Fast 14 Monate waren sie nun schon auf Celgar 7, dem kleinsten Planeten des Regula-Systems.
Sid räkelte sich auf seinem Feldbett und beobachtete einen der kleinen doppelköpfigen Geckos, der über ihm an der Zeltplane entlang eilte, als ob die Gesetze der Schwerkraft für ihn bedeutungslos wären. Diese kleinen Kerlchen waren faszinierende Studienobjekte gewesen. Sie schlüpften mit nur einem Kopf aus dem Ei, dann begann den Jungtieren ein zweiter Kopf zu sprießen. Es folgte eine kurze Periode, in der die Geckos mit beiden Köpfen gleichzeitig herumliefen, dann begann das erste Haupt einzutrocknen, zu mumifizieren, um schließlich abzufallen. Damit waren die Geckos voll ausgewachsen und geschlechtsreif. Zahlreiche andere Tierarten des Planeten durchliefen eine ähnliche Metamorphose, hatten Sid und Hal festgestellt. Celgar 7 wimmelte nur so von Lebewesen, ein wahres Mekka für Extraterrestrialbiologen.
Dieser Sauerstoffplanet am Rande des erschlossenen Sektors war vor Jahren von den Fernerkundungssonden der Extracorp&Co als vielversprechende Wolframitlagerstätte auf der Sternenkarte markiert worden, lange hatte sich aber kein Forscherteam finden lassen, den Planeten näher zu inspizieren. Dies lag vermutlich an den jämmerlichen Gehältern, die ExtraCorp&Co - eine für äußerst knappe Kalkulationen bekannte Firma - für Planetenprospektoren auf Celgar 7 zu zahlen bereit war.
Es war einem Zusammentreffen glücklicher Umstände zu verdanken, dass Celgar 7 doch noch genauer untersucht werden sollte – die Extraterrestrialbiologengruppe um Professor Grohnts hatte ihre Arbeiten auf einem Nachbarplaneten abgeschlossen und war auf der Suche nach Sponsoren für die biologische Erforschung eben jenes Celgar 7. So wurde vereinbart, dass die Biologen im Gegenzug für die Ausstattung ihrer Expedition auch die für Extracorp&Co relevanten geologischen Daten erheben sollten.
Sie hatten hier ihre Forschungsstation aufgebaut, die Autoprospektoren verabredungsgemäß in der Kruste des Planeten versenkt und begonnen, mit den Eingeborenen Kontakt zu knüpfen.
Nach anfänglichen Problemen mit der Verständigung hatte Sid sich selbst darangemacht, die Sprache der Eingeborenen zu lernen. Ihr Translator war der sehr speziellen Struktur der celganischen Sprache absolut nicht gewachsen gewesen, das Hauptproblem lag darin verborgen, dass den Worten im Celganischen ihre Bedeutung erst durch die beim Sprechen eingenommene Körperhaltung eindeutig zuzuordnen war. Damit war der billige Einkanal-Translator ohne Optosensor, den ihnen Extracorp&Co zur Verfügung gestellt hatte, natürlich nicht zurechtgekommen.
Die sehr lebhafte Körpersprache ließ jede Unterhaltung zu einer anspruchsvollen gymnastischen Übung werden, Sids Körper – schon vor der Expedition sportlich gestählt - hatte durch die einjährige Beschäftigung mit der Sprache der Celganer Formen angenommen, die jeden Athleten vor Neid hätten erblassen lassen.
In der Arbeitsgruppe waren Hal und Sid für die zoologischen Untersuchungen zuständig, die botanische Kartierung fiel in den Zuständigkeitsbereich des Professors und seines Assistenten Molle. Ein Mikrobiologe war nicht mehr dabei, zum Glück war die Bakterienwelt des Planeten weder besonders vielfältig, noch irgendwie gesundheitsgefährdend, und die paar grundlegenden Schnelltests hatten sie auch alleine zustandegebracht.
