damals, Kindheit in der Nazizeit

D

Dannmalmut

Gast
Versuch einer Biographie:
Als Legastheniker, kann ich nur mit Rechtschreibfehler schreiben.
möchte aber versuchen, trotz des Handikaps etwas aus meiner Kindheit in der Nazizeit zu erzählen.
Meine Kindheit, läßt sich am besten mit einem Gedicht von Klaus Lenuweit darlegen:
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Du warst schon als Kind
eine Null
ungeliebt,
ungewollt,
viel zu dünn,
die Füße zu groß
Ja, du warst schon als Kind Beachtungslos
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In der Schule, im Kindergarten,
man konnte dir nicht trauen.
Zu blöde zum Schreiben, zum Rechnen.
Mach' bloß nicht den Mund auf!
Wenn du den Teller nicht leer isst,
wirst du nie stark und groß.
Ja, du warst schon als Kind Beachtungslos
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Aus dir wird nie was!
Fass' bloß nichts an!
So wie du bist, bekommst du nie eine Freundin!
Wie kann ein Mensch nur so dumm sein!
Du kannst dich nicht benehmen!
Mit dir geh' ich nicht los!
Ja, du warst schon als Kind Beachtungslos
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Bezahlte Hände trösten meine Seele.
Einsamkeit zum Schreien.
Ein Versager zu sein,
verfolgt dich überall hin.
Du läufst und läufst
und dein Hunger bleibt groß.
Ja, dir war schon als Kind die Beachtung los.
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Oder in Prosa: Als er neun Jahre alt war, hielten ihn Seine Eltern für zurückgeblieben. Sein Vater fragte den Schulleiter, was für einen Bildungsweg der Junge einschlagen solle.
Der antwortete: "Was soll da sein, aus ihm wird sowieso nichts!"
Einem anderen Beispiel musste der Knabe bereits im ersten Schuljahr die Schule verlassen. Seiner Mutter wurde gesagt, er werde nie in der Lage sein, irgend etwas zu lernen, er sei geistig zurückgeblieben, sein
Kopf sei verwirrt. Daraufhin hat ihn seine Mutter unterrichtet.
Im ersten Fall handelt es sich um Albert Einstein, dem 1921 der Nobelpreis für Physik verliehen wurde.
Im zweiten um den Erfinder Thomas Edison. Beiden wird nachgesagt, sie seien Legastheniker gewesen. Kann sein. Aber sie waren hoch begabt, das ist sicher und Hochbegabung bei gleichzeitigen Lernstörungen, gibt es sogar sehr häufig. Natürlich sind nicht alle Legastheniker hochbegabt und
nicht alle hochbegabte Menschen sind Legastheniker, das soll hier nicht behauptet werden.
Was ich frage, was geschieht wenn die Abwertung "der ist sowieso zu blöd": "Aus dem wird sowieso nichts werden." ohne Hilfe der Familie, Schule oder Gesellschaft, einem als Gottesurteil aufgezwungen wird ?
Mit diesem Vorbehalt wurde mir bereits in der wichtigsten Lebensphase, in der Kindheit, die Beachtung versagt. So gesehen ist man auch als Erwachsener davon traumatisiert, geprägt, Verunsichert. Und eines Tages Spätzündung fängt man an, sich gegen die permanente Entwürdigung zu wehren.

Ergo, kann Mann nur beschreiben, was Mann selbst erlebt hat.
Und wenn Mann, trotz aller Mühe, des Lebens-Füllhorn zu erzwingen, immer wieder auf die Verliererseite
landet, fragt Mann sich, ob man nicht schon durch die Erziehung, das Milieu oder den Umständen des Alltags zum Verlierer gemacht wird.

