Über dem Stacheldraht

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HerbertH

Mitglied
Über dem Stacheldraht

Die Klassenfahrt, wir hatten alle uns danach verzehrt,
Mal endlich rauszukommen aus der kleinen Großstadt Mief
Und lauthals lachend freuten wir am Hoch uns, nicht am Tief,
Uns waren keine Wunder dieser Stadt Berlin verwehrt,

Wenn wir im Westen warn. Im Osten war es umgekehrt.
Der Zwangsumtausch so mancher Mark, noch grinsten wir uns schief,
Der traf uns junge Wohlstandskinder nicht so hart und rief
nur Spott hervor. Die Mauer hat uns dann den Ernst gelehrt.

Verstummen ließ uns Stacheldraht. Auf einer Plattform zitternd,
Entsetzensgänsehäutig starrten wir das Unrecht an,
Bestürzt gefror uns jedes Wort, wurd' jeder Blick verbitternd.

Und heut? Wer denkt in dieser Wunderstadt Berlin daran,
Und wer hat Obacht auf das nächste Unheil, Unrat witternd?
Wir drücken uns darum. Und suchen uns den nächsten Wahn.
 

HerbertH

Mitglied
Über dem Stacheldraht

Die Klassenfahrt, wir hatten alle uns danach verzehrt,
Mal endlich rauszukommen aus der kleinen Großstadt Mief
Und lauthals lachend lebten wir im Hoch nur, nie im Tief,
Uns waren keine Wunder dieser Stadt Berlin verwehrt,

Wenn wir im Westen war'n. Im Osten war es umgekehrt.
Der Zwangsumtausch so mancher Mark, noch grinsten wir uns schief,
Der traf uns junge Wohlstandskinder nicht so hart und rief
nur Spott hervor. Die Mauer hat uns dann den Ernst gelehrt.

Verstummen ließ uns Stacheldraht. Auf einer Plattform zitternd,
Entsetzensgänsehäutig starrten wir das Unrecht an,
Bestürzt gefror uns jedes Wort, wurd' jeder Blick verbitternd.

Und heut? Wer denkt in dieser Wunderstadt Berlin daran,
Und wer hat Obacht auf das nächste Unheil, Unrat witternd?
Wir drücken uns darum. Und suchen uns den nächsten Wahn.
 

HerbertH

Mitglied
Ich habe noch kleine Änderungen im ersten Quartett vorgenommen.
So gefällt es mir besser.

Falls sich jemand die Mühe macht, mir seine/ihre Reaktion auf dieses Sonett mitzuteilen, würde ich mich freuen.

Liebe Grüße an Euch Leser

Herbert
 

FrankK

Mitglied
Hallo Herbert

Auch auf die Gefahr hin, dass ich es mir mit Dir vergraule.
Ich empfinde Deinen Text nicht als so ansprechend.
Da hat Dein Limerick mehr Pfiff.

Ich versuche es mal so zu erklären:
Die erzeugten Bilder sind zwar verständlich, wenn ich mir diesen Text in Versform allerdings laut vorlese, komme ich reichlich ausser Atem. Nicht vor Hektik oder Energie, mir geht einfach die Luft aus, bevor der Satz (oder Vers?) beendet ist. Ich finde im Lesen keinen Rhythmus, keine Melodie.

Ich bin auch nicht halbwegs Lyrikfest, um Dir jetzt eine detailiertere Beschreibung oder Erklärung zu liefern.

Mit Begriffen wie "Sonett" oder "Quartett" (wenn damit nicht gerade ein Kartenspiel gemeint ist) kann ich nicht viel anfangen. Meine Talente liegen eher im Prosa-Bereich, auch wenn Heidrun mir etwas anderes bescheinigen möchte.

Tut mir leid, wenn ich Dir nicht weiterhelfen kann.


Bedauerliche Grüße
Frank
 
H

Heidrun D.

Gast
Du hast es nicht anders gewollt ...;)

Sonette sind schwierig; das weiß ich.

Deins wirkt auf mich so, als ob du die Wörter der Form anpasstest und zwar ziemlich massiv. Zwei Beispiele:

Über dem Stacheldraht

Die Klassenfahrt, wir hatten alle uns danach verzehrt,
Mal endlich rauszukommen aus der kleinen Großstadt Mief
[red]Und lauthals lachend lebten wir im Hoch nur[/red], nie im Tief,
Uns waren keine Wunder dieser Stadt Berlin verwehrt,

Wenn wir im Westen war'n. Im Osten war es umgekehrt.
Der Zwangsumtausch so mancher Mark, noch grinsten wir uns schief,
Der traf uns junge Wohlstandskinder nicht so hart und rief
nur Spott hervor. Die Mauer hat uns dann den Ernst gelehrt.

Verstummen ließ uns Stacheldraht. Auf einer Plattform zitternd,
[red]Entsetzensgänsehäutig starrten wir das Unrecht an[/red],
Bestürzt gefror uns jedes Wort, wurd' jeder Blick verbitternd.

Und heut? Wer denkt in dieser Wunderstadt Berlin daran,
[red]Und wer hat Obacht auf das nächste Unheil[/red], Unrat witternd?
Wir drücken uns darum. Und suchen uns den nächsten Wahn.
diese Stellen wirken schon recht heavy und ungewollt komisch auf mich.

Du solltest versuchen, dem ganzen mehr sprachliche Leichtfüßigkeit zu geben und die Klassenfahrt besser auszubauen, als das was eine solche Fahrt immer ist, ein Riesenspektakel.

