flussgrenzfluss

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noch hängen plastiktüten werbend im ufergebüsch
schon mischen gedankenfluten grenzfluss und meer
blicke zerren auf grünblau bewegte spiegel
in gischt und wellentälern verschwimmen
todsicher tatsachen und abschiedsszenen
zwischen himmel und wasser verschweben
schieben eine gedachte insel ins gegenlicht
das sehnen lässt suchend segel setzen
möven stimmen kreischend shanties an
weiße fähren setzen tagträume über
und passagiere schmuggeln wünsche

ich sitze auf dem bootssteg
lasse die beine baumeln und erreiche
mit den zehen nicht einmal das wasser
 
H

Heidrun D.

Gast
Das Gedicht spiegelt auf faszinierende Weise das Auf-Und-Ab deines Gedankenflusses wieder: nackte Tatsachen, unverhohlene Sehnsucht, Tagträume. -

Besonders gefallen mir die kreischenden Shanties der Möwen; das ist ein Wahnsinnsbild!

Ebenso mundet der melancholische Schluss, der den deutlichen Wunsch nach Realisierung / Befreiung aus Fesseln zeigt: der Weg ist noch weit, doch das Ziel in Sicht. :)

Sehr gelungen
Heidrun
 

Vera-Lena

Mitglied
Lieber Karl,

da ist dem Lyri eine Grenze gesetzt, die andere nicht haben. Andere können all die Aktivitäten entfalten, die Du beschreibst, ein ganzes lebendiges Leben mit Zielen Bewegungen, Wünschen, Träumen und Erlebnissen.

Dem Lyri scheint das verwehrt zu sein.

Mir gefällt Deine kompakte Beschreibung, all dessen, was die anderen haben, definiert durch den Fluss mit dessen Hilfe alles möglich ist.

Sehr schön abgesetzt davon dann die letzeten drei Zeilen,welche die eingeschränkten Möglichkeiten des Lyri andeuten. Der Anfang des Textes zielt darauf ab, dass auch das Lyri doch an all dem noch teilhaben könnte, wenn es nur wollte "Plastiktüten werbend am Ufergebüsch".

Du hast eine Situation entworfen, die Deine Aussage ohne alle Schnörkel glasklar transportiert. Auch ich finde diesen Text sehr gelungen.

Liebe Grüße
Vera-Lena
 
Liebe Heidrun,
über dein Lob freue ich mich besonders, da du mich kürzlich (zu recht) kritisiert hast. Wie du (inhaltlich) an meinem Gedicht siehst, brauche ich für große Schritte doch eher mehrere kleine.
Aber ich bleibe dran.
Danke und herzliche Grüße
Karl
 
Liebe Vera-Lena,
danke für deine ausführliche Reaktion. Deiner Interpretation stimme ich gern zu. Sie hat meine Absicht, die ich mit dem Text verfolgte, sogar noch erweitert.
Und selbstverständlich hat mich dein Lob sehr gefreut.
Herzliche Grüße
Karl
 

revilo

Mitglied
Hallo Karl, gelungen, wirklich gelungen. Wieso sind wir nie zufrieden? Wir sitzen am Meer und möchten Segel setzen? Sind wir nicht bescheuert? Wahrscheinlich war dies nicht die Quelle Deiner Zeilen. Aber ich lese dies als sehr persönliche Botschaft heraus. Gelungen, good old Karl, wirklich gelungen! Feldkamp, wie er leibt und lebt........Es grüßen Freddy Quinn und revilo. Warum muß ich jetzt an dieses bescheuerte Lied :
" Junge , komm bald wieder " denken???? Ich brauche Urlaub! Ich will endlich in meine geliebten Berge und Segel setzen.........
 

MarenS

Mitglied
Für mich hat Vera-Lena den Nagel auf den Kopf getroffem. Ihrer Ausführung habe ich nur hinzuzufügen, dass das Lyrich sich im letzten Dreizeiler wie ein Dreikäsehoch vorkommt: zu klein um all das zu erleben, wovon es träumt.

Grüße von Maren
 

Mara Krovecs

Mitglied
Kein Seemannsgarn

Ich kann all den anderen nur zustimmen, Dein Gedicht entwirft eine ganz eigene Stimmung, Deine Sätze kommen mir vor wie wogende Wellen, kaum ist die eine verschwappt, rauscht schon die nächste auf, Gedanken -und Gefühlsberge und Täler, der Abschied soll mit den Wellen verplatschen, oder ist noch ein Platz auf der Fähre frei?