Auch sonst war der Planet ein äußerst angenehmer Aufenthaltsort mit seinem milden Klima, den köstlichen, äußerst nahrhaften Früchten, keinerlei giftigem oder dem Menschen sonstwie übelwollendem Getier und seinen kontaktfreudigen, friedliebenden Eingeborenen.
Sid wandte den Blick vom Gecko ab um den Untergang der ersten, kleineren roten Sonne zu betrachten. In wenigen Stunden würde auch die zweite, weiße Sonne hinterm Horizont versinken und die nur drei Stunden währende Nacht anbrechen.
Dann würde es endlich so weit sein: das große Initiationsritual der Celganer würde stattfinden, und sie waren eingeladen! Er dachte daran, wie schwierig es sonst immer gewesen war, das Vertrauen der Eingeborenen zu erlangen... und wie bereitwillig die Celganer hingegen die Forscher an ihrem Leben teilhaben ließen. Es würde das größte Ereignis seit Jahren im Dorf werden, alle Jungcelganer, die alt genug waren in die celganische Erwachsenenwelt aufgenommen zu werden, würden an dieser feierlichen Zeremonie teilnehmen. Und er, Sid, sollte ebenfalls, als Ehrencelganer gewissermaßen, mit initiiert werden!
Da er noch sehr erschöpft vom letzten Gespräch mit dem Häuptling war, schlummerte er lächelnd mit diesem Gedanken ein.
Als Hal ihn wachrüttelte stand die weiße Sonne schon sehr tief, alle waren zum Aufbruch bereit und warteten ungeduldig auf Sid, der sich steif vom Feldbett erhob und erst schlaftrunken seine Stiefel suchte.
Nach kurzem Fußmarsch erreichten sie das Dorf, schon auf halbem Wege hatten sie an den aufgeregten Stimmen der Dorfbewohner und dem lauten Hämmern hören können, dass sich ein besonderes Ereignis anbahnte.
In flottem Flik-Flak mit eingespreiztem Doppelsalcho sprang ihnen der Häuptling mit der üblichen Begrüßungsfloskel entgegen, Sid gab sein Bestes, ihm trotz seiner müden Glieder eine höfliche Antwort zu turnen. Die auf Erden gebräuchliche Wendung bezüglich einer `geschraubten Ausdrucksweise´ bekam auf Celgar 7 eine völlig neue Bedeutung, dachte Sid erschöpft, während er sich aus seinem Spagat erhob. Ein Glück, dass die Körper der Celganer nur doppelt so viele Gelenke hatten wie die menschlichen, ansonsten aber sehr ähnlich aufgebaut waren. Zwei Gliedmaßen, um darauf zu stehen, zwei zur freien Verfügung und oben ein Kopf mit paarigen Ohren, Augen und Mündern. Einer zum Essen, und einer zum Sprechen, sehr praktisch.
„Sag´ dem Häuptling, dass wir uns sehr geehrt fühlen, an der Zeremonie teilnehmen zu dürfen“, trug Professor Grohnts Sid auf, „und dass wir auch zukünftig dafür sorgen werden, dass die Bedürfnisse der Celganer gegenüber den Interessen von Extracorp&Co nicht vergessen werden. Und natürlich, dass wir hoffen, auch weiterhin vertrauensvoll mit den Bewohnern Celgars zusammenzuarbeiten und noch viel über die Flora und Fauna ihres Heimatplaneten lernen zu dürfen und ...“
„Professor!“ rief Sid gequält, „könnten Sie sich nicht bitte etwas kürzer fassen?“
Der Professor, von sehr üppiger Statur, ohne einen sichtbaren Muskel am Leib, hatte seinen mit seiner seltsamen Falsettstimme hervorsprudelnden Redeschwall keineswegs unterbrochen, er schwadronierte gerade etwas über „Verständigung zwischen den Völkern des Kosmos, heute, morgen und in ferner Zukunft“ und machte keinerlei Anstalten, bald zum Schluss zu kommen. Sid beschloss resigniert, mit der Übersetzung bis zum Ende der professoralen Ansprache zu warten und diese dann einfach etwas zusammenzufassen.
