eine Weihnachtsgeschichte

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Gelöschtes Mitglied 8146

Gast
Nordpol, 20.Dezember, 11 Uhr 43, emsig arbeitete der Weihnachtsmann an seinen Vorbereitungen. „Als nächstes Familie Dellbrück, ein Handy, ein Snowboard und eine teure Kette“, sagte der Elf. “Handy? Telefonieren den jetzt auch schon die Kinder mit Handy?“ Aufgeregt nickte der Elf. Der Weihnachtsmann klebte ein Schild mit dem Namen Tina aufs Handy und eins mit Matze aufs Snowboard. „Die Kette wird von unseren Spionen ins Kaufhaus geschmuggelt“, wies er an und kraulte sich nachdenklich in seinem Bart herum: “Ich hab da so ein Gefühl, da stimmt irgendwas nicht.“

„Wisst Ihr, was der Weihnachtsmann im Sommer macht? Er macht Urlaub in Las Vegas“, sagte die Geschichtenerzählerin im Kaufhaus. Vater Dellbrück konnte da nur den Kopf schütteln. Er glaubte nämlich nicht mehr an den Weihnachtsmann. Seine Kinder hatten große Wünsche, die erfüllt werden sollten, schließlich hatte er seine Familie dieses Jahr sträflich vernachlässigt. Für seine Frau kaufte er eine Schmuckkette. Sie war aus Gold mit einem teuren Stein, und irgendwie blinkte sie ihn magisch an. Dieses Fest sollte etwas ganz besonders werden. Später lernte er noch ein paar Worte auswendig, die diese Kette bei der Geschenkübergabe in Szene setzten sollte. Er übte sie immer wieder vor dem Spiegel, aber es gelang ihm einfach nicht. Er war eben ein schlechter Schauspieler.

Drei Tage vor Weihnachten:
Auch dieses Weihnachten fuhr Familie Dellbrück aufs Land, um Weihnachten bei ihrer verwitweten Großmutter zu feiern. Das war nie ganz einfach, denn Omi Dellbrück war recht streitbar. Die Ärzte sagten, es läge an ihrem hohen Blutdruck. Dieses Jahr war sie jedoch unerwartet ruhig. Walter, so heißt der Weihnachtsmann ungläubige Vater, nutzte den Aufenthalt um Omis Nachbar zu besuchen, der früher einmal sein Jugendfreund gewesen war. Das war ein komischer Kauz. Er galt als ziemlich unzuverlässig, war jedoch sehr schnell für eine Sache zu begeistern, die dann allerdings immer in die Hose ging oder ganz und gar von ihm vergessen wurde. Und genau so eine Sache hatte Walter ausgebrütet. Er überredete ihn, sich als Weihnachtsmann zu verkleiden und am Heiligen Abend durch den offenen Kamin zu steigen, um den Kindern die Geschenke zu bringen. Um das zu gewährleisten, würde Walter eine Leiter in den Kamin hängen. Er ließ auch gleich die Geschenke da. Es waren, lang ersehnt und vielfach geäußert, ein Handy und ein Snowboard.

Zwei Tage vor Weihnachten:
„Wisst Ihr, warum der Weihnachtsmann bei uns abends kommt und in England erst Nachts? Weil so viel Arbeit nicht auf einmal zu bewältigen ist“, sagte Walters Frau beim Weihnachtsgeschichtenvorlesen für die Kinder. So ein Quatsch, dachte Walter, und beinahe hätte er gesagt:„den Weihnachtsmann gibt’s nicht“, doch dann fiel ihm seine Aktion mit dem Nachbar wieder ein, und er zog sich diskret zurück. Er übte noch einmal an seiner Geschenkrede, vielfach feilte er am Text, nahm sie auch auf Band auf, aber irgendwie war es nicht gut. Es klang immer so aufgesetzt.
Wenn die Kinder draußen spielten, wurde es im Haus sehr ruhig. Normalerweise brach jedes Jahr vor Weihnachten mindestens einmal ein Streit aus, aber nicht in diesem Jahr.
Man könnte noch dies oder das erzählen, nur über eine Person gab es nichts zu berichten: über Omi Dellbrüch. Sie saß den ganzen Tag nur in ihrem Sessel, beobachtete und blieb stumm.

