Zwischen den Welten

Noraji

Mitglied
Einer Seifenblase ähnelt dein träumerischer Gedanke, eh er ebenso leicht zerfällt, gibst du diesen einen Grund, um in der Wirklichkeit zu bestehen.

Doch warum?
Du hast vor, ein Bild zu vervollständigen, doch dazu brauchst du neue Eindrücke, neue Erlebnisse, um deinen persönlichen Ort zu verschönern.

Möchtest du diesen Klang mit Geschichten, dem Erleben deiner Weggefährten durch die einzelnen Stationen, Halte-, Wende -und Knotenpunkte durch ihren Lebensplan erfahren?
So soll es sein; heute, auf deiner Reise durch deine Heimatstadt.

Du steigst in die Linie 3 und sie schnurrt los, die kleine Wartezeit hast du den Blick gen Herkules gewendet, der Keulemann im Westen und einen Kaffee getrunken aus deinem Thermobecher und den Spaziergang im Park beendet mit deinem neuen Impuls.

An der Waldorfschule steigen Mathilde, Torben und Noah ein. Die Flötenbeutel umgehängt, lässig natürlich, die Kopfhörer auf, aber die Sounds aus, erstmal chillen nach dem letzten Block, wo es um die Symphonie der Steine ging, oder so was ähnliches – irgend was eben mit Steinen…Torben wippt auf, auf und ab; Scheiße war das langweilig…ey der olle Hansmann ging mal wieder voll ab ,ich hoff ich bekomm die gute Bewertung, soll ja schließlich weit gehen…bis nach Indien, Rucksacktrip nach dem Abi, einfach ne Auszeit bis es ans Klotzen geht, sprich Malochen, also Studium, mit Ritalin kein Problem, fokussiert die Aufmerksamkeit.“ Noah! Warum hast du mit Clara Schluss gemacht? Die war cool!“
Noah: „Na, einfach so. Lieb sie halt nicht mehr.“
„Wie??!!“
„Wenn ich´s doch sage, einfach so.“
Mathilde lächelt, stimmt…einfach ...so.
Ihr Himmel, voller Geigen.
Die Schüler stapeln sich wie die Bratwürstchen, in der Straßenbahn.

Schieben, schubsen, da ein Spruch, hier ein Knuff.
Du bist dösig, schläfrig, versuchst eine bequemere Haltung einzunehmen, kalt, die Scheibe der Linie 3.
Es drängt noch eine Dame mit Rollator nach, die mit dem Ausdruck einer eitlen Pute, Verzeihung, ausdrucksvoller Würde, in der aktuellen Sommertrendfarbe gold-beige, Platz nimmt.
Sie entdeckt Erna mit der sie zur Volksschule gegangen ist, damals in den Gründerjahren, winkt ihr edel zu und Erna macht sich auf den Weg bis zur nächsten Haltestelle ihr Ziel zu erreichen, Hedwig in gold-beige.
„Na, du.“
„Na, bin doch mal wieder unterwegs; immer am Machen und Tun, will mal auf den Wochenmarkt in Wehlheiden.“
„Gut schaust aus…“
„Ja, meinste…?“ „Dacht ich gönn mir ma was, so was von Bonita, ich sag dir Bonita, die haben eine ausgezeichnete, will sagen, hervorragende Beratung…“


Das Gespräch über Bonita plätschert dahin, während du die Wolkenformationen beobachtest, ein Flugzeug hat feine Schabungen im Himmel vorgenommen, die Maserungen, die entstehen, verzieren die wattigen Gebilde, es entstehen neue Formen und leichte Sonnenstrahlen verschönern das Bild noch mehr, welches der Himmel dir schenkt. Goldenheit fühlst du in deinem Körper, wo genau? Du spürst noch mehr in dich hinein, Wärme nährt deinen Bauch und sättigt deine Seele von dort aus, die Kälte schwindet. Die kleine Bonitaquelle plätschert und sprudelt nun richtig, ohne Punkt und Komma und ergießt sich in den Erinnerungen über die gute, alte Zeit, als alles besser war, weil man selber jung und noch ohne hilfreiche Geräte laufen konnte; es gehen die Gedanken tiefer in die Gründerzeit als sie, die stolze Hedwig, wie sie jeder nannte, Schluss gemacht hat, mit Wilhelm, einfach…so und dabei lächelt sie ebenso fein wie Mathilde.
Ihr Blick fällt dabei auf das Mädchen, so war die Mode, ihr Stil damals auch, florale Muster, Mütze und immer den gewissen Tinkle -Winkle im Augenschein, die Zöpfe verspielt geflochten.
Einfach so.
YOLO!