„Sid, worauf warten Sie?“ fragte der Professor ungeduldig, „was soll der Häuptling denn von mir denken?“
„Schon gut, schon gut“ - Sid sammelte seine Kräfte, konzentrierte sich kurz und begann mit einem gestreckten Salto aus dem Stand, ließ einen über den Rücken abgerollten Handstandüberschlag folgen und begann dann eine angehockte Pirouette, abgeschlossen von einem dreifachen Touloup mit abgestützter Landung auf der Brust, dazu zirpte er die eigentümlichen Lautäußerungen der Celganer.
„War DAS alles?“ fistelte der Professor zum schweratmenden Sid. „Ich habe doch viel mehr gesagt, haben Sie auch das mit der Völkerverständigung ...“
„Es – ist – alles – gesagt“, keuchte Sid kurzatmig.
Hal reichte ihm sein Taschentuch, Sid wischte sich den Schweiß aus den Augen.
Jetzt begann wieder der Häuptling zu sprechen, von einer Serie einhändiger Liegestützen leitete er über zu ein paar eingesprungenen Kniebeugen, schlug ein Rad und landete im Breitspagat.
„Was sagt er?“ fragte der Professor.
„Er lädt mich ein, ihm zu folgen um mit der Jugend seines Volkes initiiert zu werden.“
„Oh nein, oh nein, so geht das nicht, kommt nicht in Frage“, der Professor gestikulierte empört mit seiner freien linken Hand, die Rechte hielt den Griff der Botanisiertrommel fest umklammert. “ICH bin hier der Chef, und es ist MEINE Aufgabe, die diplomatischen Beziehungen zwischen der Erde und Celgar 7 zu begründen. ICH muss in den Stamm aufgenommen werden, um dieser Aufgabe bestmöglich nachkommen zu können. SO wird es geschehen, oder gar nicht. Sagen Sie ihm das.“
„Aber ...“, Sid sah den Professor entgeistert an.
„SAGEN SIE ES.“
Es folgte ein kurzes, aber heftiges Wortgefecht zwischen Grohnts und Sid, am Ende sprach der Chef sein Machtwort, es bliebe beim Gesagten, Basta, dem wäre nichts mehr hinzuzufügen. Molle nickte dazu wie einer dieser komischen kleinen Wackeldackel für die Ablage in Automobilen, die auf der Erde gerade sehr in Mode waren.
Hal zischte Sid etwas wie „komm, laß´ den Alten doch“ ins Ohr.
Sid stand da, schwer atmend, die Lippen zu einem Strich aufeinandergepresst, man sah an den arbeitenden Muskeln seiner Wangen, wie fest er die Zähne zusammenbiss. Endlich, nach einer SEHR langen Minute flüsterte er „Also gut...“ und lockerte die Muskeln wieder. Dann begann er mit der Übersetzung.
Mit einem meterweiten Hechtsprung, im letzten Moment abgerollt, über den Rücken zurückrollend und sich in den Handstand aufrichtend zwitscherte Sid des Professors Forderung, machte ein Dutzend Sprünge auf den Händen und landete abschließend mit einem doppelt geschraubten Rittberger wieder auf den Füßen.
Der Häuptling sah Sid an, dann den Professor und noch mal Sid. Schließlich gab er mit einem gehockten Rückwärtssalto sein Einverständnis und winkte den Professor auf das Zeremonienfeld. Dort standen schon die jungen Celganer, denen heute ebenfalls die Initiation zuteil werden sollte, aufgereiht auf einem prächtig gemusterten Teppich. Der Professor stellte sich in die Reihe.
