Tom und Tina und das Zaubertor, Teil 1 Eine Überarbeitung

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Tom und Tina und das Zaubertor.

Endlich Ferien. Tom und Tina durften sie bei ihren Großeltern verbringen, die in einem kleinen Dorf am Waldesrand lebten. So oft es ging kamen sie zu ihnen, weil sie die beiden sehr gern hatten. Sie mochten auch das alte Haus, in dem jede Stufe der Treppe knarrte und die Türen quietschten. Auf dem Dachboden gab es für die Kinder viel zu entdecken. Sie fanden es aufregend, an trüben Tagen dort im Halbdunkel in Truhen und Kisten nach Gegenständen und Bildern aus vergangenen Zeiten zu stöbern, die ihnen dann von den Großeltern mit viel Geduld erklärt wurden.
Zu dem Haus gehörte auch ein schöner großer Garten, mit knorrigen alten Bäumen, vielen Sträuchern und bunten Blumen. In diesem Garten spielten sie oft stundenlang, denn man konnte sich dort toll verstecken. Am allerliebsten waren sie in ihrem Baumhaus, welches ihr Vater mit dem Großvater zusammen in eine mächtige Kastanie gebaut hatte.
Am Abend, wenn sie in ihren Betten lagen, hörten sie die alte Standuhr in der Diele schlagen, und eine Nachtigall sang am Weiher ihr Abendlied. Man hörte die Frösche quaken, und die letzten Enten schnattern. Frühmorgens wurden sie vom Hahnenschrei und dem Zwitschern der Vögel geweckt. Oh ja, es war schön hier bei den Großeltern, so ganz anders, als in der Stadt, in der sie wohnten.

Die beiden waren ein Geschwisterpaar, das sich gut verstand. Konnten sie mal nicht einschlafen, redeten sie über dieses und jenes. Manchmal wurde es recht spät darüber. Wenn die alte Dielenuhr Mitternacht schlug, erzählten sie sich auch schon mal gruselige Sachen und Gespenstergeschichten. Dann zogen sie ihre Bettdecken bis an die Nasen hoch und konnten erst recht nicht schlafen, weil ihnen nun unheimlich zu Mute war.

Auch heute war wieder so eine Nacht. „Glaubst du, es gibt sie wirklich, die Gespenster, Hexen und Trolle, oder Elfen und Feen?“, fragte Tina ihren Bruder leise. Sie war die Jüngere und ging in die erste Klasse, während ihr Bruder schon die vierte besuchte. Für sie war er ein ganz Großer. Er wusste so viel mehr, ihr Vertrauen in ihn war grenzenlos. Er beschützte sie und verriet seine kleine Schwester nie bei den Eltern, wenn sie Quatsch gemacht hatte.

Im Gegensatz zu ihrem Bruder, der mittelblond war, trug Tina lange, dunkle Haare, die sie meistens zu einem Pferdeschwanz gebunden hatte. Tollte sie herum, so wippte er lustig hin und her. Tom liebte seine kleine Schwester sehr. Er mochte ihre lustige, unbekümmerte Art, ihre Neugier auf alles und ihre ständig gute Laune. Obwohl sie ja doch um einiges jünger war, konnte man mit ihr viel unternehmen. Sie war zuverlässig und verschwiegen, was außerordentlich wichtig war, wenn man mal ein Geheimnis hatte.

Nun antwortete er ihr ebenso leise: „Nein, das glaube ich nicht, das sind doch alles nur Märchen, obwohl...“
„Was?“, flüsterte Tina.
„Ja, weißt du“, fuhr Tom geheimnisvoll fort, „als wir gestern mit den Dorfkindern spielten, haben ein paar von ihnen merkwürdige Andeutungen gemacht, vom wegen im Wald geht’s nicht mit rechten Dingen zu und so.“
Seine Schwester saß jetzt senkrecht im Bett. Sie riss die Augen auf. „Wieso?“, schrie sie fast und hielt dann den Atem an. Von solchen spannenden Dingen konnte sie nie genug hören.
„Pssst, sei doch leise“, wurde sie von Tom ermahnt, „du weckst noch die Großeltern auf.“
„Nun mach schon, erzähle mir von dem Wald“, bettelte sie.
Er fuhr fort: „Niemand weiß wohl so ganz genau, was es mit den Geschichten, die man sich hier erzählt, auf sich hat. Jedenfalls soll es dort spuken. Einige wollen nachts tanzende kleine Lichter über den Bäumen gesehen haben. Andere meinten, sie hätten ein leises, helles Klingen wie von Glöckchen und ein ganz zartes Singen gehört.“

