verliererskizzen 2

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Salat mit Schinken

Als Paul noch ein Kind war, musste er immer mit seinem Opa in den Stall gehen. Dort wurden Kaninchen getötet und ihres Felles beraubt. Opa war immer sehr stolz auf die schönen, warmen Felle, die in seiner Wohnung dann sogar, wenn das Fell ausgesprochen schön war, die Wände zieren durften. Oma machte dann immer leckeren Braten, worauf sich die ganze Familie freute, die keinen Pfifferling darauf gab, zu erfahren unter welchen Zuständen der Angst das leckere Fleisch zu ihnen auf den Tisch gekommen war. Auch Paul aß immer fleißig mit. Opa wäre sonst auch sehr beleidigt gewesen. Zwei Tage nach Pauls 17. Geburtstag starb der Opa. Noch während der Trauerfeier beschloss Paul, von nun an kein Fleisch mehr essen zu wollen, auch wenn es ihm immer besonders gut geschmeckt hatte. Seine Eltern konnten ihn nicht verstehen. Seine Mutter sagte immerzu: »Du brauchst das Fleisch, mein Junge. Es macht dich kräftig und die darin enthaltenen Proteine sind ganz wichtig für deine Gesundheit!«
Pauls Vater holte noch weiter aus: »Junge, wenn du kein Fleisch mehr isst, dann wirst du bald auf dem Fußballplatz keine Kraft mehr haben, eine anständige Leistung abgeben zu können: Immer nur Gemüse, Salat und Obst. Das geht nicht. So wirst du nichts.«
Doch Paul ignorierte die Anweisungen seiner Erziehungsberechtigten hartnäckig und nahm es in Kauf, dass sie sich seinetwegen große Sorgen machten. Bei Grillfesten wurde Paul verlacht, wenn seine alkoholisierten Freunde sich einen Spaß daraus machten, ihm anstelle der Tofuwurst eine richtige Bratwurst auf den Teller zu legen. Paul fand solche Scherze gar nicht witzig und entledigte sich langsam aber sicher seines Freundeskreises, um sich gleich gesinnten, weniger oberflächlichen Menschen anzunähern, die, genauso wie er, keinen Sinn darin erkannten, Fleisch toter Tiere zu sich zu nehmen. Paul und seine neuen Freunde praktizierten geistreiche Konversation, trieben viel Sport und schauten schlaue Filme, in denen der Dialog stets die Action überstieg. Im Studium gründete Paul die Gruppe »Vegetarischer Gedankenaustausch« und erfreute sich als ihr Begründer eines regen Zulaufs. Hier lernte er Magdalene kennen. Sie hatte durch die Erwähnung ihres großen Traums, mal einen Zoo stürmen und alle Tiere daraus befreien zu wollen, Pauls Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Sicher, diese Idee entbehrte nicht einer gewissen Naivität, und doch war Paul von Magdalenes Unbekümmertheit und ihrem glaubhaften ideellen Willen irgendwie gerührt. Paul und Magdalene lernten sich kennen und bald auch lieben. Magdalene war von schöner, aber doch sehr dünner Gestalt. Ihre Knochen waren benetzt von weißer Haut und ihre Brüste schlaffen Hautsäcken gleich. Paul war das egal. Er liebte seine Magdalene, traf sie, wann immer er Zeit hatte und liebte es, mit ihr zu schlafen. Anfangs zumindest. Im Laufe ihrer Beziehung wich der sexuelle Trieb zunehmend einer wachsenden Unlust. Magdalene beschwerte sich lauthals und ausdauernd darüber, dass Paul sie nicht mehr begehre und liebe und dass er sie wohl nicht mehr attraktiv finden würde. Paul musste sich selbst und ihr eingestehen, dass sie mit dieser Einschätzung wohl Recht hatte. So endete die Beziehung in großer Traurigkeit ein Jahr, nachdem sie begonnen hatte. Es folgte eine Zeit, in der Paul sich viele Gedanken darüber machte, warum er denn Magdalene nicht mehr begehrte, warum er sie nicht mehr lieben konnte. Sie war doch so eine tolle Frau gewesen. Paul machte sich Vorwürfe und konnte die Antworten auf die ihn quälenden Fragen nicht finden.
Eines Abends schlief Paul auf dem Sofa vor dem Fernseher ein. Als er inmitten der Nacht erwachte, sah er, wie auf dem Bildschirm ein massiger Koch einen schmackhaft anmutenden Schweinebraten zurechtmachte. Entsetzt suchte Paul in der Dunkelheit nach der Fernbedienung. Und obwohl er sie rasch finden konnte, schaffte er es nicht, umzuschalten. Paul hielt inne, starrte gebannt auf den Bildschirm und registrierte voller Entsetzen, wie sich in seinem Mund der Geschmack von Fleisch ausbreitete. Paul fuhr hoch, eilte in die Küche und versuchte dort, den Geschmack in seinem Mund unter Zuhilfenahme von Wasser loszuwerden, was ihm nur ansatzweise gelang. Der Geschmack wollte nicht restlos weichen. Am Tag darauf fuhr Paul nach einem Treffen mit vegetarischen Freunden mit der U- Bahn nach Hause. Eine sehr dicke Frau stieg hinzu, schaute ihn an und fragte: »Ist da noch Platz neben Ihnen?«
Paul nickte bereitwillig. Die Frau roch auffällig nach Schweiß. Angeregt von dem Geruch, der in seiner Nase Zuflucht fand, drehte Paul den Kopf beiseite und betrachtete die Frau eingehender. Sie war wirklich sehr dick. Ihr tief ausgelegtes Doppelkinn schien den Hals verstecken zu wollen. Die dicken Beine formten die Hose der Frau bis in die letzte Naht aus. Ihre großen Brüste wippten unaufhörlich im Takt der fahrenden U- Bahn. Sie interessierten Paul und er konnte seinen Blick nicht mehr von ihnen nehmen. Seine Hose wuchs nach vorne. Sein Glied füllte sich mit Blut und er konnte fühlen, wie es in seinem Schritt pulsierte. Paul begann zu schwitzen. Verschämt nahm er den Blick von der Frau und schaute solange aus dem Fenster, bis sie aufstand und die Bahn verließ. Paul war zunehmend verwirrt. Zuerst dieser Fleischgeschmack in seinem Mund, dann diese Geschichte mit der fetten Frau. Was hatte das nur alles zu bedeuten? Paul, der schon lange keinen Alkohol mehr getrunken hatte, kaufte sich eine Flasche Wein. Er konnte sich noch gut daran erinnern, dass Alkohol stets dazu in der Lage war, seine Nerven zu beruhigen. So trank er und trank bis die Flasche leer war und er voll. Ohne konkretes Ziel verließ Paul seine Wohnung in Richtung Stadt. Wie von fernen, dunklen Mächten gesteuert, öffnete er die Tür zu einem Bordell, setzte sich an die Theke, bestellte ein Bier und erblickte eine dicke Frau, zu der er sich setzte und mit der er auf ihr Zimmer ging. Er bezahlte viel Geld, sprang aus seiner Kleidung, kniff der Prostituierten tief ins Fleisch, wühlte sich durch ihre Massen, klemmte seinen Kopf zwischen ihre Brüste, presste sein Glied in das weiche Gewebe und verausgabte sich in ihrem warmen Körper, so dass er fast die Besinnung verlor. Paul konnte nicht genug bekommen und musste noch ein paar Scheine opfern, um weiter machen zu dürfen. Ihm war mittlerweile jede Klarheit verloren gegangen. Um dieses Gefühl der Freiheit und Wärme noch ein wenig länger auskosten zu können, hätte er selbst seine Wohnung verpfändet. In dieser Nacht wankte Paul glücklich nach Hause, legte sich erschöpft in sein Bett und träumte ruhig vom Opa und seinen vielen Kaninchen.
 