Der Medizinmann trat vor. Er begann, mit einem seltsamen Singsang die Reihe abzuschreiten, und jedem der dort Stehenden seinen genauen Platz zuzuweisen. Dann hielt er eine Rede, die ihm auf Erden zu olympischen Ehren hätte verhelfen können, ein wirbelndes Feuerwerk aus Salti und Pirouetten, gestreckt, gehockt, doppelt geschraubt und rückwärts eingegrätscht und derlei Übungen mehr, eine wirklich mitreißende Ansprache.
Sid glaubte erst, sich versehen zu haben, er hatte nämlich plötzlich etwas von „Beschneidung“ zu verstehen geglaubt. Im nächsten Moment wurde der Teppich, auf dem die Adepten inklusive Professor aufgereiht standen von zuvor verborgenen Seilen unter deren Füßen weggezogen, so dass die Initianden krachend zu Boden gingen. Ein seltsames Zischen ließ Sid nach oben schauen, aber noch bevor er das blitzende, lange Objekt richtig wahrnehmen konnte, hatte das gigantische Fallbeil schon die am Boden Liegenden sauber enthauptet.
Laut kreischend lief Molle zu seinem kopflosen Chef, dessen Blut in einer sternförmigen Lache auf dem festgestampften Lehm des Zeremonienplatzes verrann. Sid und Hal hatten erst reflexartig zu ihren Strahlern gegriffen, dann aber lieber den Rückzug angetreten. „Molle, komm her“, rief Hal, „zur Rakete, schnell!“
Die Eingeborenen ließen sie unbehelligt ziehen, auch den Notfallstart der Rakete nahmen sie lediglich mit einem verständnislosen Kopfschütteln zur Kenntnis.
Was diese Erdlinge nur haben, dachte der Häuptling, jetzt haben wir ihren Meister wunschgemäß beschnitten, in drei Wochen wird ihm, wie unseren Jungcelganern ein neuer Kopf gewachsen sein und er mit einem frischen Gehirn, unbelastet von den krausen Gedanken der Jugend, ganz neuen Höhen der Erkenntnis zustreben können. Und die rennen einfach weg, was sind das bloß für Manieren.
Sid räkelte sich auf seinem Feldbett und beobachtete einen der kleinen doppelköpfigen Geckos, der über ihm an der Zeltplane entlang eilte, als ob die Gesetze der Schwerkraft für ihn bedeutungslos wären. Diese kleinen Kerlchen waren faszinierende Studienobjekte gewesen. Sie schlüpften mit nur einem Kopf aus dem Ei, dann begann den Jungtieren ein zweiter Kopf zu sprießen. Es folgte eine kurze Periode, in der die Geckos mit beiden Köpfen gleichzeitig herumliefen, dann begann das erste Haupt einzutrocknen, zu mumifizieren, um schließlich abzufallen. Damit waren die Geckos voll ausgewachsen und geschlechtsreif. Zahlreiche andere Tierarten des Planeten durchliefen eine ähnliche Metamorphose, hatten Sid und Hal festgestellt. Celgar 7 wimmelte nur so von Lebewesen, ein wahres Mekka für Extraterrestrialbiologen.
Dieser Sauerstoffplanet am Rande des erschlossenen Sektors war vor Jahren von den Fernerkundungssonden der Extracorp&Co als vielversprechende Wolframitlagerstätte auf der Sternenkarte markiert worden, lange hatte sich aber kein Forscherteam finden lassen, den Planeten näher zu inspizieren. Dies lag vermutlich an den jämmerlichen Gehältern, die ExtraCorp&Co - eine für äußerst knappe Kalkulationen bekannte Firma - für Planetenprospektoren auf Celgar 7 zu zahlen bereit war.
Es war einem Zusammentreffen glücklicher Umstände zu verdanken, dass Celgar 7 doch noch genauer untersucht werden sollte – die Extraterrestrialbiologengruppe um Professor Grohnts hatte ihre Arbeiten auf einem Nachbarplaneten abgeschlossen und war auf der Suche nach Sponsoren für die biologische Erforschung eben jenes Celgar 7. So wurde vereinbart, dass die Biologen im Gegenzug für die Ausstattung ihrer Expedition auch die für Extracorp&Co relevanten geologischen Daten erheben sollten.
