Ich hielt Wetterfrösche, früher. In einem hohen Glas eingesperrt, all ihren Lebensraum, der vorher Teich und Sumpf gewesen waren, nun auf ein Volumen von zwei Kubikdezimetern komprimiert, zusammengestaucht auf das, was ich für wichtig hielt. Etwas Wasser unten, ein wenig Futter auch- aber hauptsächlich das Leiterchen, auf dem sich mein frosch emporschwingen sollte.
Sie lebten nicht lange, und irgendwann hatte ich es satt, ständig zum See zu fahren und einen neuen Frosch zu fangen und den toten, glibbrig und feucht, im Klo herunterzuspülen. Die Mühe lohnte sich nicht; denn meistens stimmten ihre vorhersagen nicht. Sie waren faul, denke ich.
Später setzte ich mir in den Kopf, Regenbeobachterin zu werden, vielleicht als Angestellte einer Stadtverwaltung, die Wert darauf legt, dass in allen Straßen rechtzeitig vor dem großen Guß alle Markisen heruntergelassen werden können.
Ich stellte mir meinen Arbeitsalltag so vor, dass ich auf einem hohen Turm sitzen oder auf einem Hochhausdach liegen würde und tagaus tagein und eventuell gegen Gehaltszulage auch noch nachts, den Himmel beobachten würde. Jede bedrohliche und Regen ankündigende Veränderung würde ich natürlich sofort melden.
Diese Vorstellung hörte sich für mich sehr verlockend an; denn wer den ganzen Tag so nah am Himmel ist, muss ein sehr glücklicher Mensch sein. Blau ist auch eine beruhigende Farbe, und durch die verändernden Farben und Formen der Wolken würde es sicher nicht langweilig werden. Dachte ich.
Eines Besseren belehrt wurde ich, als ich auf dem Schuppendach meiner Großeltern einen Nachmittag probelag. Ich konnte meinen Blick einfach nicht am Himmel halten, ohne geblendet, abgelenkt oder gelangweilt zu sein, so dass mir die Augen zufielen.
Ich ließ alle exotischen Berufswünsche hinter mir und absolvierte eine Lehre zur Friseuse.
Mittlerweile, nach einem guten Dutzend Berufjahren samt Meisterprüfung und Eröffnung eines eigenen Ladens, wird mir immer mehr bewusst, dass ich mich nicht so weit von meinem ursprünglichen Berufswunsch entfernt hatte, wie einst angenommen. Wenn ich heute Kundschaft meinen Laden betreten sehe, brauche ich ihnen nicht erst in die Augen zu schauen, um dort nach ihren Wünschen zu forschen. Ich lese sie an ihrer Körperhaltung ab, an ihrem gesenkten Blick, der grauen betonartigen Haarmasse, die ihren Schädel umhüllt wie ein mittelalterlicher Helm. Die meisten Menschen, die das erste Mal zu mir kommen, kommen gebückt.
Meine Aufgabe ist zwar nicht, an den grauen Wolken das Wetter abzulesen, aber trotzdem bewahre ich auch heute noch die Menschen vor dem Nasswerden.
Wer meinen Salon verlässt, steht nicht da wie ein begossener Pudel, sondern mit stolz erhobenen, glatt, gelocktem, kurz, langem, natürlich, gefärbtem Haupthaar.
Ich habe nicht nur in der Hand, den Menschen das Wetter vorrauszusagen- nein, ich erschaffe es an ihnen. Wer sich mit seinem Kopf in Einklang fühlt, kann den Tag rundum genießen. Und das ist doch das Wetter, auf das es ankommt, nicht wahr, meine Damen und Herren? Der innere Sonnenschein, den man und frau sich durch wohlwollende Blicke auf die eigene Haarpracht zusammensammelt.
Ich lasse niemanden aus meinem Salon heraus, der kein Lächeln auf den Lippen mit sich trägt- und zwar ein echtes Lächeln, kein Muskelzucken der Lippen. Einmal habe ich einer Frau, die mit ihren "zu" kurz geschnittenen Haaren nicht ganz zufrieden war, eine Perücke überlassen. Für den Übergang- denn gefallen sollten einem seine Haare schon.
Bei der Wahl der Akkoustik lasse ich jedoch keine Kompromisse zu: Radio rund um die Uhr. Und zweimal stündlich einen guten Wetterbericht: Das muss schon sein. Mindestens.