Tina biss jetzt vor Aufregung fast in ihre Bettdecke: „Oh Mann, sagte sie fassungslos, „erzähl weiter.“
„Das ist alles,“ meinte Tom.
„Schade“, kam es bedauernd aus ihrem Bett zurück, „das möchte ich auch mal erleben. Ob das wohl stimmt? Vielleicht ist es ein Zauberwald. Sicher gibt es sie doch, die Elfen und Trolle und all die anderen. Was meinst du, Tom, wollen wir nicht mal abends hingehen? Ich meine natürlich nur ein kleines Stückchen, so ungefähr bis zum Waldrand. Ein wenig bange ist mir, ehrlich gesagt schon, aber du bist ja bei mir.“
Geschmeichelt antwortete er: „Klar würde ich auf dich aufpassen, aber du weißt doch, dass unsere Großeltern es nie erlauben werden, dass wir abends allein zum Wald laufen.“
„Ach, bitte Tom“, bettelte sie, „wir warten, bis die beiden schlafen, und schleichen uns leise raus. Wir bleiben auch nicht lange, bitte, bitte.“
Wie immer konnte er ihr keinen Wunsch abschlagen, wenn sie ihn so inbrünstig bat. Mit einem Seufzer gab er also nach: „Meinetwegen, lass uns morgen Abend gehen. Auf keinen Fall dürfen die Großeltern etwas merken. Die beiden wären sehr enttäuscht, dass wir uns nicht an ihr Verbot halten würden.“ Erleichtert atmete Tina auf: „Tom, du bist der beste Bruder, der allerbeste, den es gibt. Jetzt wollen wir ein wenig schneller schlafen, damit es bald schon Morgen ist. Ach, ich bin so aufgeregt, gute Nacht.“
„Gute Nacht, Tina“, flüsterte Tom. Insgeheim hatte er doch Gewissensbisse, wenn er daran dachte, dass sie sich heimlich davon stehlen wollten. Aber was tat man nicht alles für seine kleine Schwester. Sicher, in seinem Alter glaubte man natürlich nicht mehr an solche Dinge, aber trotzdem, wer weiß. Schließlich gab es auf der Welt ja so viele Sachen, die man sich nicht erklären konnte.

Der nächste Tag wollte kaum vergehen. Stundenlang saßen Tom und Tina in ihrem Baumhaus und warteten darauf, dass es Abend wurde. In einem dicken Märchenbuch lasen sie noch einmal alles über Gespenster, Elfen und Feen, Kobolde und Hexen nach. Es war sozusagen eine Vorbereitung auf ihr nächtliches Abenteuer. Die beiden hatten zu nichts anderem Lust, sie waren einfach zu aufgeregt, um sich mit Spielen die Zeit zu vertreiben. Wenn man so etwas Spannendes vorhatte, war alles andere unwichtig. Spielen konnte man ja immer, aber dies hier, das hatte man nicht alle Tage. Je näher der Abend kam, desto aufgeregter wurden sie.

Endlich war es soweit. Nach dem Abendessen gingen Tina und Tom zu Bett. Mit klopfendem Herzen warteten sie darauf, dass Ruhe ins Haus einkehrte und die Großeltern schliefen.
Nachdem eine geraume Zeit vergangen war, zogen sich die Geschwister wieder an. Sie schlichen auf Socken, die Schuhe und eine warme Jacke in der Hand, leise die Treppe hinunter. Hoffentlich knarrten die Stufen jetzt nicht, also ganz vorsichtig auftreten! Und da war es schon, knarr, knarr, zwar nicht sehr laut, aber immerhin. Ältere Leute sollen einen leichten Schlaf haben, hatten sie mal gehört!
Als Tom und Tina fast unten waren, kam der nächste Schreck. Die alte Hauskatze raste plötzlich quer durch die Diele. Sie war hinter einer Maus her und stieß dabei ihre Milchschale um, dass es nur so schepperte. Die Kinder hielten die Luft an. Als alles ruhig blieb, öffneten sie erleichtert die Tür und zogen sie leise hinter sich ins Schloss. Puh, jetzt schnell die Schuhe an und los.