Kirchweg. Hedwig bugsiert gekonnt den Rollator zwischen den Schüler hindurch und stürzt sich in das Happening, ihre Shopping-Erlebnis Tour, den Wehlheidener Wochenmarkt.
Nicht ohne vorher Erna noch einen gönnerhaften Blick und Abschiedswink zu genehmigen.
Die Sonnenstrahlen glänzen und lassen das Haar der beiden Damen silbern scheinen, wenn Engel reisen…Du lächelst, denkst an die Rabattaktion von Bonita, das Gespräch, dessen du Zeuge wurdest, die Sorgen des Alters, indem Probleme, welche dir jetzt noch klein erscheinen, dann unerwartet groß werden…
Während dein Blick noch Hedwig folgt, haben sich während dessen die Sitzverhältnisse neu gemischt mit neuen Gesichtern, Farben, Geräuschen und Gerüchen. Diesmal wird deine Aufmerksamkeit von dem kleinen Erdenbürger im Tragetuch gefangen genommen, seine Mutter mit den Rastazöpfen schaut versonnen durch die Menschen hindurch und genießt die Auszeit, während der Kleine schläft und dabei Grimassen schneidet, ganz verschmitzt.

Dir fällt eine Unterhaltung mit deinem besten Freund ein und die Frage, welche ihr euch stelltet, wovon träumen Ungeborene, wenn sie sich im Bauch ihrer Mutter wiegen, wie ein Fisch im Wasser?
Träumen sie von Regentropfen, erst fein, dann trommelnd, vom Heranziehen eines Gewitters nach einem heißen Sommertag? Von den Lauten der Nachtigal oder der Lerche? Von den Stimmen der Eltern und ihren Namen, den sie bekommen werden? Vom Leben draußen, voller Spannung und Energie was es für sie bereithält? Träumen sie von ihrem Tod?
Du weißt es nicht, es ist uns verborgen, du schaust dem kleinen Erdenbürger zu, der seine Ärmchen fasst und klammert, während seine Mutter an guter Sojamilch aus Fair-Trade-Handel saugt, der Kleine schläft gut und fest und freut sich über die Erholung.

Murhardtstraße/ Universität.
Auch sie bugsiert, ähnlich wie Hedwig ihren Rollator, den Kinderwagen hinaus und die Blicke, welche ihr die Mitreisenden zuwerfen, ähneln denen, die Hedwig erntete. Und genauso stolz ist ihr Blick, auch sie ist in der Gründerzeit.
Die Mutter samt kleinem Erdenbürger steigt aus, sie ist mit Cleo, einem Erasmusstudenten, zum Französisch-Tandem und einem Cappuchino verabredet, sie schwebt fast, nein, sie geht auf Wolken.

Bokohache, Bokohache, Bokohache trommelt es in dem jungen Mann mit dem dunklen Haar und den blauen Augen.
Scheiße, was würd er jetzt gern Capoeira tanzen, tanzen, trommeln, singen und spielen, Bokohache, Bokohache.
700 Euro Betriebskosten soll er Rückzahlung leisten, von was denn?
Der 450-Euro-Job und die Aufstockung, der Bewerbungsstress und dabei immer nen fitten und guten Eindruck machen, man, von was soll er denn durchstarten? Und jetzt das, diese Rückzahlung!
Seine Ex-Freundin. Wo es eigentlich entspannt als Affäre laufen sollte, aber welche Frau kann schon Sex haben, ohne dass sich Gefühle einstellen? Verdammt, bei soviel Kälte dreht man halt auf, auch die Heizung, wer weiß woher diese Summe kommt??!!
Es trommelt weiter in ihm, tanzen, spielen, kämpfen. Er ist gefangen, für die anderen, die Gesellschaft, in dieser Stadt, in dieser Situation, in dieser Beziehung, in der Kälte, wo selbst der beste Ofen mit Glut gefüllt ihn nicht wärmen könnte. Aber in sich selbst ist er frei, denn er tanzt Capoeira, er singt die alten Lieder von Heimat, Verlust und Sehnsucht nach dem besseren Leben, das ist er! Für die anderen mag er ein Sklave sein, aber er ,spielt und atmet aus und es trommelt weiter stolz im Rhythmus, er atmet ein, auch ein Rhythmus, den schönsten, den es gibt und alles tanzt nun in ihm, nach dem neuen Rhythmus.
Gewonnen, wieder, gewonnen, den Kampf.
Weserspitze. Er ist angekommen. Hat sich vorgenommen ne neue Wohnung zu suchen, raus aus der Kälte, ins Warme. Check. Er tippt die Adresse ins Smartphone, ah, Gartenstraße. Neue Hoffnung, neuer Tanz und neuer Kampf, aber nun trommelt es leiser in ihm.