Das Entsetzen würde ich nur andeuten, auf gar keinen Fall solche Ungetüme wie "Entsetzensgänsehäutig" verwenden, das finde ich ganz furchtbar.

Meine Erfahrung mit Jugendlichen ist auch eine ganz andere. Dadurch, dass sie stets cool wirken wollen, ließen sie sich (nach außen hin) niemals so beeindrucken wie du das schilderst. - Ich war früher mal öfter mit Gruppen in ehemaligen Konzentrationslagern. Selbst da ...

Liebe & wohlmeinende Grüße
Heidrun
:)
 

HerbertH

Mitglied
Liebe Heidrun,

vielen Dank fürs Lesen und Kommentieren.

Schade, dass es für Dich diesmal nicht so richtig passt.
Es sind vielleicht zuviele Stilmittel gehäuft (Alliterationen, Wortverfremdung, 7 hebige Verse). Komisch war das nicht gemeint, da hast Du recht. Ich habe versucht, Sprachduktus wie in Prosa trotz strenger Form einerseits, aufgebrochen in einigen dadurch betonten Versen durch die Dir seltsam vorkommenden Stilmittel andererseits gegeneinander zu stellen. In Zeile 3 gebe ich Dir recht, da hat mich die Form zu einem 'nur' gebracht, mit dem ich selbst nicht so recht zufrieden war. Mir ist gerade eine bessere Variante eingefallen :)

Inhaltlich kann ich nur sagen, dass es für mich und auch andere aus meiner Klasse sehr genau auf die dargestellten Gegensätze hinauslief. Ich habe keine spätere Generation an der Mauer erlebt, ich kann daher nicht sagen, ob es für die so anders war.

Liebe Grüße

Herbert
 

HerbertH

Mitglied
Über dem Stacheldraht

Die Klassenfahrt, wir hatten alle uns danach verzehrt,
Mal endlich rauszukommen aus der kleinen Großstadt Mief
Und lauthals lachend lebten wir im Hoch, weit weg vom Tief,
Uns waren keine Wunder dieser Stadt Berlin verwehrt,

Wenn wir im Westen war'n. Im Osten war es umgekehrt.
Der Zwangsumtausch so mancher Mark, noch grinsten wir uns schief,
Der traf uns junge Wohlstandskinder nicht so hart und rief
nur Spott hervor. Die Mauer hat uns dann den Ernst gelehrt.

Verstummen ließ uns Stacheldraht. Auf einer Plattform zitternd,
Entsetzt und gänsehäutig starrten wir das Unrecht an,
Bestürzt gefror uns jedes Wort, wurd' jeder Blick verbitternd.

Und heut? Wer denkt in dieser Wunderstadt Berlin daran,
Und wer hat Obacht auf das nächste Unheil, Unrat witternd?
Wir drücken uns darum. Und suchen uns den nächsten Wahn.
 

HerbertH

Mitglied
Lieber Frank,

in weiten Teilen kann man das Sonett als Kurzprosa lesen. Es ist vom Thema "schwieriger" als mein Limerick, vielleicht auch darum nicht so eingängig.

Auf jeden Fall Danke fürs Kommentieren. Überhaupt eine Rückkopplung zu bekommen war für mich hilfreich.

Liebe Grüße

Herbert
 
H

Heidrun D.

Gast
Das ist doch auch ok .. ; -

Ich denke die ganze Zeit, ob du das Sonett nicht auflösen und ein stinknormales Gedicht daraus machen solltest:

...
verstummen ließ uns Stacheldraht.
Auf einer Plattform zitternd,
starrten wir das Unrecht an,
bestürzt gefror uns jedes Wort.
Fändest du das nicht auch schöner? Das alleinige Verstummen wirkt auf mich allemal stärker als die Häufung der Bilder ...

Liebe Grüße
Heidrun
 

HerbertH

Mitglied
weniger ist manchmal mehr...
aber vielleicht gilt doch

Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen...
Wer weiss, ob die Kurzform ohne die Langform überhaupt die richtigen Assoziationen weckt? Vielleicht findet man in der kurzen, verdichteten Form nur dann den "richtigen" Inhalt, wenn man durch anderes - die lange Form - schon in der passenden Stimmung ist.

Das wäre mal ein gutes Thema für die Wissenschaft ...

Liebe Grüße

Herbert
 
H

Heidrun D.

Gast
Na Jottseidank,

nun is noch allet allet juut jeworden. Jeht doch! :D
(Ich bin richtig erleichtert, weil es mir schon sehr um das Sonett & um Herbert ;) leid getan hat).

In dieser gemäßigten Form finde ich es super!

Liebe Grüße
Hedrun

(bis auf`s "lauthals" ggg)
 
H

Heidrun D.

Gast
Eins bedingt das andere.

Und nachdem du das entsetzliche "entsetzensgänsehäutig" verändert hast, wirken die anderen Dinge nicht mehr so übertrieben auf mich, bis auf das "lauthals" halt ...

Grüßle
 

HerbertH

Mitglied
mal ne Frage

Ist übrigens der Umzug dieses Gedichtes in Gereimtes unter Mitnahme der Kommentare (und Wertungen :)) möglich, ohne dass man aus dem Wettbewerb fliegt?
 

tina Y

Mitglied
hallo herbert,

mal ganz abgesehen von der form...ich versteh davon nix ;-), finde ich den inhalt des textes einfach nur hammergeil!!

genauso erlebt, 16jährig, heulend und voller sprachlosen entsetzens auf dem grossen platz im kz buchenwald.

danke

lg tina
 



 
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