Sie hatten hier ihre Forschungsstation aufgebaut, die Autoprospektoren verabredungsgemäß in der Kruste des Planeten versenkt und begonnen, mit den Eingeborenen Kontakt zu knüpfen.
Nach anfänglichen Problemen mit der Verständigung hatte Sid sich selbst darangemacht, die Sprache der Eingeborenen zu lernen. Ihr Translator war der sehr speziellen Struktur der celganischen Sprache absolut nicht gewachsen gewesen, das Hauptproblem lag darin verborgen, dass den Worten im Celganischen ihre Bedeutung erst durch die beim Sprechen eingenommene Körperhaltung eindeutig zuzuordnen war. Damit war der billige Einkanal-Translator ohne Optosensor, den ihnen Extracorp&Co zur Verfügung gestellt hatte, natürlich nicht zurechtgekommen.
Die sehr lebhafte Körpersprache ließ jede Unterhaltung zu einer anspruchsvollen gymnastischen Übung werden, Sids Körper – schon vor der Expedition sportlich gestählt - hatte durch die einjährige Beschäftigung mit der Sprache der Celganer Formen angenommen, die jeden Athleten vor Neid hätten erblassen lassen.
In der Arbeitsgruppe waren Hal und Sid für die zoologischen Untersuchungen zuständig, die botanische Kartierung fiel in den Zuständigkeitsbereich des Professors und seines Assistenten Molle. Ein Mikrobiologe war nicht mehr dabei, zum Glück war die Bakterienwelt des Planeten weder besonders vielfältig, noch irgendwie gesundheitsgefährdend, und die paar grundlegenden Schnelltests hatten sie auch alleine zustandegebracht.
Auch sonst war der Planet ein äußerst angenehmer Aufenthaltsort mit seinem milden Klima, den köstlichen, äußerst nahrhaften Früchten, keinerlei giftigem oder dem Menschen sonstwie übelwollendem Getier und seinen kontaktfreudigen, friedliebenden Eingeborenen.
Sid wandte den Blick vom Gecko ab um den Untergang der ersten, kleineren roten Sonne zu betrachten. In wenigen Stunden würde auch die zweite, weiße Sonne hinterm Horizont versinken und die nur drei Stunden währende Nacht anbrechen.
Dann würde es endlich so weit sein: das große Initiationsritual der Celganer würde stattfinden, und sie waren eingeladen! Er dachte daran, wie schwierig es sonst immer gewesen war, das Vertrauen der Eingeborenen zu erlangen... und wie bereitwillig die Celganer hingegen die Forscher an ihrem Leben teilhaben ließen. Es würde das größte Ereignis seit Jahren im Dorf werden, alle Jungcelganer, die alt genug waren in die celganische Erwachsenenwelt aufgenommen zu werden, würden an dieser feierlichen Zeremonie teilnehmen. Und er, Sid, sollte ebenfalls, als Ehrencelganer gewissermaßen, mit initiiert werden!
Da er noch sehr erschöpft vom letzten Gespräch mit dem Häuptling war, schlummerte er lächelnd mit diesem Gedanken ein.
Als Hal ihn wachrüttelte stand die weiße Sonne schon sehr tief, alle waren zum Aufbruch bereit und warteten ungeduldig auf Sid, der sich steif vom Feldbett erhob und erst schlaftrunken seine Stiefel suchte.
Nach kurzem Fußmarsch erreichten sie das Dorf, schon auf halbem Wege hatten sie an den aufgeregten Stimmen der Dorfbewohner und dem lauten Hämmern hören können, dass sich ein besonderes Ereignis anbahnte.