Fledermäuse jagten in der Dämmerung lautlos nach Insekten und vom Wald herüber hallte das schaurige Huhu einer Eule. Der Mond versteckte sich noch hinter den Wolken. Glühwürmchen tanzten vor ihnen her, als wollten sie den Weg zeigen.
Nach kurzer Zeit erreichten die Geschwister ihr Ziel.
„Kannst du etwas sehen oder hören?“, wisperte Tina.
„Nein“, antwortete Tom.
„Ich auch nicht“, meinte sie. „Komm, wir gehen mal ein Stückchen hinein, nur bis zur nächsten Wegbiegung.“
„Du, es ist da schon ganz schön dunkel drin“, beeilte sich Tom zu sagen, ihn beschlich jetzt doch ein mulmiges Gefühl.
„Ach komm, nur ein Stück, wo wir doch schon mal hier sind“, bat seine Schwester.
Er gab nach: „Gut, aber wir sollten unsere Jacken jetzt anziehen, es wird kühler.“ Sie fassten sich an den Händen und betraten den Wald. Eine Rehmutter mit ihrem Kitz sprang verschreckt auf und lief davon. Ein Eichelhäher krächzte über ihnen, etwas raschelte im Unterholz. Erschrocken blieben die Kinder stehen. Dann mussten sie über sich selbst lachen, denn es war eine Waldmausfamilie, die dort herum sprang. Sie gingen weiter. Angestrengt spähten sie in alle Richtungen. Nichts, aber auch gar nichts war zu sehen oder zu hören von dem, was die Dorfkinder Tom erzählt hatten. Gleich erreichten sie die Wegbiegung und dann würden sie umkehren, um wieder in ihre warmen Betten zu kriechen. Die ganze Aufregung war umsonst gewesen, schade eigentlich. Wie konnten sie nur auf so etwas albernes hereinfallen? Solche Dinge gibt es wirklich nur in Märchenbüchern.

Enttäuscht wollten sich die beiden auf den Heimweg machen. Als sie sich aber umdrehten, bekamen sie einen gehörigen Schreck. Wo war der Weg, auf dem sie gekommen waren? Ängstlich sahen sie sich um. Dieser Wald sah plötzlich aus, als hätte ihn noch nie jemand betreten. Fast schon wie ein Urwald, so dicht und unwegsam. Ein Weg kann doch nicht einfach verschwinden! Es war stockfinster. Die Kinder duckten sich, als sie dicht über ihren Köpfen ein Geräusch hörten. Ein großer Kauz flog über sie hinweg. Hier und da knackte es im Gehölz. Tom und Tina fingen allmählich an, sich zu fürchten. Was nun? Wo waren sie nur? Und wenn es doch ein Zauberwald war? Tina drückte sich an ihren Bruder, der sich seine Angst ihr gegenüber nicht anmerken lassen wollte. Beruhigend sagte er: „Du brauchst dich nicht zu fürchten, Tina, wir finden unseren Weg schon wieder. Bestimmt haben wir uns nur ein wenig verlaufen.“
Doch er glaubte es selbst nicht. „Irgendetwas ist hier passiert“, dachte er bang, sein Herz klopfte laut. Mit der kleinen Schwester an der Hand, ging er weiter und weiter.

Sie waren schon eine geraume Zeit unterwegs, als sie plötzlich leise Stimmen aus dem Dunkel hörten: „Hey Kurt, schau mal, da kommt wer.“
„Tatsächlich“, antwortete eine andere Stimme, „ist lange her, dass mal jemand hier war um diese Zeit.“
Verdutzt blieben die Geschwister stehen. Zwei Männlein mit winzigen Laternen standen vor ihnen. Sie trugen lange Bärte und noch längere Zipfelmützen. Ihre Kleidung war ganz grün, als wäre sie aus Moos und Flechten genäht. An den Füßen trugen sie Schuhe, die an Pantoffeln erinnerten. Ob das Kobolde waren? Sprachlos starrten die Kinder sie an.
„Wer seid ihr denn?“, fragte Tom, der sich wieder gefangen hatte. „Seid ihr etwa Kobolde oder so?“
„Oder so, ist lustig“, kicherten die Männlein. „Na klar sind wir Kobolde, was denn sonst, sieht man das nicht? Und ihr seid Menschenkinder, stimmt‘s? Ihr müsst durch das Zaubertor gekommen sein.“
Zaubertor? Tom und Tina sahen sich mit großen Augen an.
Die beiden redeten weiter: „Man erzählt sich hier im Wald von einem unsichtbaren, geheimnisvollen Tor, durch das man zwar hinein, aber nicht mehr hinaus gelangen soll. Was wollt ihr denn bei uns?“