Ein Tag vor Weihnachten:
An diesem Tag landete ein Brief im Briefkasten, der sich auf wundersame Weise in Luft auflöste, um zu einem späteren Zeitpunkt wieder zu erscheinen.
Die Weihnachtsvorbereitungen liefen auf Hochtouren, Essen vorbereiten, sauber machen, Raum ausschmücken und immer wieder dieses Eingemische. Dieses Eingemische? Wer mischt sich denn ein? Normalerweise Omi, der Sessel war jedoch leer. In all der Aufregung hatte die Familie nicht bemerkt, dass Omi nicht da war. Die alte Dame blieb an diesem Tag im Bett. Sie war erkrankt. Man brachte ihr Tee und hoffte, dass sie morgen wieder genesen sei.

Heilig Abend:
Der Tag begann nicht gut. Omi war ganz bleich, schluchzte und schnappte nach Luft. Sie konnte kaum atmen. Da rief Walter lieber einen Notarzt. Es dauerte fast zwei Stunden bis dieser endlich eintraf. Er untersuchte die kaum ansprechbare Patientin ausgiebig und verkündigte schließlich eine vernichtende Diagnose: „Ihre Großmutter liegt im Sterben. Ich kann nicht sagen wie lange es dauert, vielleicht drei Tage, vielleicht drei Wochen, aber das Ende hat begonnen. Ich rufe einen Krankenwagen; sie wird direkt ins Krankenhaus eingeliefert.“
Sollte man das Weihnachtsfest jetzt ausfallen lassen, nach all diesen Vorbereitungen? Nein, Weihnachten musste statt finden, um jeden Preis. So klingelte am späten Nachmittag ein Glöckchen, und die Dellbrücks setzten sich geordnet an den Tisch. In den Jahren zuvor stritten sie sich um die Plätze, von denen man gut auf den Weihnachtsbaum blicken konnte. Walter war da auch mit von der Partie, was seine Frau immer sehr kindisch fand. Sie saß wie immer mit dem Rücken zum Baum. Der Platz gegenüber, der eigentlich der beste war, blieb dieses Jahr leer. Zuerst herrschte eine unerträgliche Stille. Die Kinder mochten keinen Fisch. Weihnachtskarpfen, letztes Jahr spielten sie mit dem Essen herum, das taten sie heute nicht. Doch die Stimmung änderte sich. Der Weihnachtsbaum fing magisch an zu Leuchten; eigentlich leuchtete er nicht anders als zuvor, doch nun verspürte man auf einmal den Geruch von Tannenzweigen, das Flackern der Lichter und die Spannung der Kinder, die erwartungsvoll auf Geschenke hofften. Die Gelegenheit war günstig für Walter. In seiner Hand hielt er die im Kerzenlicht glitzernde Kette, schaute seiner Frau in die Augen und sagte einige Worte, die so bezaubernd waren, dass selbst ein Engel es nicht besser hätte sagen können. Mein Gott, ist ihm das gut gelungen, dachte er, nach all diesen missglückten Proben diese Ansprache, wie aus einem Liebesfilm. Sie schaute ihn verzaubert an, aber dann kippte die Stimmung, und die ganze unterdrückte Trauer brach auf einmal heraus. Sie fing an zu weinen, und die Kinder waren die Zuschauer dieses Spektakels. Minutenlang versank die Familie in Trauer, bis sie von eigenartigen Geräuschen gestört wurden. Es knirschte und knarrte auf einmal am Dach. Das Knirschen und Knarren bewegte sich Richtung Kamin. Dann gab es ein Knacken, so als ob etwas kaputt gegangen wäre, und mit einem Donnerschlag fiel etwas sehr schweres den Kaminschacht herunter und verursachte eine Rußwolke, die das ganze Haus verschmutzte. Es war ein Weihnachtsmann. Er trat hervor und hinterließ schwarze Fußabdrücke auf dem Teppich. „Hoh, hoh, hoh, draußen vom Walde komm ich her, und ich muss Euch sagen, es weihnachtet sehr. Tina, für Dich dieses Geschenk, es sieht aus als wäre es ein Handy. Matze, hier, das hast Du Dir doch gewünscht, ein Snowboard.“ Doch Tina und Matze gaben die Geschenke zurück und sagten, dass sie lieber Oma wiederhaben wollten.

