Vom Sonetten

4,50 Stern(e) 2 Bewertungen

Walther

Mitglied
Vom Sonetten


Mir dünkt, er hätte so gern eins geschrieben,
So nett wär ein Sonett, das sollt es sein:
Es wollte nur nicht wollen! Das allein
Hat ihm den Zorn in sein Gesicht getrieben.

Er wütet und er flucht, er schlägt drauf ein:
Sonette lassen sich nicht einfach biegen,
Sie brechen. Wenn sie auseinander fliegen,
Dann schlagen sie die Chose kurz und klein:

Der Dichter steht mit abgeschnittnen Hosen
Erbarmungswürdig vor dem Publikum.
Nichts kann ihn mehr erfreuen, nichts erheitern.

Der kluge Autor meidet solches Scheitern:
Er schleicht sich einfach ums Sonett herum,
Und mögen seine Musen noch so tosen!
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Mir dünkt, er hätte so gern eins geschrieben,
So nett wär ein Sonett, das sollt es sein:
Es wollte nur nicht wollen! Das allein
Hat ihm den Zorn in sein Gesicht getrieben.

Er wütet und er flucht, er schlägt drauf ein:
Sonette lassen sich nicht einfach biegen,
Sie brechen. Wenn sie auseinander fliegen,
Dann schlagen sie die Chose kurz und klein:

Der Dichter steht mit abgeschnittnen Hosen
Erbarmungswürdig vor dem Publikum.
Nichts kann ihn mehr erfreuen, nichts erheitern.

Der kluge Autor meidet solches Scheitern:
Er schleicht sich einfach ums Sonett herum,
Und mögen seine Musen noch so tosen!
Ich habe hier mal kursiv markiert, welche Stellen ich nicht jambisch, sondern unbetont (wenn ich es richtig verstanden habe, pyrrhisch) sprechen würde, wodurch die betonten Silben besonders hervorgehoben werden. Neben der Betonung ändert sich zugleich die Rhythmik. Durch diese Art der Betonung sinkt natürlich die Zahl der betonten Silben drastisch.

Ist es "mir" oder "mich dünkt"?
PS: Duden erlaubt beides. http://www.duden.de/rechtschreibung/duenken
 

Walther

Mitglied
Vom Sonetten


Mich dünkt, er hätte so gern eins geschrieben,
So nett wär ein Sonett, das sollt es sein:
Es wollte nur nicht wollen! Das allein
Hat ihm den Zorn in sein Gesicht getrieben.

Er wütet und er flucht, er schlägt drauf ein:
Sonette lassen sich nicht einfach biegen,
Sie brechen. Wenn sie auseinander fliegen,
Dann schlagen sie die Chose kurz und klein:

Der Dichter steht mit abgeschnittnen Hosen
Erbarmungswürdig vor dem Publikum.
Nichts kann ihn mehr erfreuen, nichts erheitern.

Der kluge Autor meidet solches Scheitern:
Er schleicht sich einfach ums Sonett herum,
Und mögen seine Musen noch so tosen!
 

Walther

Mitglied
Lb. Bernd,

in der Tat geht beides, aber wiktionary http://de.wiktionary.org/wiki/dünken meint: "Mich dünkt". Also oben geändert. :)

In der Tat kann man das so lesen, wie Du das schriebst, muß es aber nicht, wobei beim Vortrag schon beachten ist, daß ein metrischer Text nicht leiern sollte. Wir haben ein solches Phänomen auch beim Rap, der als "Sprechgesang" das Paraphrasieren zuläßt - die Lyrik aber hat damit jedenfalls seit Ende des 19. Jahrhunderts spätestens ein Problem. Man kann sich die treffliche Frage stellen: Ist das exakte Metrum "kriegsentscheidend"? Meine Antwort hat zwei Teile:

(1) Wer übt, sollte sich an die Vorschriften halten. Nur dadurch entwickelt man sein Rhythmusgefühl. Also ja.

(2) Wer's kann, der darf sicherlich einmal oder auch geziehlt das Metrum "verletzen". Das ist ja auch ein Stilmittel. Also jein, aber im Zweifel eher ja.