Der Schwabe betritt die Linie 3, voll mit Erinnerungen, die ihn nicht loslassen.
Hameln, eine sehr konservative Stadt. „So was wie dich dulden wir hier nicht, du bist Dreck, du…diese Worte schmerzten genau und noch mehr, als die Schläge und Tritte damals; nen Wunder dass er das überlebt hatte, auch heute schmerzen ihn diese Blicke, in denen die selben unausgesprochenen Worte mitklingen. Er geht gemessen Schrittes in die Linie, setzt sich und schließt die Augen. Vor ihm jetzt die Weite Russlands, dazu mengen sich die Bilder von Filmen, die sein Sohn ihm schickte, er ist freier Künstler und dreht experimentelle Filme. Jakarta mit seinen Menschenmengen, dazu die Gerüche des heißen Sommers in Sibirien, es dreht sich wieder alles, dazu die Worte, diese Verachtung der braven Bürger, es kommen Bilder des Mauerfalls, wo ist er nun? Berlin in den 80gern, das Gedränge der Menschen und er, der Schwabe ist ein freier Mann, und brauch sich nicht ertränken in dem flüssigen Elixier, welches den Nebel nicht lichter sondern dichter werden lässt, Freiheit ist das schönste, was es…gibt. Westernhagen, das Gold liegt auf der Straße, das wollte er suchen, ein Goldgräber ist er, Dreck für die andern, aber er weiß es, er ist immer ein Goldgräber gewesen, ein Trapper, ein freier Geselle, der wandert, Südfrankreich war sein Ziel gewesen, und in der Stadt des Rattenfängers haben die ordentlichen Bürger ihm gezeigt, was sie von ihm halten, Dreck gehört auf die Straße, erst recht ein freier Goldgräber, der im Dreck die Schätze findet. Er ist wieder in diesem Dämmerzustand, alles ist gleich, alles egal, nur die Weite Sibiriens und die Wärme des Sommers nicht, das ist das Gold, was ihn glänzen lässt, sein Schatz und seine Freiheit. Nun ist er hier, in der Mitte, zwischen Ost und West, der starke Keulenmann, das Wahrzeichen der Stadt mag ihn schützen, von den Blicken der anderen, nicht von dem Blick, in sich selbst, den lieber ertränken im flüssigen Fusel, um sich nicht anzusehen.
Du wendest dich ab, von dem freien Schwabe, da du nur sein äußeres Bild siehst und das gefällt auch dir nicht, passt nicht in den Rahmen. Hölle, ist das voll hier, du versuchst die Beine zu strecken, wenn du wenigstens etwas mehr Freiheit hättest, ahh, reck und streck.

Ein Ruck und Zuck und die Linie stampft die Steigung Richtung Eisenschmiede hinauf.
Dort steigen zwei Schüler ein, Freunde, welche die neusten Erlebnisse von Skywalker im Kopf haben, bloß nicht Mathehausaufgaben, es soll in das Versteck gehen, nach Ihringshausen, Abenteuer erleben, wie ihr Held mit dem Laserschwert.“ Ey, weißt du warum Sam so komisch war?“ „Man, der is immer komisch, guckt immer in den Spiegel und dann heult er rum und will weg… häh, blöd ey.“
„Der is aber voll gut im Tor, wir brauchen ihn, echt! Weißt du, er scheint wirklich Sorgen zu haben.“

Deine Augen sind in deiner Phantasie schon im Garten, du planst die Anlegung eines neuen Segments, wie ein Landschaftsmaler bist du an deinem Werk, deiner Oase mitten in der Stadt mit dem Keulenmann als Wahrzeichen und du weißt, dass dein Winkel des bewussten Zuhörens und Wahrnehmens sich in deinem inneren Bild zu etwas äußeren entwickelt. Dein Garten lässt deine Phantasie nach außen erblühen und du nimmst sie mit, die kleinen himmlischen und höllenhaften Geschenke deiner Mitreisenden.
Verlässt die Bahn. Endstation. Der Gesang der Vögel trägt dich nach Hause.
 

Vagant

Mitglied
Hallo Noraji,
Mensch, im Kopf deines Erzählers gilt es aber auch noch einiges zu ordnen. Aber erst mal Hallo in der LL.
Ich fand das Absatzweise ganz gut gemacht. Diese persönliche Ansprache versteht es, einen in das Geschehen zu ziehen. Allerdings hattest du mich erst ab dem vierten Absatz, an dem Punkt, an dem ich in die Linie 3 steigen sollte. Die Sachen davor könnte man meiner Meinung nach getrost streichen. Naja, wie ich schon sagte: denke, dass man die Gedanken ein bisschen besser hätte ordnen sollen, sie mehr in eine Geschichte drängen. Also es kamen dann immer wieder Sätze wie dieser:
Zitat
Nun ist er hier, in der Mitte, zwischen Ost und West, der starke Keulenmann, das Wahrzeichen der Stadt mag ihn schützen, von den Blicken der anderen, nicht von dem Blick, in sich selbst, den lieber ertränken im flüssigen Fusel, um sich nicht anzusehen.
Zitat Ende.
Da wusste ich nun wirklich nicht viel mit anzufangen.
Salopp gesagt; der Text franst an den Rändern ganz schön aus. Ich denke; wenn du einen guten Plot hast, reicht dein sprachliches Talent allemal dafür, uns mit ein paar guten Storys zu begeistern.
Vagant.
 

Wipfel

Mitglied
Respekt für Vagant - der hat es gut zusammengefasst. Ich würde gern in 5 Jahren nochmal etwas von dir lesen - falls du da noch schreiben solltest. Deine Sprache ist ungestüm - gut so. Jedoch nicht tauglich - oder zu ausgefranzt (wie Vagant meint) für den Literaturbetrieb. Potential ist da. Fang mit dem Streichen der überflüssigen Wörter an.

Grüße von wipfel
 



 
Oben Unten