Bestürzt berichteten die Kinder von ihrem nächtlichen Ausflug, und dass sie den Weg zurück nicht mehr fanden. „Wir wollten doch nur sehen, ob die Kinder im Dorf recht hatten.“
„So, so,“ meinten die Winzlinge, als sie geendet hatten. „Und wie ist es, glaubt ihr an Märchen?“
Unsicher sahen Bruder und Schwester sich an: „Ja, doch, wenn wir euch so ansehen“, meinten sie vorsichtig. Die Kobolde lachten und hüpften um die beiden herum.
„Jetzt sagt uns erst einmal, wie ihr heißt, damit wir wissen, mit wem wir es zu tun haben. Ich bin Kurt und das neben mir hier ist mein bester Kumpel, Fred.“
„Wir sind Tom und Tina“, antworteten die Kinder wie aus einem Mund.
„Tja, Tom und Tina, was nun?“, fragten die Kobolde. „ Da ihr schon mal da seid und nicht mehr zurück könnt, laden wir euch zu uns ein. Wir wohnen nicht weit von hier. Heute Nacht gibt es bei uns ein Fest. Alle unsere Leute kommen zusammen. Es geht immer recht lustig zu, das könnt ihr uns glauben. Wir feiern, bis die Bäume wackeln. Essen und Trinken gibt es vom Feinsten, und natürlich wird auch kräftig getanzt. Was meint ihr dazu?“ Sie sprangen fröhlich im Kreis umher, ihre kleinen Kulleräugelein funkelten.
Oh ja, das wäre schön, doch Tom und Tina mussten unbedingt den Weg nach Hause finden. Das sagten sie den beiden Winzlingen, die das sehr bedauerten. Die Kinder taten ihnen von Herzen leid und sie beschlossen, ihnen zu helfen.

„Eine kleine Weile von hier leben die Elfen“, sagte Kurt.
Tina riss die Augen auf. Also doch. Sie hatte es immer geahnt. Es gab sie, es gab sie alle!
„Bei ihnen lebt eine gute Fee“, redete Kurt weiter, „sicher kann sie euch weiterhelfen. Schon oft hat sie, wenn jemand aus unserem Wald in Not war, geholfen. Sie ist immer für uns da. Nun, sie ist schließlich ja auch eine gute Fee.“
Grinsend schielte er zu Fred hinüber. „Wenn mein Freund hier einverstanden ist, zeigen wir euch den Weg dorthin.“
Fred sprang fröhlich umher und rief: „Aber gerne, aber gerne. Kommen wir eben etwas später zum Tanz, das macht nix. Auf geht’s, Leute.“

Munter marschierten sie los. Die Kobolde mit ihren kleinen Laternen hüpfend und springend vorweg, und hinter ihnen Tom und Tina. Die beiden hatten jegliche Angst vor diesen lustigen Gesellen verloren. War das aufregend! Sie liefen über den weichen Waldboden, durch Gestrüpp, über Stock und Stein. Unterwegs meinten sie öfter, ein leises Wispern oder flüsternde Stimmen zu hören, die aus dem Unterholz kamen oder auch aus den Bäumen. Als sie die Kobolde darauf ansprachen, lachten diese wieder und sagten: „Wie war das noch mit den Märchen? Kinder, ihr seid hier in einem Zauberwald, und da können alle Tiere sprechen, selbst die Fische im Wasser und die Vögel in den Bäumen. Es sind die Stimmen der Tiere, die ihr hört. Ein paar von ihnen sind auch noch unterwegs, genau wie wir. Gewiss haben sie uns längst entdeckt und beobachten uns neugierig, denn Menschenkinder gibt es hier nicht jeden Tag zu bestaunen. Übrigens sind wir bald da. Seht ihr den Bach vor uns? Ein Steg führt hinüber, davor werden wir uns von euch verabschieden. Ihr müsst den Weg auf der anderen Seite weitergehen, bis ihr auf eine kleine Lichtung kommt. Jede Nacht spielen die Elfen dort, tanzen und singen. Wir sind sicher, sie helfen euch weiter.“