Carina

Mitglied
insgesamt gar nicht ohne...

will man sich deiner story aus psychologischer sicht nähern, könnte man sagen: offenbar hat paul nach jahren den tod seines großvaters überwunden, was sich darin äußert, dass er fleisch wieder "riechen" kann... *g*

allerdings ist "salat mit schinken" keine kurzgeschichte, sondern vielmehr eine erzählung. erstere widmet sich nämlich nur einem kleinen "lebensausschnitt", ist so eine art "scheinwerfer", der sich nur auf einen "punkt im dunklen zimmer" richtet; und dein text umfasst mehrere jahre erzählter zeit.

außerdem solltest du die story sprachlich und grammatisch stark überarbeiten (z.b. "leistung abgeben"? wohl eher "bringen"; "ideeller wille" klingt ein bisschen seltsam, ich hätte "idealismus" gesagt; "als er inmitten der nacht erwachte", "unter welchen zuständen der angst..."?? hm. wenn du`s nochmal durchsiehst, merkst du das wahrscheinlich selbst...)

viele grüße
carina
 
Hallo Carina!
Ja, so ist das mit der Schreiberei.Ich denke, es gibt verschiedene Sprachen und Stile, unzählige Möglichkeiten eine ganz bestimme Situation zu beschreiben. Das ist ja auch ein Großteil dessen, was das Lesen interessant macht. und es ist gut und richtig, dass die Sprache des Einen dem Anderen nicht gefällt, sonst würden ja immer alle nur das Gleiche mögen, was ja sehr langweilig wäre. Du hast Recht, es ist wohl doch eher eine Erzählung. Und Aussage dieser Geschichte ist in erster Linie die, dass es nicht immer gut ist, Dinge zu exzessiv und fanatisch zu betreiben und dabei einen anderen Teil von Persönlichkeit zu vernachlässigen. Der Tod des Großvaters soll nicht überwunden werden müssen.
Vielen Dank für deine Bemerkungen zum Text
Viele Grüße, von Thorsten
 

Carina

Mitglied
natürlich sollte nicht jeder den gleichen stil haben, nur sollte idealerweise jeder einen guten haben und die von mir zitierten formulierungen wirken auf mich & mein sprachgefühl schon ein bisschen hilflos...

nichts für ungut.

gruß
carina
 



 
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