Wortschneegestöber

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Walther

Mitglied
Wortschneegestöber


Leise grieselt der Schnee
Still und starr ruht der Zeh

Eisbein und Eiswein
Versprochen gebrochen

Die Nase läuft
Wie
Der Hase läuft

Wintermanteldick
Vermummte Demonstration
Polizeilos

Einen kratzts nicht
Den Garagenwagen

Alles andere friert
Ein
Bis zwei Mal täglich

Der Handschuh läuft
Nicht und

Es wirft
Der Schal sich in Schale
Der Schneeball wie
Von selbst

Wenn der Schneemann
Klingelt
Gibt’s Eis
Mann

Hau weg das Eis
Frühling
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Das Gedicht beginnt im Ton eines Kinderliedes: "Leise rieselt der Schnee", von dem es eine Reihe Parodien gibt.
(Leise rieselt die Vier/auf das Zeugnispapier ...)

Dann verlässt es diesen Ton und führt das Thema in eine völlig andere Richtung, verknüpft die Assoziation von Zeh zu Eisbein und von Schnee zu Eis in Eisbein und Eiswein - wobei "Eiswein" auch das tropfende Wasser sein kann, Eisbein zugleich der erfrierende Fuß.

Die Nase läuft - im doppelten Sinne: Schnupfen und Füße.

Die Menschen, dunkle, scheinbar vermummte Flecken in der Landschaft.

Sie versuchen, Eis von den Scheiben zu kratzen.

Aber der Garagenwagen hat Glück, ihn kratzt es nicht, ihn juckt es nicht, er ist nicht überzogen von Schnee oder Eisblumen.

Doppeldeutigkeit prägt jede Zeile des Gedichtes, das seine Reimstruktur verliert, wenn das Wort "Ewigkeit" schmilzt.
 

Walther

Mitglied
Hallo Bernd,

dieses "Gedicht" ist schräg, im wahrsten Sinn des Worts. Du hast den Fäden hinterhergesonnen. Hoffentlich hat es Dir ein wenig Spaß gemacht, meine vereisten Hirnwindungen und ihrer Rutschgefahr zu folgen.

Würdest Du bitte noch den Titel aus "Wortschneegestöber" ändern? Lieben Dank und eine schöne Woche!

Bester Gruß W.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ich habe den Titel auf Deine Anforderung hin geändert.
"Wortschneegestöber"
 

Walther

Mitglied
Lieben Dank, Bernd. :) Ich fasse Deinen Kommentar vorerst einmal als Lob auf. Wobei eigentlich ja jeder Eintrag eines ist. Der Leser hätte sich ja einfach im Grausen wortlos abwenden können. ;)
Gruß W.
 
L

label

Gast
Hallo walther

durch puren Zufall bin ich auf diesen Text gestoßen.

Noch kein Text von dir hat mir soviel Freude gemacht, wie dieser.
Das lebt, befeuert die Assoziationen, hat den Schalk im Nacken und wirkt kein bisschen zwanghaft.
Hätte nicht gedacht, dass du so etwas in dir hast.

erfreut
label
 

Vera-Lena

Mitglied
Oh Walther,

zugegeben, der Sommer war angenehm kühl, aber dass ich jetzt bei Deinen Zeilen schon bibbern muss, also weißt Du.;) In diesem Sommer habe sogar ich Eis gegessen, ich habe nämlich eine neue Sorte entdeckt, die nicht so kalt ist. Ja lach ruhig!

Also als Entschädigung beantrage ich jetzt per Antragsformular ein ähnliches Wortgestöber für Sommer oder mindestens Herbst, denn was Du hier ins Lupengrün gebracht hast und was label freundlicherweise wieder hochgezogen hat, ist wirklich gut.

Immer noch bibbernde Grüße

VVerra-LLenna
 

Walther

Mitglied
Werte label,

Du würdest in dieser Rubrik noch einige interessante Wortspiele von mir finden - es lohnt sich also, weiter zu forschen. :)

Danke für Deine verbalen Blumen. Ich weiß sie zu schätzen.

Gruß W.

Lb. Vera-Lena,

der W. hat so einige Facetten, die man ihm nicht zutraut. Nun sind Wortspiele dieser Art nicht beliebig wiederholbar, sondern eher zufällig. Es muß ein Computer oder Papier und Stift greifbar sein, wenn das durchs Hirn saust. Und das ist leider leider nicht immer der Fall.

Zum Herbst habe ich etwas mit dem Gedicht "In der Allee" versucht, aber es hat nur partiell funktioniert. Den Sommer habe ich noch nicht so erfassen können. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.

