ich wurde langsam kribbelig, denn wie beim Arbeitsdienst machte mich Berta jeden Morgen mit neuen Aufgaben vertraut. Mach dies, mach dat! Sie glänzte mit immer neuen Ideen: „Willi, da inne Ecke muss unbedingt noch en Schrank hin. Die Gläser sind vom Kalk blind, die werden sofort ausgetauscht! Die Türen vertragen en neuen Anstrich. Die Decken und Wände haben et auch dringend nötig. Wieso siehst du dat eigentlich nich, Wilhelm?“
Ich hatte langsam die Nase voll: „Spinnze jetz total, Berta? Ich bin hier, um mich auszuruhn, also piesack mich nich laufend. Klempnermeister bin ich, kein Pinselquäler! Merk dir dat und gewöhn dir ma schnell den Kommandoton ab, du bis ja schlimmer als son Spieß vonne alten Wehrmacht!“

Berta ließ nich locker: „Wenn du dat nich kannz oder Herr Püttmann wieder ma sein Böckchen hat, dann mach ich dat eben alleine. Ich geb doch hier kein Geld für die teuren Handwerker aus, ich weiß doch, wat du für dicke Rechnungen schreiben tus.“
Ich wurde ungemütlich: „Berta, jetz muss et gut sein, et langt! Wenne Stress haben willz, bitte, kannze haben!“ Meine Stimme vibrierte bereits gefährlich.
Ich war total entnervt. Daran musste dat Scheißwetter schuld sein, vielleicht auch der aufgestaute Frust vonne letzten Wochen!
Berta merkte zwar, dat ich stinksauer war, goss aber immer schön weiter Sprit inne Flamme rein! In dieser Disziplin isse Weltmeisterin. Sie stocherte weiter: „So wat will Handwerksmeister sein! Ich schwache Frau soll diese schweren Arbeiten alleine erledigen? Meine Mutter hat mich schon damals vor dir gewarnt.“
Die Masche mit die Mutter zog bei mir schon lange nich mehr! Meine Lauscher stellte ich auf Durchzug. Ich goss mir nen großen Brandy hinter die Binde, zog mir die Windbrecherklamotten über, setzte ne Kappe auf’n Kopp und ließ mich draußen vom Wind so richtig fetzig durchpusten.
En wunderbaret Gefühl war dat. Ich lief am Meer tapfer gegen den Sturm an. Der Regen peitschte erfrischend in mein Gesicht rein. Nee, wat tat dat gut!
Die Wellen türmten sich meterhoch auf und brausten krachend gegen die Felsen. Die Gischt spritzte bis zu mir hoch. Man, wat war dat für'n eindrucksvollen Anblick vonne entfesselten Naturgewalten! Ich dachte: Der Wilhelm, der Sturm und dat Meer! Eine gewaltige Einheit!
Dat blöde Gemecker und die Befehle vonne Frau Püttmann hatte ich längst vergessen. Leute, dat iss ne Therapie, die müssen Se bei Bedarf unbedingt ausprobieren!
Ich lief und lief, bis ich von weitem ne kleine Strandkneipe erspähte. Hoffentlich hatte die Pinte nich geschlossen! Nee, Gott sei Dank brannte da noch ne schwache Funzel.

Die Gäste musterten mich erst kritisch von oben bis unten, baten mich dann aber freundlich an ihren Tisch. Da saßen Einheimische und son paar hagere deutsche Müslitypen, die ganz begeistert auf die heilende, massierende Wirkung von son Wetter schwörten. Verknöcherte Langhaar-Ökos mit ekligen Zottelbärten nippten wie ihre potthässlichen häkelnden Weiber am Wasserglas und ästen Salat. Diese Körnerfresser waren mir nie ganz koscher. Deshalb nahm ich auf diese Veganer-Fuzzis keine Rücksicht.
Ich hab mir extra en besonders dicket Steak bestellt. Schön blutig englisch.
Die Ökoheinis peilten geschockt auf meinen Teller. Ich haute tüchtig rein und schmatzte dabei extra laut. Ihnen sollte dat Wasser im Maul zusammenlaufen, den verdammten Heuchlern.
Auch beim Wein und Hierbas langte ich kräftig zu!
Die glotzten mich an wie geklonte Schafe als ich mir die zweite Pulle Wein bestellte.

