Was ist was?

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Schwanstein

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Was ist was?


Woraus ist der Mond gemacht?
Aus dem, falls nicht die Sonne lacht.
Weswegen rund das Rad?
Weil eckig holprig wär‘ die Fahrt.
Wieso denn trachten, man sei klug?
Der Zecher seinen Kumpel frug:
Ist es ein Glas, ein Becher?
Was drin ist, zählt, so sprach der Kumpel von dem Zecher.

Was ist es, diese Liebe, dieser Bann?
Frage nicht, fang endlich damit an!
Wo liegt der Sinn der Sinne?
Begrenzt im Wissen, offen inne:
denn was ich fühle, das ist wert,
es deuten, dann wird mir beschert.
Ahnen, sehnen, glauben:
Es war ein Apfel nicht, nein, es waren Trauben.

Oh, du Geliebte, nicht erklären!
Nicht wider die Verehrung wehren!
Streben nach dem Sinn?
Verzichte lieber, gib dich einfach hin
Laß unser Sein dahingestellt,
Und dann versteh‘n wir eine bess‘re Welt.

Sehr oft ist Wissen Macht,
gar selten nur ein Licht in finst’rer Nacht.
Ob mittendrin, ob nur am Rande,
ist Tasten keine Schande.
Laß uns lieben um der Liebe willen,
was wir nicht wissen? Vergnügen wird es stillen!

Ach, du wunderschöner Baum!
Bist wirklich, oder nur mein Traum?
Du bist ein Wesen rein und gut,
das geht, indem es wachsen, blühen tut.
Bist weder Kunz, noch Hinz,
und küß ich dich, dann bist du Prinz.
In deinen Armen, wo die Amsel singt,
gar dort aus meinem Herzen springt,
zu sehen kann ich missen,
im Grunde muß ich gar nichts wissen.
Und wenn der Wind durch deine Haare weht,
so fest in sich besteht,
was Goethe schon besungen, heiß begehre,
wo Forschen nicht gegeben, dort verehre.

Erklärt doch nicht das Kind in seiner Wiege
mit Wissenschafts Gediege,
es stammt von einem andern Stern,
so dann, es ist geliebt sehr gern.
Und wenn’s gehoben in die Arme,
ein Weltall, dieses Kleine, Warme,
Verzückung wird‘s nicht öffnen können,
seltsam alle Wege, rätseln, gönnen,
herrlich dieser Tag ganz unverstanden,
an welchem zweie zu einander fanden!


Und so, woraus ist der Mond gemacht?
Aus dem, falls nicht die Sonne lacht.
Gelogen, oder wahr,
jedenfalls so die Idee gebar,
erst weich, dann immer fester,
gemacht der Mond aus seiner Schwester.
Sie strahlt, beleuchtet ihn,
die Blicke ins Gefunkel fliehn,
in hoher Ferne,
sind’s die Geschwister, oder sind es Sterne?
Bin ich Ich, oder Teil von ihnen,
will ich es wissen? Oder träumend mich verdienen?
Ja, woraus ist der Mond gemacht?
Wer weiß um dieser schönen Schöpfung Pracht?
Was kann ich wissen? Fragte einst Descartes.
Drum sei gedeutet Offenbartes,
der Rose Blütenblätter auseinander steh‘n,
sie blüht nicht nur, sie will mich seh’n,
so hebt sie ihre Blütenlider,
und sie erkennt mich wieder.

Dereinst, im letzten Hauch,
gefragt, war‘s Alles auch?
Ist begriffen, was ist das Leben?
Wäre mehr noch hier gegeben?
Aus tiefstem Innern klingt es her:
Beim Zeus, es war viel mehr!
Wer manche Dinge anders rät,
er ist nicht dumm – er neue Wege geht!
Er tritt nicht in die Stapfen, die so alten,
er will sich seine Welt gestalten,
ganz frisch und nicht in altem Trott,
nur dieser sucht – nach sich und findet Gott.

So laßt uns einfach And‘res denken,
den Geist in neue Bahnen lenken,
ganz frisch was nie getan mal tun,
dann ist der Pfau ein blühend‘ Huhn.
Wie schön doch dieser Zweifel Bahnen,
wie läßt sich phantasieren und Erahnen,
wenn dieser Weg gewählt:
verstanden? Auch, doch mehr beseelt.
Ach, woraus ist der Mond gemacht?
Letzthin aus dem, was in der Seele lacht!
Und wohnt auf ihm ein Mann,
die Phantasie ist wahr, sie kann.
„Und warum kann ich ihn nicht seh’n?“
„Mein Schatz, laß uns die neuen Wege geh’n.“
Bleibt fern, ihr wißt, ihr so Gescheiten,
was ich nicht weiß, es soll mich leiten.

(aus >animo<, Ingo Erbe, waltan maren verlag, noch unveröffentlicht, reg. u.W. BDS 2003)
 

jon

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Die Wirkung auf mich:
Was als Hohelied auf das Gefühl / auf das Wesentliche begann, wurde durch die ständige Wiederholung zunehmend wesensfernerer (1) Bilder rasch zu einer Ode an die Einfalt. (Stimmt ja, dass Wissen nicht Voraussetzung für Genuss ist – aber warum um alles in der Welt sollte Wissen den Genuss schmälern??) Schade, denn es gibt jede Menge reizvolle Ideen (2) in diesen Zeilen…

(1)
„Ahnen, sehnen, glauben:/ Es war ein Apfel nicht, nein, es waren Trauben“––– Das ersetzt doch nur einen Begriff durch einen anderen (, womöglich auch noch falschen, das wird hier nicht recht klar) und löst nicht den Begriff vom Empfinden. Und: Wird der Genuss größer/reiner, wenn ich den Apfel Traube nenne?

Wenn ich z.B. den Pfau als blühendes Huhn bezeichne – wird er dadurch schöner, sinnlich erfahrbarer? Das mag als Kinder-Mund-Schmunzelei ganz nett sein, aber als "Rezept" ist es untauglich.

„Sehr oft ist Wissen Macht,
gar selten nur ein Licht in finst’rer Nacht. “–––Das Licht in der Nacht ist der Punkt, nach dem ich mich ausrichten kann, wenn ich sonst nichts hab. Mithin ist Wissen immer das Licht in der Nacht – wenn ich sonst nichts hab: Was ich weiß, danach kann ich mich richten.

Wieso sollte der Mond weniger schön sein, wenn ich das Wissen, das wir als Menschen haben, negiere?


(2) Die schönen Stellen:
„Ist es ein Glas, ein Becher? / Was drin ist, zählt,…"
das Kind: „ein Weltall, dieses Kleine, Warme,…“
„Ob mittendrin, ob nur am Rande, / ist Tasten keine Schande.“ (DAS ist es: Es ist keine Schande, aber auch nicht der Schlüssel…)

(3) Stilblüten
„das geht, indem es wachsen, blühen tut.“––– Das muss doch erträglicher formuliert werden können…

„ es ist geliebt sehr gern.“––– Das muss doch erträglicher formuliert werden können…

Der Baum: „Bist weder Kunz, noch Hinz,“ ––– Wer oder was ist schon Kunz und Hinz (außer Herr Kunz und Frau Hinz natürlich)…

Das Kind: „Und wenn’s gehoben in die Arme, /…/ Verzückung wird‘s nicht öffnen können,…" ––– Wer um Himmels Willen will ein Kind öffnen??
 



 
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