Aber wo liegen die Ursachen, dass ein Bemühter, sich nur bemüht, sich seiner Mühe lächerlich zu machen?
Nicht nur in der Art eines "Don Quichotte" sondern auch in der Art, wie es ein Herr "M. Cicszentmihaly" aus Ungar, einmal untersucht hat, wieso sich Felskletterer, Chirurgen , Schachspieler und Künstler lange Zeit Tätigkeiten hingeben, die teilweise große Gefahren bargen oder deren Gewinn in keinem Verhältnis zum Aufwand steht.
Mein Aufwand bestand erst mal darin, alles, aber auch alles selbst lernen zu müssen. Schule oder Schulung wurde mir nicht geboten weil man damals Krieg machte.
und wenn Schule überhaupt angerboten wurde, muste ich Schule auf der letzten Bank verbringen.
Was aber ist in diesem Zusammenhang Legasthenie?
In meinem Fall das Wissen im Kopf, wie ein Wort richtig geschrieben wird, oder die Dinge sein müssen, aber motorisch nicht einsetzen kann, weil das Auge, das falschgeschriebene, in Folge eines Genfehler, generell als richtig zurückmeldet, wodurch auch mal ein Buchstabe weggelassen, oder Endungen nicht beendet werden. Zum Beispiel: In meinem Hirn wird das Wort "Dumm" in der Richtigen Buchstaben-Reihe zusammengestellt, die Hand aber schreibt "udmm" ohne, dass das Hirn eine Rückmeldung für Faclsh bekommt.
Heute ist Legasthenie, keine Urteil mehr um auf die schulpolitische Strafbank zu kommen.
Damals aber, war Legasthenie niemanden bekannt. Da wurde ich von ungeduldigen Altpädagogen, als nur Verstockt und mit dem Stock, immer wieder in die Rolle eines Außenseiter gedrängt.
Wieso ich immer meiner Rechtschreibfehler zu leiden hatte verstand ich selber nicht, war ich doch unbelehrbar überzeugt, wenn ich lesen kann, auch die Wortbilder richtig schreiben werde.
Dass meine Annahme nie richtig war, merke ich noch heute, das ein Computer hilft, auf Wortfehler hinzuweisen. Wenn ich wieder mal: "heiße Güse, auf die Libben hüpscher Mättschen güssen will".

Dadurch brauche ich zum schreiben dreimal soviel Konzentration, als ein normal Schreibender.
Warum ich mir das antue, da selbst schreiben zu wollen? diktieren geht doch auch! Weil ich als letzter Mohikaner noch was aus der Zeitgeschichte "Damals" zu erzählen weiss. Wenn ihnen beim Weiterlesen, meine Rechtschreibfehler lästig werden, verzeihen sie mir bitte die Zumutung.
Sicher, wenn Mann dem 70 Geburtstag entgegensieht, blickt Mann auf eine lange Zeit Lebensgeschichte zurück,
Wo auch mal die Sonne geschienen hat. Leider so selten, dass im biologischen Vergleich, Sonne, kaum für ein genügsames Schattengewäschs gereicht hätte.
Wo aber fängt Mann an, eines Lebens-Schattenseite zu beschreiben, ohne direkt auf Wehleidig zu machen? Der Wortschatz gerade mal dazu reicht, Hallo! oder Liebe Grüße, auf eine Postkarte zu schreiben.

Absicht und Tätigkeit auch noch an der selbstgefälligen Arroganz von Hobbylektoren scheitert. Die einem den Mut nehmen, mangelhafter Qualität, das Schreiben überhaupt zu beginnen?
Dann schreib ich lieber wie ich es kann.
" Man soll auch nicht annehmen, dass es schreibende umsonst sagen."
Die Fotos und Links, demonstrieren den Volksmund: Ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Wenn tausend Einzelfälle den selben Beweis liefern und die Bilder sich gleichen. Dann zeigen die fremden Zeitbilder auch mein Zeitbilder, wozu mir tausend Worte fehlen.
Nach diesem umständlichen Einführung !
Jetzt mal Butter zum Fisch........
Geboren 1933 kann Mann, sich an vieles erinnern, auch an Dinge, wo er glaubt längst verdrängt zu haben.
Da sind aber auch Lücken. Durch angestrengtes Nachdenken füllen sich die Lücken wieder durch Stichworte, Aha! Da ist wieder eins. Jedes Besinnen bringt mich ein Stück näher.... doch eine
große unüberwindbare Ferne liegt dennoch über das Damals und Heute. Ich suche, und finde meine Kindheit nur noch in einem kollektiven Bilderarchiv wieder, worin man inzwischen tausend andere Kinderschicksale von "Damals" gesammelt hat.
Schade, dass ich nicht dazu begabt bin, dass andere behaupten, dass sie sich bis an ihre Geburtsstunde zurück erinnern können, kann ich leider nicht. Ich war eines Tages Erinnerung einfach nur da. Ein Knabe der ohne Vater, von einer alleinerziehenden Mutter betreut, in einem Armeleuteviertel, in einem Kölner Altstadtmilieu mit einfacher Leute Denken und Träumen aufwuchs.
Wieso soll ich mich dafür schämen?
Die zeit und Umstände waren einfach so.