Der Mond war mittlerweile aufgegangen. Silbrig glitzerte der Bach in seinem Schein und plätscherte leise. Ab und an sprangen einige Fischlein an die Oberfläche, sie machten die kühnsten Sprünge im Wasser. Ein paar Entenkinder tobten und schnatterten im Schilf. Energisch rief ihre Mutter sie zur Ruhe. „Schluss für heute, Kinder, es wird höchste Zeit zum Schlafen.“
Tom und Tina sahen sich ungläubig an. Konnten die Tiere hier tatsächlich alle reden, so wie sie? Kurz bevor die kleine Gruppe den Steg erreichte, knackte es plötzlich laut in den Büschen ringsum. Erschauernd blieben alle stehen.
„Hallo Leute, auch noch so spät unterwegs?“, fragte eine tiefe Stimme dröhnend. Sie sahen, wie ein riesengroßer Bär auf sie zutrat. Die Kinder waren entsetzt.
„Ja, wie du siehst“, antworteten die Kobolde, scheinbar kannten sie ihn. „Du hast uns einen schönen Schreck eingejagt.“
„Tut mir leid“, sagte der Bär gutmütig, „das wollte ich nicht. Hab noch einen kleinen Spaziergang gemacht. Der Mond scheint heute außergewöhnlich schön, meint ihr nicht? Aber wen haben wir denn da? Wenn das keine Menschenkinder sind!“
„Genau, das sind sie“, bemerkte Kurt. Zu Tom und Tina gewand meinte er: „Das ist Erwin, er macht jeden Abend hier seine Runde, während seine Frau die beiden Jungen ins Bett bringt.“
„So ist es“, sprach der Riese von Bär. „Was macht ihr mit den Menschenkindern, müssten sie nicht auch schon längst in ihren Betten liegen? Wie kommen sie überhaupt in unseren Wald?“

Die vier erzählten ihm die ganze Geschichte. „Hm“, meinte der Bär anschließend nachdenklich, „ihr seid tatsächlich durch das geheimnisvolle Tor gegangen. Ich weiß, dass es unmöglich ist, den Wald wieder zu verlassen, denn ein Unhold treibt vor dem Ausgang sein Unwesen.“
„Was für ein Unhold?“, fragten die Kinder entsetzt.
„Ach was, er macht Witze,“ kreischten die Kobolde, lachend schlugen sie sich auf die Schenkel. Der Bär wurde ernst.
„Nein“, sagte er ruhig, „ das ist kein Witz. Habt ihr schon mal versucht, hier raus zu kommen, ihr beiden?“
„Bis jetzt noch nicht“, meldete sich Fred zu Wort. „Hatten keine Lust dazu.“ Beide kicherten.
„Seid endlich mal ein bisschen ernsthaft“, brummte Erwin ärgerlich, „das ist nämlich gar nicht zum Lachen. Wollte es selbst mal versuchen, ihr wisst schon, die Neugierde, als es mich dabei fast erwischte. Es war fürchterlich. Meine Frau brachte wie immer die Jungen zu Bett, und ich machte meinen allabendlichen Spaziergang. Unterwegs fiel mir ein, dass ich noch nie am Ende dieses Waldes war, geschweige denn hinausgegangen bin. An dem Tag war ich aber wohl besonders übermütig. Ich beschloss, es einmal auszuprobieren. Fröhlich pfiff ich vor mich hin und war bald schon am Ziel. Da kam es plötzlich auf mich zu. Es wurde so dunkel, dass man die Pranken vor Augen nicht mehr sehen konnte. Ein schrecklicher Sturm brach los. Die Bäume bogen sich bis zur Erde und der Wind sauste, dass es mich fast umhaute. Mit letzter Kraft konnte ich mich aufrecht halten.
Dann geschah etwas Unfassbares. Aus dem Dunkel tauchten die Umrisse einer schrecklichen, riesigen Gestalt über mir auf. Das Ding sah aus, als würde es auseinander fließen. Es stieg höher und höher zum Himmel auf, der in schaurige Farben gehüllt war. Fürchterliches Geheul und Kreischen ertönte. Vor Grauen war ich wie gelähmt. Mit einem Mal stieß das Schreckliche auf mich herunter und brüllte mich an: „Was suchst du hier, du Wicht? Ich bin der Herr und Hüter des Zaubertores. An mir kommt niemand vorbei. Sollte es jemand versuchen, so wird er seinen Leichtsinn bis in alle Ewigkeit bereuen.“
Das reichte mir. Wie der Blitz drehte ich mich um und rannte wie noch nie in meinem Leben. Nur weg, weg, weg.“

Atemlos hatten ihm alle zugehört. „Aber das ist ja furchtbar. Kommen wir denn jetzt nicht mehr nach Hause?“, fragten Tom und Tina verzagt.
„Meine beiden Freunde, haben recht“, meinte Erwin. „die Fee könnte euch behilflich sein. Wenn es jemanden gibt, der euch weiterhelfen kann, dann ist sie es. Habt nur Mut. Ich drücke euch jedenfalls fest die Pranken. Passt schön auf euch auf, hört ihr? So, Leute, langsam muss ich mich auf den Heimweg machen, ehe meine Frau sich um mich sorgt. Tschüss, grüßt alle von mir, besonders Serafina, die spielt nämlich immer mit meinen Jungen.“ Er winkte noch mal und spazierte gemütlich von dannen.
 



 
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