Doch die fährt auf den Wellen fort und das Lyri hat immer noch trockene Füsse ... plötzlich steht das bewegte Bild
die Träume sind auf und davon gefahren - für Erste?

Lieber Karl es hat mir richtig Freude gemacht dieses tolle Bild zu verfolgen und hinein zu tauchen.


Alles Liebe aus dem Norden

mara
 
Hallo revilo,
danke für dein wortreiches Lob.
Für das Lyr-Ich bedeutet das Meer vor allem Freiheit, sich hinterm Horizont neuen Taten zuzuwenden. Freiheit ist daher auch immer ein Wagnis. Immerhin kann man auf dem Meer auch in Seenot geraten und untergehen.
Schönen Urlaub. Und gerate nicht in Bergnot...
Gruß
Karl
 
Hallo Mara,
woher kommen deine Grüße aus dem Norden? Ich bin in Lübeck geboren. Daher interessiert es mich.
Deine Interpretation trifft genau meine Absichten.
Danke für die ausführliche Reaktion und herzliche Grüße
aus dem Bergischen Land. Ich möchte übrigens im Laufe des nächsten Jahres wieder nach Norddeutschland ziehen. Ich brauche das Meer....!
Karl
 

Mara Krovecs

Mitglied
Ich bin auch gebürtige Lübeckerin :) wohne aber inzwischen in Ratzeburg.
Deine Liebe zum Wasser/Meer kommt auch in deinem Gedicht wunderbar rüber, wie Du z.B. das Spiel der Wellen beschreibst ist sehr bildhaft und lebendig.

Alles Liebe

Mara
 
Liebe Mara,
die Inselstadt Ratzeburg kenne ich selbstverständlich auch gut.
Früher (vor gut 50 Jahren) habe ich oft am Ansveruskreuz oberhalb von Einhaus mit Jugendgruppen gezeltet. Und von dort gehörten selbstverständlich immer Ausflüge nach Ratzeburg zum Programm. Außerdem gehörte der Besuch des Ratzeburger Doms zu d e n Exkursionen des Geschichtsunterrichts an der Lübecker Oberschule zum Dom.
Und die Ostsee war im Sommer meine Badewanne...
Herzliche Grüße
Karl
 

Perry

Mitglied
Hallo Karl,
das ist ein Gedicht wie ich es liebe.
Ein wenig lakonisch (Plastiktüten), ein paar Alliterationen, ein bisschen Kantiges (zerren, todsicher), gewürzt mit skurilem Humor (kreischen Shanties) sowie leichtem Worttiefgang (setzen Tagträume über, schmuggeln Wünsche) und zum Schluss die Rückkehr ins Reale.
Da setze ich mich gern neben dich und versuche mit den Zehen das Wasser zu erreichen.
LG
Manfred
 
Lieber Manfred,
danke für dein großes Lob. Wenn ich mich richtig erinnere, bist du doch auch ein Meeresfanatiker. Vielleicht sitzen wir wirklich einmal nebeneinander und lassen die Füße ins Meer baumeln.
Herzliche Grüße
Karl
 

Franke

Foren-Redakteur
Teammitglied
Allen, die der Meinung sind, ein ungereimtes Gedicht könne nicht klingen, denen sei folgender Vers empfohlen:

das sehnen lässt suchend segel setzen
Sprachlich ganz große Klasse insgesamt!

Liebe Grüße
Manfred
 
Hallo Mara,
da ich im Laufe der nächsten beiden Jahre wieder nach Norddeutschland zurückziehen möchte, würde ich gern Kontakt zu dir halten...
Herzliche Grüße
Karl
 

Mara Krovecs

Mitglied
Hallo lieber Karl,

wenn Du schon eine Weile im Süden wohnst,kennst Du da schon die Erweiterung der Ostseeküste um den Ostteil? ( Boltenhagen, Klütz, Schwanensee, usw.) Im Augenblick gibt es da noch so wunderschöne, oft naturbelassene Strandabschnitte ... neben den üblichen Stränden, die Du ja noch kennst und auf die Du Dich als "Rückkehrer" sicher freust.

So, dann kennst Du also unser verschlafenes Ratzeburg,den Dom mit dem goldenen Hirschen darin ... gab es damals schon das leckere Eis von Pelz?

Mehr schreib ich hier jetzt nicht dazu, sonst landet Dein schönes Gedicht noch in einer Plauderecke hier in der LL.

Wenn Du Fragen hast, frag nur, wenn ich kann antworte ich gerne.

Alles Liebe aus den Ratzeburger Seen.

Mara
 



 
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