Vielen Dank für Deine lobenden Worte.

Lieber Gruß

W.
 

Ralf Langer

Mitglied
Eigentlich möchte ich
nur wissen
wie schwierig es für dich war
etwas zuschreiben das sich nicht
reimt!?

Schade das du so was auch kannst:)

Lg
Ralf

P.S
Ach ja. Ganz köstliches Stück Lyrik!!
 
H

Heidrun D.

Gast
Tja, Ralf,

Walther is`n Guter. - Mir gefallen seine ungereimten Texte in der Regel besser ... die Voraussetzung dafür ergibt sich allerdings gerade aus seinem soliden Handwerk. - Im Stillen bin ich davon überzeugt, dass nur derjenige einen guten Vers libre schreiben kann, der die Reimerei aus dem Effeff beherrscht.

Aba uff mia hört hier ja keena ... ;) -

Dir, lieber Walther, kann ich nur Frohlocken anraten: Ist gelungen!

Herzlichst
Heidrun
 

Ralf Langer

Mitglied
LIEBE HEIDRUN,
ich hoffe das du irrst!

DIE WELT PASST NICHT MEHR IN REIME
KREUZREIM, BINNENREIM SO NETT
TIEF DARUNTER BLEIBT DIE WELT VERSTECKT

lg
RALF
 
H

Heidrun D.

Gast
Ich sage ja nicht, dass du gereimt veröffentlichen sollst (ich selber mache das fast ausschließlich in der Komischen Lyrik), aber ich denke, dass es sozusagen zur Grundausbildung gehört, zum Handwerk eben - um Sprachgefühl und Rhythmus zu entwickeln, daran hapert es manchmal gerade im Ungereimten ziemlich ... ;)

Bezogen auf die zeitgenössische Lyrikwelt "an sich", sind wir ganz einer Meinung ... :)

Liebe Grüße
Heidrun
 

revilo

Mitglied
Liebste Heidrun, bist Du wirklich der Meinung, daß nur derjenige schreiben kann, der sich auf die Kunst des Reimens versteht? Dann müsstest Du meine Sachen durchweg als große Scheiße empfinden! Ich kriege noch nicht ´mal einen Schüttelreim hin und würde mich wahrscheinlich bis auf die Knochen blamieren, wenn ich dementsprechend postete. Grundvoraussetzung für das Schreiben ist für mich die reine Freude am Wort. Das mag vielleicht ein wenig puristisch klingen. Es ist auch schlicht und ergreifend eine Frage der Zeit. Ich habe überhaupt keine Muße an Versmaßen zu basteln. Ich habe Familie und ( Klein-) Firma und " dichte ", wenn es gerade mal passt........ Denk´mal darüber nach...LG revilo
 

Walther

Mitglied
Hallo Ihr lieben Disputanten und Wortspielentdecker!

Danke für die vielen lobenden Worte. Gepflegter Unsinn mit Hintersinn braucht manchmal das Sonnenlicht, damit er wirkt (und längere Ruhezeiten), auch wenn der behandelte Gegenstand dabei wegzuschmilzen droht. :D

Nun ist Sprachspaß durchaus, dada zeigt es immer noch am nachhaltigsten, nicht unbedingt reimzwängig. Es geht auch ohne. Und auch will ich nicht bestreiten, daß es gute Dichter geben könnte, die keinen Reim können. Ich will auch nicht bestreiten, daß revilo gute Gedichte schreibt und Ralf Langer auch (Heidrun sowieso!) .

Nur eines schadet sicher keinem: Sich der Tradition und der Sprache durch Übung zu vergewissern. Und es tut einem Gedichttext gut, wenn ihn jemand mit Rhythmusgefühl schreibt (und das wiederum übt man am formstrengeren Reimgedicht am besten).

Damit lägen wir alle richtig. Es erscheint nur sinnvoll, ein Talent durch Übung weiterzuentwickeln. So, wie es Musikanten-, Sportler- oder Forschertalente gibt, deren eigentliches Können erst durch Übung zum Vorschein kommt. Kurz: Der beste Künstler ist immer noch der, der die Form mit leichter Hand überwindet, eben weil er sie souverän beherrscht und durchdrungen hat.

So wird ein Schuh draus.

Lieben Dank für Diskussion und Begleitung. Immerhin haben sie einem Text gegolten, den ich schon vor seiner Wiederentdeckung eher für einen meinen besseren gehalten habe und deshalb ein wenig enttäuscht war, daß zuerst niemand von ihm Kenntnis nahm.

Gut Ding will manchmal Weile haben, besonders, wenn dat Dingen ein ganz gutes ist. :D

LG W.
 



 
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