Eine Stunde später:
Die Familie fuhr ins Krankenhaus. Hierbei konnten sie in einige fremde Fenster blicken, in denen andere Leute Weihnachten feierten. Ein Hauch von Seeligkeit strahlte aus diesen Fenstern, und durch ein Fenster sah man sogar einen Weihnachtsmann, der eigenartigerweise genau so aussah wie der, der bei ihnen gewesen war. Im Krankenhaus wurde ihnen jedoch der Zugang zu Omi Dellbrück verweigert, jede Aufregung müsse vermieden werden. Da protestierte Walter schon energisch und wies wütend auf die Endgültigkeit dieser schweren Stunde hin. Sich der Situation annehmend blätterte der Bereitschaftsarzt die Krankenakte durch und fing an sie zu kommentieren:
„Aha, aha, aha,..., also heute morgen hatten wir einen Engpass. Da haben wir einen Doktor aus der Nachbargemeinde angefordert, es war Dr. ..., Dr. ...; das war ja nur ein Sanitäter! Also Herr..., Herr.., so eine Schlamperei, das war ja nur ein Zivildienstleistender! Zu Glück hat er genau das Richtige gemacht, sofort ins Krankenhaus. Sie hat nämlich eine schwere Lungenentzündung, aber in zwei Wochen wird sie wieder die Alte sein. Ich kann Sie nicht..., in Gottes Namen, gehen Sie zur ihr rein!“
„Frohe Weihnachten, Omi“, sagte Walter und drückte ihr die Hand. Sie drückten sie und umarmten sie, und es war jetzt das Größte auf Erden, Omi frohe Weihnachten zu wünschen. „Frohe Weihachten, Omi“, „Frohe Weihnachten, Tina“, „Frohe Weihnachten, Omi“, „Frohe Weihnachten, Matze“, „Frohe Weihnachten ,Omi“, „Frohe Weihnachten, meine liebe Schwiegertochter.“ Dann fingen sie aufgeregt an durcheinander zu reden. Sie erzählten von dem stillen Essen, von der goldenen Kette, vom Weihnachtsmann aus dem Kamin, doch Omi sank erschöpft in ihre Kissen und döste weg. Leise schlichen sie sich heraus, wobei ein flüsterndes „Gute Nacht Omi“ sich mehrfach wiederholte.

Mitternacht:
Walter entdeckte einen Brief, der auf wundersame Weise übersehen wurde und jetzt im Briefkasten lag. Er öffnete ihn, es war eine Grüßkarte vom Nachbarn:
Ihr Lieben,
ich hab auf der Weihnachtsfeier einen Reisegutschein gewonnen. Da bin ich direkt ins Reisebüro gerannt, Last Minute, Weihnachten unter Palmen. Euch allen Feliz Navidad.

Wie konnte er das so schnell schaffen, es hat doch alles zu, dachte Walter. Er schaute sich den Umschlag an, eine Briefmarke aus Spanien, unabgestempelt. Dann ging er zum Fenster und starrte in den Himmel. Was er da sah versetzte ihn in Erstaunen. Am Himmel fuhr ein großer prachtvoller Schlitten, der von Rentieren gezogen wurde. Auf ihm saß der Weihnachtsmann, der sich mit seinem Gefährt immer weiter entfernte. Schließlich wurde der Schlitten in der Ferne so klein, dass er sich von dem Leuchten eines Sternes nicht mehr unterschied. Anscheinend hatte der Bärtige sein Werk vollbracht, alle Geschenke waren verteilt. Nur zwei Geschenke hatte er behalten. Neben seinem Sitz lag ein Handy und ein Snowboard. Die Geschenke waren etwas mit Ruß besudelt.
 
