Verlorene Sonne

2,00 Stern(e) 1 Stimme

Coline

Mitglied
Verlorene Sonne

Ich brauche keine Tränen,
um zu erkennen, dass ich traurig bin.
Ich brauche kein Blut,
um festzustellen, dass ich noch lebe.
Ich brauche keine Freunde,
die mein Vertrauen missbrauchen.
Ich brauche keine Menschen,
die mich viel besser kennen als ich selbst.

Ich brauche niemanden,
der mir nur aus Mitleid helfen will.
Ich brauche niemanden,
der nicht versucht, meine Ansichten zu verstehen.
Ich brauche niemanden,
der mich nicht so akzeptieren kann wie ich bin.
Ich brauche niemanden,
um zu erkennen, dass mein Leben eine Katastrophe ist.

Den einzigen den ich brauche,
um mein Leben zu leben,
bist du!
Einzig allein du!
 

Jongleur

Mitglied
widerspenstig

Hallo Coline,
ein langer Text, der, nimmt man seinen Titel, vom Verlust schreiben, erzählen will.
Sonne, das Ende einer Beziehung, einer Liebe, der Verlust eines Menschen durch Tod - ich glaube, wie vermutlich jeder Leser, dass ich weiß, was Trauer, Alleinsein, Einsamkeit, Leben im Schatten bedeutet.
Hier steht aber weniger Trauer im Mittelpunkt - vielmehr scheint es mir eine Klage über diese und jene Komponenten, die gewöhnlich einem Ich das Leben erschweren, dann eine (vergebliche) Forderung an den Menschen, der nicht mehr für das Lyrische Ich da ist/da sein will.

Seltsam kommt bei mir die Aufzählung aus "ungeliebten" Komponenten der Lebensmitgestaltung - um dann den Bogen zum vermissten "geliebten" Menschen zu schlagen.

Ich bin eher gefasst darauf, dass in einem Gedicht beispielsweise verglichen wird:
ohne die Sonne könnte ich leben, ohne das Gras, die Blumen, die Freunde etc. --- aber nie ohne dich.

Zum Schluss richtet sich das Lyrische Ich in direkter Ansprache an den Menschen, der verloren ging, um den sich alles drehte wie um eine Sonne: Mein Leben kann ich nur wertvoll oder sinnerfüllt leben, wenn du bei mir bist. Ich brauche dich. - so das Lyrische Ich. Und fordert damit meinen Widerspruch heraus.
Für mich wäre logische Konsequenz: ein Leben, das ich mit jemandem gemeinsam gestalten möchte, führt zu der Wendung "unser Leben", wir-bezogen, nicht ich-bezogen.

Ich lese aus den letzten Zeilen Trotz und Erzwingenwollen heraus und eine gehörige Portion Egoismus.
Ich vermute aber, dass es so gar nicht gemeint ist und die vereinnahmenden Formulierungen eher aus Verzweiflung geboren sind.

Auf jeden Fall merke ich meinen Widerspruch oder mein Unwohlsein in den letzten Zeilen beim Wort "brauchen" und bei der Wendung "mein Leben zu leben".

Grüße vom Jongleur
P.S.
Grammatisch muss es wohl heißen:
Der einzige[n], den ich brauche,
...
bist du!
Einzig allein du!
 



 
Oben Unten