wohin?

Gabriele

Mitglied
es wäre so leicht gewesen
zu gehen
nach meiner Diagnose
die alle erschreckte
nur nicht mich
die ich annahm wie einen stillen Freund
den ich nicht vermisst hatte
der plötzlich da war
wie lange erwartet
mich sanft in seine Arme nahm
mich erlöste von der Suche
nach dem echten Leben

ER war echt
mein Krebs
zeigte mir wie einfach es ist
zu leben
zu sterben
doch dann ging er fort
zum Glück
zum Unglück

verloren bin ich nun
ohne ihn
erneut auf der Suche
nach dem echten Leben
ich kann es nicht finden

ohne Angst vor dem Tod
der mir zu sehr vertraut ist
will ich alles oder nichts
was ich früher nie gewagt
will ich mir nun erkämpfen
mag es gut oder schlecht sein

doch ich zweifle an meiner Kraft
ahne mein Scheitern
lebe eine Fassade
verliere den Halt

bin das noch ich?
 

wüstenrose

Mitglied
Hallo Gabriele,

dein Bericht / dein Gedicht (ich finde beide Worte zutreffend) spricht mich inhaltlich stark an.
Eine Introspektion, eine Selbstschau in alltäglichen Worten begegnet uns hier. Dies birgt die Gefahr, dass ein "Vokabular der Innerlichkeit" Verwendung findet, das sich schnell abnutzt, sich schnell in Worthülsen erschöpft. Mir scheint es hier im vorliegenden Text eine Gratwanderung zu sein, aber letztlich stürzt dein Text nicht ab, denn so, wie er da hingesetzt ist, hat er auch was Knappes, Karges und an manchen Stellen ausgesprochen Lakonisches (zum Glück / zum Unglück), das mich überzeugt, auf mich wirkt der Text authentisch und mutig.
Mit dem Schlusssatz tue ich mich allerdings schwer. Der klingt in meinen Ohren dann doch zu sehr nach "Innerlichkeits-Lyrik". Ich mache im Folgenden einen Vorschlag, wie es tendenziell für mich passen könnte, natürlich kann das für dich ganz anders aussehen, möchte halt deinen Blick nochmal auf den Schluss lenken.

ohne Angst vor dem Tod
der mir [strike]zu sehr[/strike] vertraut ist
will ich alles oder nichts
was ich früher nie gewagt
will ich mir nun erkämpfen
mag es gut oder schlecht sein

doch ich zweifle an meiner Kraft
ahne mein Scheitern
lebe eine Fassade
verliere den Halt

[blue]sag
finde ich eine Bleibe[/blue]







lg wüstenrose
 

Gabriele

Mitglied
es wäre so leicht gewesen
zu gehen
nach meiner Diagnose
die alle erschreckte
nur nicht mich
die ich annahm wie einen stillen Freund
den ich nicht vermisst hatte
der plötzlich da war
wie lange erwartet
mich sanft in seine Arme nahm
mich erlöste von der Suche
nach dem echten Leben

ER war echt
mein Krebs
zeigte mir wie einfach es ist
zu leben
zu sterben
doch dann ging er fort
zum Glück
zum Unglück

verloren bin ich nun
ohne ihn
erneut auf der Suche
nach dem echten Leben
ich kann es nicht finden

ohne Angst vor dem Tod
der mir schon so vertraut ist
will ich alles oder nichts
was ich früher nie gewagt
will ich mir nun erkämpfen
mag es gut oder schlecht sein

doch ich zweifle an meiner Kraft
ahne mein Scheitern
lebe eine Fassade
verliere den Halt
finde ich eine Bleibe?
 

Gabriele

Mitglied
Liebe Wüstenrose,
schön, dass dich mein kleiner Text angesprochen hat!
Vielen Dank für die Verbesserungsvorschläge, die ich teilweise übernommen habe!
LG Gabriele
 

wüstenrose

Mitglied
Hallo Gabriele,

mit meinem Vorschlag haderte ich trotz allem etwas - - - aber wie du das nun am Ende arrangiert hast - ich glaube, das isses! Schön auch, wie somit noch einmal der Bogen zum Anfang geschlagen wird. Manchmal können scheinbar unspektakuläre Gedichte ganz schön unter die Haut gehen!

lg wüstenrose
 



 
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