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Gelöschtes Mitglied 8146

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Nordpol, 20.Dezember, 11 Uhr 43, emsig arbeitete der Weihnachtsmann an seinen Vorbereitungen. „Als nächstes Familie Dellbrück, ein Handy, ein Snowboard und eine teure Kette“, sagte der Elf. “Handy? Telefonieren den jetzt auch schon die Kinder mit Handy?“ Aufgeregt nickte der Elf. Der Weihnachtsmann klebte ein Schild mit dem Namen Tina aufs Handy und eins mit Matze aufs Snowboard. „Die Kette wird von unseren Spionen ins Kaufhaus geschmuggelt“, wies er an und kraulte sich nachdenklich in seinem Bart herum: “Ich hab da so ein Gefühl, da stimmt irgendwas nicht.“

„Wisst Ihr, was der Weihnachtsmann im Sommer macht? Er macht Urlaub in Las Vegas“, sagte die Geschichtenerzählerin im Kaufhaus. Vater Dellbrück konnte da nur den Kopf schütteln. Er glaubte nämlich nicht mehr an den Weihnachtsmann. Seine Kinder hatten große Wünsche, die erfüllt werden sollten, schließlich hatte er seine Familie dieses Jahr sträflich vernachlässigt. Für seine Frau kaufte er eine Schmuckkette. Sie war aus Gold mit einem teuren Stein, und irgendwie blinkte sie ihn magisch an. Dieses Fest sollte etwas ganz besonders werden. Später lernte er noch ein paar Worte auswendig, die diese Kette bei der Geschenkübergabe in Szene setzten sollte. Er übte sie immer wieder vor dem Spiegel, aber es gelang ihm einfach nicht. Er war eben ein schlechter Schauspieler.

Drei Tage vor Weihnachten:
Auch dieses Weihnachten fuhr Familie Dellbrück aufs Land, um Weihnachten bei ihrer verwitweten Großmutter zu feiern. Das war nie ganz einfach, denn Omi Dellbrück war recht streitbar. Die Ärzte sagten, es läge an ihrem hohen Blutdruck. Dieses Jahr war sie jedoch unerwartet ruhig. Walter, so heißt der Weihnachtsmann ungläubige Vater, nutzte den Aufenthalt um Omis Nachbar zu besuchen, der früher einmal sein Jugendfreund gewesen war. Das war ein komischer Kauz. Er galt als ziemlich unzuverlässig, war jedoch sehr schnell für eine Sache zu begeistern, die dann allerdings immer in die Hose ging oder ganz und gar von ihm vergessen wurde. Und genau so eine Sache hatte Walter ausgebrütet. Er überredete ihn, sich als Weihnachtsmann zu verkleiden und am Heiligen Abend durch den offenen Kamin zu steigen, um den Kindern die Geschenke zu bringen. Um das zu gewährleisten, würde Walter eine Leiter in den Kamin hängen. Er ließ auch gleich die Geschenke da. Es waren, lang ersehnt und vielfach geäußert, ein Handy und ein Snowboard.

Zwei Tage vor Weihnachten:
„Wisst Ihr, warum der Weihnachtsmann bei uns abends kommt und in England erst Nachts? Weil so viel Arbeit nicht auf einmal zu bewältigen ist“, sagte Walters Frau beim Weihnachtsgeschichtenvorlesen für die Kinder. So ein Quatsch, dachte Walter, und beinahe hätte er gesagt:„den Weihnachtsmann gibt’s nicht“, doch dann fiel ihm seine Aktion mit dem Nachbar wieder ein, und er zog sich diskret zurück. Er übte noch einmal an seiner Geschenkrede, vielfach feilte er am Text, nahm sie auch auf Band auf, aber irgendwie war es nicht gut. Es klang immer so aufgesetzt.
Wenn die Kinder draußen spielten, wurde es im Haus sehr ruhig. Normalerweise brach jedes Jahr vor Weihnachten mindestens einmal ein Streit aus, aber nicht in diesem Jahr.
Man könnte noch dies oder das erzählen, nur über eine Person gab es nichts zu berichten: über Omi Dellbrüch. Sie saß den ganzen Tag nur in ihrem Sessel, beobachtete und blieb stumm.