In flottem Flik-Flak mit eingespreiztem Doppelsalcho sprang ihnen der Häuptling mit der üblichen Begrüßungsfloskel entgegen, Sid gab sein Bestes, ihm trotz seiner müden Glieder eine höfliche Antwort zu turnen. Die auf Erden gebräuchliche Wendung bezüglich einer `geschraubten Ausdrucksweise´ bekam auf Celgar 7 eine völlig neue Bedeutung, dachte Sid erschöpft, während er sich aus seinem Spagat erhob. Ein Glück, dass die Körper der Celganer nur doppelt so viele Gelenke hatten wie die menschlichen, ansonsten aber sehr ähnlich aufgebaut waren. Zwei Gliedmaßen, um darauf zu stehen, zwei zur freien Verfügung und oben ein Kopf mit paarigen Ohren, Augen und Mündern. Einer zum Essen, und einer zum Sprechen, sehr praktisch.
„Sag´ dem Häuptling, dass wir uns sehr geehrt fühlen, an der Zeremonie teilnehmen zu dürfen“, trug Professor Grohnts Sid auf, „und dass wir auch zukünftig dafür sorgen werden, dass die Bedürfnisse der Celganer gegenüber den Interessen von Extracorp&Co nicht vergessen werden. Und natürlich, dass wir hoffen, auch weiterhin vertrauensvoll mit den Bewohnern Celgars zusammenzuarbeiten und noch viel über die Flora und Fauna ihres Heimatplaneten lernen zu dürfen und ...“
„Professor!“ rief Sid gequält, „könnten Sie sich nicht bitte etwas kürzer fassen?“
Der Professor, von sehr üppiger Statur, ohne einen sichtbaren Muskel am Leib, hatte seinen mit seiner seltsamen Falsettstimme hervorsprudelnden Redeschwall keineswegs unterbrochen, er schwadronierte gerade etwas über „Verständigung zwischen den Völkern des Kosmos, heute, morgen und in ferner Zukunft“ und machte keinerlei Anstalten, bald zum Schluss zu kommen. Sid beschloss resigniert, mit der Übersetzung bis zum Ende der professoralen Ansprache zu warten und diese dann einfach etwas zusammenzufassen.
„Sid, worauf warten Sie?“ fragte der Professor ungeduldig, „was soll der Häuptling denn von mir denken?“
„Schon gut, schon gut“ - Sid sammelte seine Kräfte, konzentrierte sich kurz und begann mit einem gestreckten Salto aus dem Stand, ließ einen über den Rücken abgerollten Handstandüberschlag folgen und begann dann eine angehockte Pirouette, abgeschlossen von einem dreifachen Touloup mit abgestützter Landung auf der Brust, dazu zirpte er die eigentümlichen Lautäußerungen der Celganer.
„War DAS alles?“ fistelte der Professor zum schweratmenden Sid. „Ich habe doch viel mehr gesagt, haben Sie auch das mit der Völkerverständigung ...“
„Es – ist – alles – gesagt“, keuchte Sid kurzatmig.
Hal reichte ihm sein Taschentuch, Sid wischte sich den Schweiß aus den Augen.
Jetzt begann wieder der Häuptling zu sprechen, von einer Serie einhändiger Liegestützen leitete er über zu ein paar eingesprungenen Kniebeugen, schlug ein Rad und landete im Breitspagat.
„Was sagt er?“ fragte der Professor.
„Er lädt mich ein, ihm zu folgen um mit der Jugend seines Volkes initiiert zu werden.“
„Oh nein, oh nein, so geht das nicht, kommt nicht in Frage“, der Professor gestikulierte empört mit seiner freien linken Hand, die Rechte hielt den Griff der Botanisiertrommel fest umklammert. “ICH bin hier der Chef, und es ist MEINE Aufgabe, die diplomatischen Beziehungen zwischen der Erde und Celgar 7 zu begründen. ICH muss in den Stamm aufgenommen werden, um dieser Aufgabe bestmöglich nachkommen zu können. SO wird es geschehen, oder gar nicht. Sagen Sie ihm das.“
„Aber ...“, Sid sah den Professor entgeistert an.
