Zeitverlegen

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Svalin

Mitglied
Hallo Alpha,

Dein Text gefällt mir von der vermittelten Stimmung her ausgesprochen gut. Ich hätte noch einige Anmerkungen:

> Darunter klingen
> längst verklungene Töne,
> tanzen Spukgeistern gleich

Klingen von Verklungenem klingt - außer paradox - hier nach meinem Empfinden sprachlich überbetont. Wenn es nur darum geht, zu sagen, dass sich "Vergangenes" im Raum hält und quasi wiederaufersteht, könnte man das vielleicht ein wenig umbauen bzw. abschwächen. Da die Bilderwelt in deinem Text insgesamt ein wenig "expressionistisch" wirkt, könnte ich mir hier z.B. gut vorstellen, das Verb klingen kurzerhand zum Substantiv umzudeuten, was eine schöne Bedeutungsverschiebung mit sich bringt. Auch der Begriff Spukgeister scheint mir ein wenig überbetont: Gibt es Geister, die nicht spuken?

> Die Uhr tickt
> langsam rückwärts

Sicher ist Ticken ein Synonym für Zeit(gefühl) und bewegte Zeiger, aber hat es tatsächlich eine Richtung, die umkehrbar wäre? Das ist schwierig vorstellbar und macht das Motiv sehr interessant. Ist fast so, als würde man sagen: Mein Puls schlägt langsam rückwärts. Ich denke, bei deinem Text passt diese Art von gedanklich "widerhakenden" Metaphern ganz gut. Um diese Wirkung nicht zu stören, würde ich aber das darauf folgende ticken herausnehmen.

> und renne gegen den
> Glockenschlag

Gegen den bzw. einen? Hier könnte man vielleicht weniger bescheiden sein und versuchen auf mehr(ere) zu verweisen. Müssen ja nicht gleich 12 sein ;)

> Dann schweigt die Nacht
> sich mir zum Vorbild empor

Finde ich als Abschlussbild ein wenig schwach. Da das lyrische Ich im ganzen Text nicht (mit sich oder anderen) spricht (also bereits schweigt), kann das Schweigen der Nacht an sich keine große Vorbildfunktion mehr haben. Für ein perspektivisch offen gehaltenes Ende könnte man vielleicht sogar die letzte Zeile völlig streichen. In der Summe würde ich folgende Änderungen vorschlagen und hoffe, damit deinem Text nicht völlig unrecht getan zu haben ;)

Zeitverlegen


In Fetzen gelegt

Die Lampe am Bett
wirft einen Lichtkegel
an die Decke
Darunter [blue]die K[/blue]lingen
längst [blue]verrosteter[/blue] Töne,
tanzen [...]Geistern gleich

Die Uhr tickt
langsam rückwärts
[blue]und[/blue] Ich [...] mit[blue],[/blue]
[...] renne gegen den
[blue]nächsten[/blue] Glockenschlag

Dann schweigt die Nacht
[...]


Viele Grüße
Martin
 

Alpha

Mitglied
Ich danke dir für deine Mühen, auch deine Version finde ich gut, nur aber entstammt sie weder meinem Geist noch lebt sie mit meinem Gefühl... Schon daher werde ich es nicht mehr ändern.

Ein dankender Gruß, Alpha
 

Svalin

Mitglied
Hallo Alpha,

Ich bin mir nicht sicher, was genau du von einem Feedback erwartest, aber vielleicht solltest du es nächstens lieber mit dazu schreiben. Das könnte helfen, Missverständnisse zu vermeiden. Natürlich entwickelt jeder Leser eine eigene Textwahrnehmung und -empfindung, die doch aber zwangsläufig von der des Autors abweichen wird und muss, weil Lyrik eben stets nur Abbild, Dekonstruktion, Verdichtung und Chiffrierung des ursprünglich Gefühlten und Gedachten ist. Wenn man dem Leser also nur Ahnungen und Andeutungen überlassen kann, sollte man sich im Nachhinein als Autor weder wundern noch ärgern, wenn diese sich "verlaufen", d.h. eigene Wege gehn ;) Das liegt in der Natur der Dinge ...

meint
Martin
 

Alpha

Mitglied
Ich hingegen glaube nicht, dass du weißt, was ich in Kommentaren erwarte. Weißt du, Lob bekomme ich überall woanders, hier aber weiß ich, dass jeder sofort einen Text auseinander klamüstert weil er denkt, er wisse besser, wie der Text aussehen sollte. Das ist typisch für dieses Forum. Und obwohl ich diese Tatsache an sich eher traurig finde, ist mir genau das aber bewusst, wenn ich einen TExt hier online stelle. Ich interessiere mich für die anderen Text-Empfindungen erfahrener Autoren. Aber das muss doch nicht heißen, dass ich meinen Text verbessern möchte ;)

So, und das meine ich. LG, Alpha
 

Svalin

Mitglied
Hallo Alpha,

Ich denke, man muss das vielleicht etwas gelassener sehen. Es hat nunmal jeder seine eigene Herangehensweise und Ansprüche an Lyrik: Die einen sezieren halt, die anderen interessieren sich mehr für psychologische Wirkungen und der nächste vielleicht für therapeutische Aspekte des Schreibens. Dagegen ist doch nichts zu sagen und all das sollte in einem Literaturforum auch gleichberechtigt nebeneinander stehen dürfen. Nur, ich finde halt, wenn man grundsätzlich keinen Wert auf einen "Chirurgen" legt, sollte man das vielleicht unter seinen Text schreiben. Dann zerpflückt ihn auch niemand mehr ;)

Viele Grüße
Martin
 



 
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