Ich selbst trage übrigens eine Glatze, die ich jeden Abend gründlich nachrasiere.
Eine Regenwarnerin sollte schließlich nicht wasserscheu sein
Sie lebten nicht lange, und irgendwann hatte ich es satt, ständig zum See zu fahren und einen neuen Frosch zu fangen und den toten, glibbrig und feucht, im Klo herunterzuspülen. Die Mühe lohnte sich nicht; denn meistens stimmten ihre vorhersagen nicht. Sie waren faul, denke ich.
Später setzte ich mir in den Kopf, Regenbeobachterin zu werden, vielleicht als Angestellte einer Stadtverwaltung, die Wert darauf legt, dass in allen Straßen rechtzeitig vor dem großen Guß alle Markisen heruntergelassen werden können.
Ich stellte mir meinen Arbeitsalltag so vor, dass ich auf einem hohen Turm sitzen oder auf einem Hochhausdach liegen würde und tagaus tagein und eventuell gegen Gehaltszulage auch noch nachts, den Himmel beobachten würde. Jede bedrohliche und Regen ankündigende Veränderung würde ich natürlich sofort melden.
Diese Vorstellung hörte sich für mich sehr verlockend an; denn wer den ganzen Tag so nah am Himmel ist, muss ein sehr glücklicher Mensch sein. Blau ist auch eine beruhigende Farbe, und durch die verändernden Farben und Formen der Wolken würde es sicher nicht langweilig werden. Dachte ich.
Eines Besseren belehrt wurde ich, als ich auf dem Schuppendach meiner Großeltern einen Nachmittag probelag. Ich konnte meinen Blick einfach nicht am Himmel halten, ohne geblendet, abgelenkt oder gelangweilt zu sein, so dass mir die Augen zufielen.
Ich ließ alle exotischen Berufswünsche hinter mir und absolvierte eine Lehre zur Friseuse.
Mittlerweile, nach einem guten Dutzend Berufjahren samt Meisterprüfung und Eröffnung eines eigenen Ladens, wird mir immer mehr bewusst, dass ich mich nicht so weit von meinem ursprünglichen Berufswunsch entfernt hatte, wie einst angenommen. Wenn ich heute Kundschaft meinen Laden betreten sehe, brauche ich ihnen nicht erst in die Augen zu schauen, um dort nach ihren Wünschen zu forschen. Ich lese sie an ihrer Körperhaltung ab, an ihrem gesenkten Blick, der grauen betonartigen Haarmasse, die ihren Schädel umhüllt wie ein mittelalterlicher Helm. Die meisten Menschen, die das erste Mal zu mir kommen, kommen gebückt.
Meine Aufgabe ist zwar nicht, an den grauen Wolken das Wetter abzulesen, aber trotzdem bewahre ich auch heute noch die Menschen vor dem Nasswerden.
Wer meinen Salon verlässt, steht nicht da wie ein begossener Pudel, sondern mit stolz erhobenen, glatt, gelocktem, kurz, langem, natürlich, gefärbtem Haupthaar.
Ich habe nicht nur in der Hand, den Menschen das Wetter vorrauszusagen- nein, ich erschaffe es an ihnen. Wer sich mit seinem Kopf in Einklang fühlt, kann den Tag rundum genießen. Und das ist doch das Wetter, auf das es ankommt, nicht wahr, meine Damen und Herren? Der innere Sonnenschein, den man und frau sich durch wohlwollende Blicke auf die eigene Haarpracht zusammensammelt.
Ich lasse niemanden aus meinem Salon heraus, der kein Lächeln auf den Lippen mit sich trägt- und zwar ein echtes Lächeln, kein Muskelzucken der Lippen. Einmal habe ich einer Frau, die mit ihren "zu" kurz geschnittenen Haaren nicht ganz zufrieden war, eine Perücke überlassen. Für den Übergang- denn gefallen sollten einem seine Haare schon.
Bei der Wahl der Akkoustik lasse ich jedoch keine Kompromisse zu: Radio rund um die Uhr. Und zweimal stündlich einen guten Wetterbericht: Das muss schon sein. Mindestens.
Ich selbst trage übrigens eine Glatze, die ich jeden Abend gründlich nachrasiere.
Eine Regenwarnerin sollte schließlich nicht wasserscheu sein