Unter Großmutters Rock, die meine Mutter in einem Dorf in der Eifel geboren hat, muss sich mal ein Italiener
1880 verirrt haben, jeden Falls, wird in der Familienchronik meiner Mutter als Nachname, Benededice, genannt.
Was ein Benededice 1880 in ein kleines Eifeldorf verschlagen hat, hat Mutter nie erklärt. Und damit war auch schon Schluß mit der Ahnenforchung.
noch weniger wurde mir von meinem Erzeuger bekannt, Da tauchen lediglich Erinnerungen auf. Dass da
Irgendwelche Besuche von einem Vater waren, und so bin ich mir im Nachhinein sicher, dass da auch ein Vater bis zur der besagten Bombennacht -1943- in Köln lebte.
Damit verbröselt auch die Familiasaga: Wo komm ich her, wer bin ich.in dieser Richtung
Denn zu den Tanten, und Onkels, Väterlicherseits wurden wir Kinder nie mitgenommen, aus dieser Verwandschaft machte Mutter immer ein Geheimnis.
und in die Eifel fuhr Mutter ( wenn überhaupt) nur alleine

Später wurde meiner Neugier, auch nur Namen und ehemalige Adressen bekannt, aber keine Kontakte. In meinem ersten Berufsleben, bin ich als Lastwagenfahrer, oft bdurch den Geburtsort meiner Mutter in der Eifel gefahren. Ein mal habe ich angehalten und wollte mich der Familie Benededice erkunden, der Bürgermeister und der Pfarrer waren aber nicht erreichbar, um über die Adresse, einer Familie Benededice Auskunft geben zu können, so ist meine Halbneugier, diesen Umständen auch wieder eingeschlafen.
Vielleicht recherchiere ich doch noch mal, denn Mutter fabulierte immer von einem Topf voller Goldmünzen, der
im Garten ihres Vaterhaus vergraben sein soll.
Vielleicht hat man Mutter, mit der Geschichte auch nur angeführt, damit sie fleißig den Garten umgräbt, denn um
/ 1900 / ist ein Garten, den armen EifelHäusler die Zusatznahrung liefert, das Gold, wonach man in einem Eifeldorf gräbt.
Nachdem Mutter, trotz fleißigem Graben, den Topf mit Gold nicht finden konnte und die soziale und materielle Not in einem Eifeldorf, 1900 auch keine allzugroße Aussicht auf Berufskarriere bot. Ist sie aus dem Eifeldorf nach Köln ausgewandert, um in der Großstadt, als Haushaltshilfe, das Gold zu verdienen, das sie in Vaters Garten nicht finden konnte.
Und da muss es passiert sein; - Naive Landpomeranze heiratet Großtuer aus der Stadt Köln. Der sie
dann mit zwei Buben in Stich gelassen hat. Was da genau gelaufen ist hat Mutter nie erzählt. Vielleicht meinem Bruder? Der hat es aber mir nicht erzählt.
Also hat man mich ( weil viel zu doof ) auch dem offensichtlichen Familien-Chaos draußen gelassen.

Die erste Erinnerung für mein Dasein überhaupt, ist ein Spaziergang, den Mutter mit mir und meinen Bruder, der noch im Kinderwagen befördert wird, auf der Rheinuferpromenade der Stadt Köln unternahm. Um den Gaffern mitzulaufen, die da eine Attraktion besichtigen wollen, womit ein "Adolf Hitler" dem Volk ein tausendjähriges Reich propagiert und erobern will.
Als Mutter mich auf einen Kanufahrer aufmerksam macht, der auf dem Rhein zwischen der Attraktion, der Kriegsschiffe, herumpaddelt, war ich zutiefst davon überzeugt, dass dieser Kanufahrer, auf der riesigen Wasserfläche des Flusses, nicht größer sein kann, dass ich meine gefaltete Papierschiffchen in den Regenpfützen unserer Gasse schwimmen lasse.
Wie hieß die Gasse noch? "Achja!" -Alte Mauer am Bach, eine Altstadtgasse im Geviert, Kleiner- und Großer Griechenmarkt, schon seit Jahrhunderten ein Gettoviertel Zugewanderter und Armen. Was ich sagen will, wenn mir dieser Erinnerungsfetzen von "Damals" noch heute bewußt ist, aus welcher Perspektive muss ich hier "fünf Jahre alt," den Kanufahrer in Realität des Rheins und dem Kriegsmaterial gesehen haben?
Vergleichsweise einer alten Postkarte. wo die Stadt Köln von der Begeisterung der Braunhemden, auf seine Kriegszerstörung vorbereitet wurde

es darf gemeckert werde ich lerne gerne!

mit freundlichen Gruß.
dannmalmut
 



 
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