spie(ge)lerei

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noel

Mitglied
tiefton taumel lauschte
ich, sprach zu mir
als gäb es dich
tief_tief drunten nur
verborgen, eingeordnet unter
sorgen, wollt' beworten
dir die stirn, sollt befreien
tobend hirn, wollte
treiben zu den enden
lass es dennOCH itz
bewenden, denn die zähne
zänkisch knirschen, tönen
vom gemüt dem wirschen,

& nur splitter aus der rippe stechen,
mir ins auge ohne frei zu sprechen.

wirklichkeit wollt ich
dir brechen, wahrhaft dich
zu neuen flächen,

führen die du - nur du dimensionierst

wollte dieses knirschen
hören, dich dein eigen
ich beschwören, wollte bruch
wo schon gebrochen
hatte nicht den faul
gerochen, der der angst
ganz frei entsponnen &
dich knebelt & dich nebelt
wie ein guter tropfen wein,
denn du trinkst verhärmt allein
einzig fragen sind
geblieben:

wessen zeit misst dir die weite
wessen raum setzt dir die form,
spricht von wahrheit, singt
von traum, gibt unendlich,
passt die norm?
 

Walther

Mitglied
Lieber noel,

ein gewagter Versuch, Dein Reimwerk. Vieles ist wirklich reizvoll von den Bildern her, mancher Sprachbogen gut gelungen.

Dann aber: die Versformen wechseln wie die Windrichtung und sind dann nicht in sich stimmig. Lies einfach mal laut:

& nur splitter aus der rippe stechen,
mir ins auge ohne frei zu sprechen.


Das paßt einfach nicht mit dem Metrum. Ebenso die vorletzte Strophe:

wollte dieses knirschen
matten hören, dich dein eigen
ich beschwören, wollte bruch
wo schon gebrochen
hatte nicht den faul
ig ton gerochen, der der angst
ganz frei entsponnen &
dich knebelt & dich nebelt
wie ein guter tropfen wein,
denn du trinkst verhärmt allein
einzig fragen sind
geblieben:


Da holterdipolterts, daß es fast schon wieder ein Lust ist. Insbesondere:

wollte bruch
wo schon gebrochen
hatte nicht den faul
ig ton gerochen,


Ich will Dir gewiß nicht vorschreiben, wie Du dichten sollst. Aber es gibt eine Grundregel: Entweder freier Rhythmus ohne Form oder Form, die in sich paßt. Wechselspiele sollten nur diejenigen einsetzen, die die Versmaße wirklich souverän meistern. Ich tu das gerade deshalb nicht, weil ich sie nicht souverän beherrsche.

Zum Schluß nochmal: Da stecken einige wirklich schöne Formulierung drin, daher auch mein längerer Kommentar. Es wäre schade, wenn Du an dem Text nicht weiter arbeiten würdest, weil er das gewisse Etwas für einen überdurchschnittlichen Lyrikversuch hat. Wie gesagt: Ich bin nicht der Dichter, sondern nur ein kleiner Leser, der Dir jetzt frohes Weiterschreiben wünscht. Mehr nicht. ;)

Liebe Grüße

W.
 
S

Sandra

Gast
Nicht leicht zu lesen der Text. Wieder einmal zum Kauen und nicht einfach nur zum Hinunterschlucken. Walter hat m.E. Recht, es holpert an genannten Stellen. Dazu zwingst du fast den Leser noch einmal zu lesen, was grundsätzlich ja kein Fehler ist. Aber immer wenn man denkt, einen gewissen Rythmus gefunden zu haben, haut´s einen wieder raus. Ich lese dich nun öfter und glaube ganz sicher, dass dir die Holpersteine aufgefallen sind und überlege, ob du sie willentlich gesetzt hast. Deine gewöhnungsbedürftigen Zeilenumbrüche arbeiten gegen den Reim, dass heißt, man muss den Text laut lesen. Tut man dies, hört man jedoch schnell eine Silbe zu viel heraus:

tiefton taumel lauschte
ich, sprach zu mir
als gäb es dich
tief_tief drunten nur
verborgen, eingeordnet unter
sorgen, [strike]wollte[/strike] [blue]wollt'[/blue] beworten
dir die stirn, sollt befreien
tobend hirn, wollte
treiben zu den enden
lass es dennOCH itz
bewenden, denn die zähne
zänkisch knirschen, tönen
vom gemüt dem wirschen,
der folgende Rhythmuswechsel ist beabsichtigt und ich nehme ihn gerne hin.

& nur splitter aus der rippe stechen,
mir ins auge ohne frei zu sprechen.
Hier gehst du wieder in die alte Klangfolge:

wirklichkeit wollt ich
dir brechen, wahrhaft dich
zu neuen flächen,
Wieder ein Wechsel, auch der ist vertretbar:

führen die du - nur du dimensionierst
Jetzt kommt der Absatz, den auch Walter angesprochen hat und da holpert es auch in meinen Ohren:

wollte dieses knirschen
[strike]matten [/strike]hören, dich dein eigen
ich beschwören, wollte bruch
wo schon gebrochen
hatte nicht den faul
[strike]ig ton [/strike]gerochen, der der angst
ganz frei entsponnen &
dich knebelt & dich nebelt
wie ein guter tropfen wein,
denn du trinkst verhärmt allein
einzig fragen sind
geblieben:



wessen zeit misst dir die weite
[strike]in den raum [/strike]wessen raum setzt dir die norm,
Diese beiden Zeilen habe ich mir aufs Butterbrot geschmiert und kräftig abgebissen. Lecker! Die drei Wörter tun dem Klang nicht gut und man kann m.M. nach auch auf sie verzichten.


Alles in allem finde ich dein Gedicht dennoch sehr, sehr lesenswert und aussagestark.



bonanza deine gedichte machen richtig mühe.
zu viel mühe für mich.

bon.
Manchmal sollte man den Kopf von der Tastatur hoch bekommen und sich die Mühe machen. Leicht Verdauliches oder Fast-Food ist oft nur auf den ersten Eindruck reizvoll.


LG
Sandra
 

noel

Mitglied
lieber w. liebe sandra, danke für die konstruktive kritik.

genau an den stellen an denen sandra werkelt, lasse ich mich gern belehren, weil der sinn zwar etwas geborchen wird
(ala knirschen hören & knirschen matten hören) aber es dem fluss wohl mehr ziemt...

die anderen rhythibrüche sind absicht

danke

noel
 

Vera-Lena

Mitglied
Liebe noel,

zur letzten Strophe möchte ich gerne etwas anmerken:

Wessen Zeit misst dir die Weite,
wessen Raum setzt dir die Form

ich denke, so müsste es heißen. Dass Weite und Form dann gemeinsam eine Norm ergeben können, wenn jemand das so möchte, schlussfolgerst Du ja dann im letzten Vers.

Solche Hilfen geben, dass jemand aufwachen kann und sich fragen kann:"Wer bin ich?" darum geht es für mich in Deinem Text.

Liebe Grüße von Vera-Lena
 



 
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