Ein Tag vor Weihnachten:
An diesem Tag landete ein Brief im Briefkasten, der sich auf wundersame Weise in Luft auflöste, um zu einem späteren Zeitpunkt wieder zu erscheinen.
Die Weihnachtsvorbereitungen liefen auf Hochtouren, Essen vorbereiten, sauber machen, Raum ausschmücken und immer wieder dieses Eingemische. Dieses Eingemische? Wer mischt sich denn ein? Normalerweise Omi, der Sessel war jedoch leer. In all der Aufregung hatte die Familie nicht bemerkt, dass Omi nicht da war. Die alte Dame blieb an diesem Tag im Bett. Sie war erkrankt. Man brachte ihr Tee und hoffte, dass sie morgen wieder genesen sei.

Heilig Abend:
Der Tag begann nicht gut. Omi war ganz bleich, schluchzte und schnappte nach Luft. Sie konnte kaum atmen. Da rief Walter lieber einen Notarzt. Es dauerte fast zwei Stunden bis dieser endlich eintraf. Er untersuchte die kaum ansprechbare Patientin ausgiebig und verkündigte schließlich eine vernichtende Diagnose: „Ihre Großmutter liegt im Sterben. Ich kann nicht sagen wie lange es dauert, vielleicht drei Tage, vielleicht drei Wochen, aber das Ende hat begonnen. Ich rufe einen Krankenwagen; sie wird direkt ins Krankenhaus eingeliefert.“
Sollte man das Weihnachtsfest jetzt ausfallen lassen, nach all diesen Vorbereitungen? Nein, Weihnachten musste statt finden, um jeden Preis. So klingelte am späten Nachmittag ein Glöckchen, und die Dellbrücks setzten sich geordnet an den Tisch. In den Jahren zuvor stritten sie sich um die Plätze, von denen man gut auf den Weihnachtsbaum blicken konnte. Walter war da auch mit von der Partie, was seine Frau immer sehr kindisch fand. Sie saß wie immer mit dem Rücken zum Baum. Der Platz gegenüber, der eigentlich der beste war, blieb dieses Jahr leer. Zuerst herrschte eine unerträgliche Stille. Die Kinder mochten keinen Fisch. Weihnachtskarpfen, letztes Jahr spielten sie mit dem Essen herum, das taten sie heute nicht. Doch die Stimmung änderte sich. Der Weihnachtsbaum fing magisch an zu leuchten; eigentlich leuchtete er nicht anders als zuvor, doch nun verspürte man auf einmal den Geruch von Tannenzweigen, das Flackern der Lichter und die Spannung der Kinder, die erwartungsvoll auf Geschenke hofften. Die Gelegenheit war günstig für Walter. In seiner Hand hielt er die im Kerzenlicht glitzernde Kette, schaute seiner Frau in die Augen und sagte einige Worte, die so bezaubernd waren, dass selbst ein Engel es nicht besser hätte sagen können. Mein Gott, ist ihm das gut gelungen, dachte er, nach all diesen missglückten Proben diese Ansprache, wie aus einem Liebesfilm. Sie schaute ihn verzaubert an, aber dann kippte die Stimmung, und die ganze unterdrückte Trauer brach auf einmal heraus. Sie fing an zu weinen, und die Kinder waren die Zuschauer dieses Spektakels. Minutenlang versank die Familie in Trauer, bis sie von eigenartigen Geräuschen gestört wurden. Es knirschte und knarrte auf einmal am Dach. Das Knirschen und Knarren bewegte sich Richtung Kamin. Dann gab es ein Knacken, so als ob etwas kaputt gegangen wäre, und mit einem Donnerschlag fiel etwas sehr schweres den Kaminschacht herunter und verursachte eine Rußwolke, die das ganze Haus verschmutzte. Es war ein Weihnachtsmann. Er trat hervor und hinterließ schwarze Fußabdrücke auf dem Teppich. „Hoh, hoh, hoh, draußen vom Walde komm ich her, und ich muss Euch sagen, es weihnachtet sehr. Tina, für Dich dieses Geschenk, es sieht aus als wäre es ein Handy. Matze, hier, das hast Du Dir doch gewünscht, ein Snowboard.“ Doch Tina und Matze gaben die Geschenke zurück und sagten, dass sie lieber Oma wiederhaben wollten.

