ein mensch ist gestorben

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M

margot

Gast
pearl jam dreht sich um die eigene achse
die toten waren mir lieber
als die lebenden
nachdem ich ein frisches weißes laken
über sie gelegt hatte
ich konnte mich nicht sattsehen
und ich streichelte zum abschied
noch einmal den arm, das gesicht des toten
und ich sagte: „roman, du warst ein lieber
kerl ...“
er hatte sich an den bettgalgen geklammert
ich hielt ihn wohl noch ein dutzend mal im
arm
das leben pochte durch die zimmertüre
die angst war weg
aber wir wollten seinen offenen mund
zukriegen –
indem wir handtücher unter sein kinn
postierten
und unter seinen hinterkopf
als ich eine binde um seinen kopf wickelte
verzerrte das sein gesicht zur grimasse
ne, das hat keinen sinn, sagten wir
und schließlich sah er richtig gut aus
das kunstwerk eines friedlich
eingeschlafenen
morgen wird sein zimmer frisch gestrichen
die nächsten kommen zum sterben

er hatte einfach aufgehört zu atmen
mittendrin
die zimmertüre hatten wir offengelassen
mir war es zuerst aufgefallen
ich hörte ihn nicht mehr atmen
ein blick genügte
wir waren gerade auf dem rundgang
beim windelwechseln
ich machte weiter, als wäre nichts geschehen

was ist auch geschehen?
ein mensch ist gestorben
kein zweifel
nie wieder werde ich in seine augen schauen
nie wieder seine haut berühren

eine biographie geht über in den
äther
des vergessens
 
S

Sansibar

Gast
Abschied

Hallo Margot,
soviel Poesie habe ich eigentlich noch nie aus einem Text bei dir herausgelesen. Es klingt sehr authentisch, als ob du es soeben erst erlebt hast.
Gruß Sansibar
 
M

margot

Gast
sansibar, ich erlebte in zwei aufeinanderfolgenden
nächten zwei todesfälle am wochenende.
natürlich sind das nicht meine ersten. ich begleitete
einige dutzend menschen in den letzten jahren beim sterben.
aber jedesmal stellt sich mir diese einzigartige frage:
war`s das dann?
auf der anderen seite empfinde ich frieden und ein
bißchen unsicherheit, wenn ich den toten zum aufbahrungs-
raum schaffe. wo ist der mensch?
und ich? und du? warum machen wir uns das leben manchmal
so schwer? ich spüre, wie gering mein eigenes leben ist.
und ich verstehe alle religionsgläubigen. ich verstehe
die menschen, die sich künstliche busen reinoperieren
lassen oder sonstwas kosmetisches. ich verstehe sie
alle, und ich muß weinen ... ich muß weinen!!

ralph
 
S

Sansibar

Gast
Trost

Hallo Margot,
das klingt noch ehrlicher. Ich nehme dich einfach in den Arm, denn Trost brauchen viele, alle, besonders die, die von Krankheit gezeichnet sind und die, die ihr Leben zum Teil mit Morbunden verbringen.
Das Leben ist nichts - und alles -das weiß ich, aus eigener Erfahrung.
Nimm meine Worte als so ehrlich an, wie ich die deinen. Wir reifen am Schmerz, ob wir wollen oder nicht. Es ist immer wieder gut zu erfahren, dass es doch noch MENSCHEN gibt, die teilnehmen, fühlen, ahnen können.
In diesem Sinn
Sansibar
 

george

Mitglied
margot, lieber Ralph,

ein sehr ehrlicher Text, nichts beschönigt, einfach wahr. Es ist gut, dass es Menschen wie Dich gibt, die diese Situationen immer wieder aushalten. Die Angehörigen sind nicht da, aber Du. Als jemand, der sehr oft jemanden trifft, der in einer ähnlichen Situation immer wieder steckt, kann ich ein klein wenig nachempfinden, was hinter dem Text steckt. Dein wahrster Text, den ich von Dir gelesen habe. Hochachtung vor dem Autor und Menschen dahinter.

Ja, es kommt ein Neuer, eine Neue. So ist es. Und es ist gut, dass Du trotzdem nicht abstumpfst.

Danke für den Text.
 

Schakim

Mitglied
hi, lieber margot!

ich stelle mir vor, wie intensiv dein denken, dein fühlen noch ein mal ist in dem moment, wo du den toten zum letzten mal zur "ruhe" bettest ..., hast du doch immerhin die letzte zeit seines lebens mit ihm zusammmen abgeschritten - vielleicht waren das kleinere schritte, vielleicht auch grössere, aber empfindungen waren mit dabei, eine auseinandersetzung mit dem mensch im letzten lebensabschnitt, ein erfahrungsaustausch oder nur ein aufmuntern, um ihm zwischendurch in der eintönigkeit des alltages, die alte menschen oft haben, ein lächeln auf seine lippen zu zaubern.

sende dir aufmunternde grüsse!
Schakim
 

Inu

Mitglied
Dein Text ist sehr gut gemacht, Ralph. Man spürt auch, trotz der kühl-lässigen Beschreibung das Mitgefühl hinter jeder Zeile. Inzwischen weiß ich ja, dass das Gedicht autobiografische Züge trägt. Du hast die Atmosphäre des Sterbens in solchen Heimen eindringlich herübergebracht.

Viel Kraft wünsch ich Dir noch für Deine Arbeit.

Liebe Grüße
Inu
 
M

margot

Gast
danke für eure hervorragenden kommentare.
das ist ein großes kompliment. ich wünsche euch einen
schönen 1. mai.

gruß
ralph
 
S

Stoffel

Gast
Guten Morgen Margot,

ich weiß ja, was Du so erlebst, das dies ein authentisches Geschehen birgt, das Du auf passende Weise geschildert hast.

Sicher gibt es Kollegen, die nicht mehr weinen können, nicht wahr?

Was mich traurig macht ist, das ein Mensch viele Menschen in seinem Leben um sich hatte und wenn er stirbt, ganz allein ist.

lG
Stoffel
 
S

Stoffel

Gast
He Du!!

hm...
da würd ich Dich ja gerne in den Arm nehmen und kräftig drücken:)

ABER...Du alter Schwerenöter würdest Dich damit bestimmt nicht zufrieden geben...*lach*

Komm..war n Witz..

Ich trink grad n Helles..dann geh ich rauf und horch am Kopfkissen.
Schreib doch mal wieder ne Brasko-Story..die sind fürchterlich klasse! *smile*

Ab-schalten!

lG
Stoffel
 
M

margot

Gast
hast du ein origenelles thema in petto?
brasko feiert muttertag - oder ähnliches?

ralph
 
S

Stoffel

Gast
...feiert Muttertag...

WAAAS??
Brasko ist eine Frau??
Is ja n Ding.

lG
schönen Tag
Stoffel
 



 
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