Als ich abends frohgelaunt nach Hause kam, roch et im Treppenhaus auffallend stark nach Farbe.
Meine Berta hatte schon vier Türen picobello gestrichen. Farben, Terpentin, Klebeband, Pinsel und Glaspapier hatte se gekauft, allet lag verstreut inne Bude rum. Sie wollte mich vorführen und beweisen, dat se auch ohne mich fertig würde, auch tatkräftiger und fleißiger war als ich!

Kein Wort des Lobes ging über meine Lippen. Ich riss lediglich die Türen und Fenster auf, damit der Farbenmief entweichen konnte. Die Fernsehkiste an, dat Abendessen verschmäht, und mit ner Flasche Bier inne Hand hab ich geschmollt. Berta musste doch endlich begreifen, dat ich nich ihr angetrauter Hampelmann war, an dem se nach Lust und Laune ziehen konnte!

Berta durchbrach die herrliche Ruhe: „Ach, bestimmt Herr Püttmann jetz auch noch dat abendliche Fernsehprogramm? Nur wieder Mord- und Totschlag kucken, den Sender 'Arte' kennt er ja nich. Kultur iss ja en Fremdwort für ihn.“

Fing dat Theater schon wieder an! Ich setzte mir die Kopphörer auf, damit ich ihre Lästereien nich mehr mitbekam.

Um meinen inneren Zorn abzubauen, zappte ich mir mindestens acht Filmausschnitte rein. So gegen 23.00 Uhr war dann ma probeweise „Arte“ dran. Ich bin fast vom Sessel gerutscht, Horror von der ekligsten Art auf diesem Kanal! Dat Programm stellte ich dann schön laut, damit Berta sich ma ihren Kultursender anschauen konnte.

Et stürmte auch am nächsten Tag.
Nach dem Frühstück hängte Berta demonstrativ die nächsten vier Türen aus und sprach kein einziges Wort mit mir.
Ich dachte: Lasse ma so weiter machen. Ich zog wieder meine Wanderklamotten an und wollte gerade gehen, da durchbrach Bertas Stimme die Sprachblockade. „Willi, iss dat nur meine Wohnung? Glaubsse vielleicht, dasse mich hier alleine malochen lassen kannz?“
„Si“, antwortete ich in gepflegtestem Spanisch und knallte die Tür von außen zu.

Nach einem anstrengenden „Wandertag“ zu diversen Pinten kehrte ich erst am späten Abend heim. Die restlichen vier Türen waren auch gestrichen! Nur eine Tür war noch nich eingehängt.

Dat Berta hatte wirklich dicke Nerven und en starken Willen. Besser gesacht: Sie war stur wie en Panzer! Son bissken Hochachtung kam bei mir schon auf. Aber wo steckte se denn? Mein Abendessen stand auch nich auf’n Tisch, da stimmte irgendwat nich!
Plötzlich hörte ich en Stöhnen und Wimmern aussem Schlafzimmer! Ich erschrak, Berta lag mit schmerzverzerrtem Gesicht im Bett.
„Bertaken, wat iss los, sach wat.“ Sie heulte.
„Mach den Mund auf, wat iss denn, sach et doch!“
Endlich kam die Antwort: „Heeexenschuuuss! Beim Einhängen der letzten Tür, und nur du biss daran schuld, du hass mir nich geholfen!“
„Berta, sei ma nich ungerecht, ich diskutier dat jetz nich, soll ich den Doktor rufen?“
„Jaaa, stöhnte se, „ich kann die Schmerzen nich mehr ertragen!“
Der Arzt kam, verpasste ihr ne Spritze, verschrieb Tabletten und bemerkte: „Wenn mañana nich besser, röntgen, eventuell Bandscheibenvorfall.“
Sofort plagte mich mein schlechtet Gewissen: Mensch, Willi, wat hasse da mit deiner Sturheit angerichtet? Wat bisse nur für’n westfälischen Dickkopp! Deine gute Berta hasse im Stich gelassen. Der ganze Urlaub iss im Eimer.

Berta sah ich schon in som Ambulanzflieger liegen. Ich versuchte mein Gewissen zu beruhigen:
Ach wat, dat isse doch selber schuld, muss die mich denn immer bis zur Weißglut reizen und ihren verdammten Willen durchsetzen!

Nach drei Tagen sprang mein Bertaken wieder rum wie en junget Reh. Gott sei Dank!
Die letzte Tür hab ich dann doch noch gestrichen!
 



 
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