Zu uns zurückkommend: Wir in der Lupe sind allerdings in 999 von 1.000 Fällen nicht so weit, um in die Kategorie (2) zu fallen, Ausnahmen bestätigen diese Regel. :D

LG W.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Im Prinzip gebe ich Dir recht, man muss das Metrum einhalten.
Doch bei "absoluter" Einhaltung entsteht "Leiern".

Ich will hier nur eine (sehr wesentliche) Zeile erwähnen:

Es wollte nur nicht wollen! Das allein
Wenn man es so spricht, entsteht ein Rhythmus:

tatam tatam tatam tatam tatam.
dadie dadie dadie dadie dadie.

Wenn man dagegen die "pyrrhische" Transformation anwendet, verbessert sich der Klang sofort und die Zeile enthält Spannung und Melodie:

Es wollte nur nicht wollen! (-) Das allein
Durch die zusammenhängende unbetonte Aussprache von "te nur nicht" entseht eine Spannung, die durch eine besondere Betonung von "woll" aufgelöst wird, das zweite "wollen" erhält Bedeutung, zugleich wird "das allein" abgesetzt und hervorgehoben.

wir erhalten: dadiedadada diedadiedadie
bzw. dadiedadada dieda diedadie
oder: dadiedadada dieda - dadadie

oder in anderer Notation:
tatam tatata tam tatam tatam



wobei "die" (tam) die betonte und "da" (ta) eine unbetonte und zugleich leicht verkürzte Silbe darstellt.

Das zugrunde liegende Schema ist noch vorhanden, wird aber modifiziert.
 

Walther

Mitglied
In der Tat,

lb. Bernd,

haben viele Leser ein Problem damit, das Sprechen und das Schreiben in Übereinstimmung zu bringen. Nachdem ich viel präsentiere, auch in Versammlungen rede und diese leite/moderiere, stelle ich immer wieder fest, wie schwer ein guter Vortrag am Ende doch ist. Das läßt dann die Hochachtung vor dem Schauspieler, dem Kommödianten, dem Start-up-Comedian, dem Lyrics-Battler und dem Rapper nicht unerheblich steigen.

Ich glaube, ich sollte mich mal mit dem Pocasten vertraut machen und einige meiner Werke als Podcast anhängen. Danach würde evtl. nachvollziehbar, warum die eine oder andere Formulierung, die geschrieben nicht zu überzeugen scheint, genau so dastehen muß.

Meine Lesungen sind eigentlich immer ein Erfolg. Das liegt natürlich auch am Vortrag, selbst ein mittelmäßiger Text kann im Vortrag eigene Qualitäten gewinnen. Wobei klar ist, daß man Gedichte nicht im Sitzen abliest, sondern stehend mit Gestik und Mimik unterstreicht.

LG W.
 
Lieber Walter,

Ein kleiner Spaß am Morgen:

Ich weiß, es ist sehr schwer, so was zu schreiben
Und trotzdem mag ich diese Dichtung nicht.
Das ist nicht eines jeden Dichters Pflicht.
Ich bleib dabei, in andrer Form zu schreiben.

So ein Sonett hört sich so „ältlich“ an.
So mittelalterlich und richtig steif,
und mancher Dichter ist doch noch kein alter Mann,
und doch wirkt er bei dem Sonett so überreif.

Manch anderes, gefiel mir viel, viel besser.
Es wirkte heiter und auch richtig locker.
Es rührte oft mein Herz und meine Seele an.

Die andr`e Form, die schrieb für mich ein junger Mann,
doch ein Sonett reißt niemals mich vom Hocker.
Ich lieb Gedichte, die ein wenig kesser.

Es grüßt herzlich
Marie-Luise
 

Walther

Mitglied
Lb. Herbert,

zu meiner Lesung in Berlin Ende Januar lade ich Dich herzlich ein. Einziger Haken: Sie ist in Berlin. :D

LG W.

Lb. Marie-Luise,

mir gefällt Dein Sonettversuch. Vielen herzlichen Dank für diese Ehre.

Aber ich bin nicht altbacken, wenigstens manchmal. :D

LG W.
 



 
Oben Unten