Eine Stunde später:
Die Familie fuhr ins Krankenhaus. Hierbei konnten sie in einige fremde Fenster blicken, in denen andere Leute Weihnachten feierten. Ein Hauch von Seeligkeit strahlte aus diesen Fenstern, und durch ein Fenster sah man sogar einen Weihnachtsmann, der eigenartigerweise genau so aussah wie der, der bei ihnen gewesen war. Im Krankenhaus wurde ihnen jedoch der Zugang zu Omi Dellbrück verweigert, jede Aufregung müsse vermieden werden. Da protestierte Walter schon energisch und wies wütend auf die Endgültigkeit dieser schweren Stunde hin. Sich der Situation annehmend blätterte der Bereitschaftsarzt die Krankenakte durch und fing an sie zu kommentieren:
„Aha, aha, aha,..., also heute morgen hatten wir einen Engpass. Da haben wir einen Doktor aus der Nachbargemeinde angefordert, es war Dr. ..., Dr. ...; das war ja nur ein Sanitäter! Also Herr..., Herr.., so eine Schlamperei, das war ja nur ein Zivildienstleistender! Zu Glück hat er genau das Richtige gemacht, sofort ins Krankenhaus. Sie hat nämlich eine schwere Lungenentzündung, aber in zwei Wochen wird sie wieder die Alte sein. Ich kann Sie nicht..., in Gottes Namen, gehen Sie zur ihr rein!“
„Frohe Weihnachten, Omi“, sagte Walter und drückte ihr die Hand. Sie drückten sie und umarmten sie, und es war jetzt das Größte auf Erden, Omi frohe Weihnachten zu wünschen. „Frohe Weihachten, Omi“, „Frohe Weihnachten, Tina“, „Frohe Weihnachten, Omi“, „Frohe Weihnachten, Matze“, „Frohe Weihnachten ,Omi“, „Frohe Weihnachten, meine liebe Schwiegertochter.“ Dann fingen sie aufgeregt an durcheinander zu reden. Sie erzählten von dem stillen Essen, von der goldenen Kette, vom Weihnachtsmann aus dem Kamin, doch Omi sank erschöpft in ihre Kissen und döste weg. Leise schlichen sie sich heraus, wobei ein flüsterndes „Gute Nacht Omi“ sich mehrfach wiederholte.

Mitternacht:
Walter entdeckte einen Brief, der auf wundersame Weise übersehen wurde und jetzt im Briefkasten lag. Er öffnete ihn, es war eine Grüßkarte vom Nachbarn:
Ihr Lieben,
ich hab auf der Weihnachtsfeier einen Reisegutschein gewonnen. Da bin ich direkt ins Reisebüro gerannt, Last Minute, Weihnachten unter Palmen. Euch allen Feliz Navidad.

Wie konnte er das so schnell schaffen, es hat doch alles zu, dachte Walter. Er schaute sich den Umschlag an, eine Briefmarke aus Spanien, unabgestempelt. Dann ging er zum Fenster und starrte in den Himmel. Was er da sah versetzte ihn in Erstaunen. Am Himmel fuhr ein großer prachtvoller Schlitten, der von Rentieren gezogen wurde. Auf ihm saß der Weihnachtsmann, der sich mit seinem Gefährt immer weiter entfernte. Schließlich wurde der Schlitten in der Ferne so klein, dass er sich von dem Leuchten eines Sternes nicht mehr unterschied. Anscheinend hatte der Bärtige sein Werk vollbracht, alle Geschenke waren verteilt. Nur zwei Geschenke hatte er behalten. Neben seinem Sitz lag ein Handy und ein Snowboard. Die Geschenke waren etwas mit Ruß besudelt.
 



 
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