„SAGEN SIE ES.“
Es folgte ein kurzes, aber heftiges Wortgefecht zwischen Grohnts und Sid, am Ende sprach der Chef sein Machtwort, es bliebe beim Gesagten, Basta, dem wäre nichts mehr hinzuzufügen. Molle nickte dazu wie einer dieser komischen kleinen Wackeldackel für die Ablage in Automobilen, die auf der Erde gerade sehr in Mode waren.
Hal zischte Sid etwas wie „komm, laß´ den Alten doch“ ins Ohr.
Sid stand da, schwer atmend, die Lippen zu einem Strich aufeinandergepresst, man sah an den arbeitenden Muskeln seiner Wangen, wie fest er die Zähne zusammenbiss. Endlich, nach einer SEHR langen Minute flüsterte er „Also gut...“ und lockerte die Muskeln wieder. Dann begann er mit der Übersetzung.
Mit einem meterweiten Hechtsprung, im letzten Moment abgerollt, über den Rücken zurückrollend und sich in den Handstand aufrichtend zwitscherte Sid des Professors Forderung, machte ein Dutzend Sprünge auf den Händen und landete abschließend mit einem doppelt geschraubten Rittberger wieder auf den Füßen.
Der Häuptling sah Sid an, dann den Professor und noch mal Sid. Schließlich gab er mit einem gehockten Rückwärtssalto sein Einverständnis und winkte den Professor auf das Zeremonienfeld. Dort standen schon die jungen Celganer, denen heute ebenfalls die Initiation zuteil werden sollte, aufgereiht auf einem prächtig gemusterten Teppich. Der Professor stellte sich in die Reihe.
Der Medizinmann trat vor. Er begann, mit einem seltsamen Singsang die Reihe abzuschreiten, und jedem der dort Stehenden seinen genauen Platz zuzuweisen. Dann hielt er eine Rede, die ihm auf Erden zu olympischen Ehren hätte verhelfen können, ein wirbelndes Feuerwerk aus Salti und Pirouetten, gestreckt, gehockt, doppelt geschraubt und rückwärts eingegrätscht und derlei Übungen mehr, eine wirklich mitreißende Ansprache.
Sid glaubte erst, sich versehen zu haben, er hatte nämlich plötzlich etwas von „Beschneidung“ zu verstehen geglaubt. Im nächsten Moment wurde der Teppich, auf dem die Adepten inklusive Professor aufgereiht standen von zuvor verborgenen Seilen unter deren Füßen weggezogen, so dass die Initianden krachend zu Boden gingen. Ein seltsames Zischen ließ Sid nach oben schauen, aber noch bevor er das blitzende, lange Objekt richtig wahrnehmen konnte, hatte das gigantische Fallbeil schon die am Boden Liegenden sauber enthauptet.
Laut kreischend lief Molle zu seinem kopflosen Chef, dessen Blut in einer sternförmigen Lache auf dem festgestampften Lehm des Zeremonienplatzes verrann. Sid und Hal hatten erst reflexartig zu ihren Strahlern gegriffen, dann aber lieber den Rückzug angetreten. „Molle, komm her“, rief Hal, „zur Rakete, schnell!“
Die Eingeborenen ließen sie unbehelligt ziehen, auch den Notfallstart der Rakete nahmen sie lediglich mit einem verständnislosen Kopfschütteln zur Kenntnis.
Was diese Erdlinge nur haben, dachte der Häuptling, jetzt haben wir ihren Meister wunschgemäß beschnitten, in drei Wochen wird ihm, wie unseren Jungcelganern ein neuer Kopf gewachsen sein und er mit einem frischen Gehirn, unbelastet von den krausen Gedanken der Jugend, ganz neuen Höhen der Erkenntnis zustreben können. Und die rennen einfach weg, was sind das bloß für Manieren.