5.Samuel und Luzifer: Der Müllmann

Uschka

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Samuel und Luzifer zogen durch das Nobelviertel in Berlin Zehlendorf. „Na ich glaub, hier werden wir keinen finden, der für unsere Wette geeignet ist“, sagte Luzifer und schaute missmutig in die Vorgärten. „Die Leute hier sind doch wunschlos glücklich, haben doch keine Wünsche mehr offen.“ „Also, Wünsche hat doch jeder, egal, ob reich oder arm. Außerdem muss es ja nicht immer um Wünsche gehen, es gibt noch viel mehr, um was wir wetten können“, klärte ihn Samuel geduldig auf. Schon blitzten Luzifers Augen begierig auf. „Und was, wenn ich fragen darf?“
„Warte doch ab, du wirst es schon noch früh genug erfahren“, lachte Samuel belustigt auf. Ja, Luzifer konnte es nicht schnell genug mit einer Wette um Gutes oder Böses gehen.

Ein paar Straßen weiter fuhr ein Müllwagen durch die engen Wege und sammelte heute Sperrmüll ein. Das war immer eine spannende Sache. Hatte man da doch schon das eine oder andere Brauchbare gefunden. Die Leute warfen hier schneller ihre Dinge weg, als in Kreuzberg, Neuköln oder Wedding. Da wurden die Sachen erst dann ausrangiert, wenn sie wirklich nicht mehr zu gebrauchen waren. Eben echter Sperrmüll.

Der Müllmann Klaus war so gar nicht bei der Sache, er hoffte, dass er bald Feierabend machen und seiner Spielleidenschaft nach gehen konnte. „Ich muss heute unbedingt meinen Verlust von gestern wieder einspielen, sonst kann ich meine Miete nicht bezahlen!“, murmelte er verzweifelt vor sich hin. „Heut war aber auch nichts Brauchbares dabei“, sann er weiter.
Klaus trottete hinterher. Plötzlich blieb sein Blick bei einigen Möbelstücken hängen. Lugte da nicht ein kleiner goldener Bilderrahmen heraus- schnell eilte er hin und zog ein wunderschönes Bild hervor. War das nicht eine echte Ikone- Er drehte das Bild hin und her. Also, wenn mich nicht alles täuscht, ist das echt- dabei kratzte er sich am Hinterkopf. Als er bemerkte, dass er nicht beobachtet wurde, versteckte er schnell das vermeintliche Heiligenbild in seinem Overall und machte sich dann an seine Arbeit.

Samuel und Luzifer, die Klaus beobachtet hatten, wussten, dass das was für ihre Wette war. „Meinst du, der gibt die Ikone zurück?“, fragte sogleich Samuel.
„Nee, hast doch gehört, dass er dringend Geld braucht“, freute sich Luzifer und führte ein kleines Freudentänzchen auf.
„Deswegen brauchst du aber nicht so einen Gestank verbreiten!“, rügte ihn Samuel und hielt sich die Nase zu, als leichter Brandgeruch durch die Luft zog. Er war allergisch dagegen, ja, mit dem Weihrauch war das ganz was anderes. Das störte ihn überhaupt nicht. Luzifer dagegen rümpfte dann seine Nase und verdrückte sich ganz schnell. „Welch ein Glück, dass wir nicht zu sehen sind“, presste Samuel durch die leicht geöffneten Lippen hervor. „Also abgemacht, die Wette gilt“, sagte Luzifer und klatschte sich mit Samuel die Hand ab.

Klaus konnte seinen Feierabend gar nicht abwarten, weil er Angst hatte, die Ikone zu beschädigen, und meinte zu seinen anderen Kollegen, dass er fürchterliche Kopfschmerzen hätte und gern Heim gehen würde.
„Na, klar, sind ja nicht mehr viel Straßen, kannst ruhig schon gehen“, riefen sie ihm zu und wünschten ihm noch gute Besserung.

Schnell fuhr Klaus mit seinem Fund zum Stuttgarter Platz in Wilmersdorf. Hier war ein kleines Amüsierviertel und so manch zwielichtige Gestalten machten hier ihre Geschäfte und Klaus hatte bis jetzt immer gute Preise mit seiner Ware, die er schon des öfteren hier verscherbelt hatte, erzielt.

„Na das läuft doch prima für mich!“, frohlockte Luzifer gutgelaunt. „Diesmal bin ich der Champ.“
„Abwarten, noch habe ich nicht verloren“, erwiderte Samuel, aber ein gutes Gefühl hatte er nicht dabei. Das war zwar nicht immer so, aber heut war er sich nicht sicher.

Klaus war bei seinem Kumpel Kalle angekommen und zeigte ihm gleich seine neue Errungenschaft. „Na, was hältst du davon, ist doch ein prima Stück, oder? Wie viel gibst du mir dafür?“, fragte Klaus neugierig. Kalle drehte die Ikone, untersuchte sie genau. „Na, was hältst du von Fünfhundert Euro? Das ist schon ein guter Freundschaftspreis!“
„Was mehr nicht, das ist ne echte“, meinte Klaus etwas enttäuscht und ging in Gedanken seine Spielschulden durch. Viel Geld bot ihm Kalle ja nicht an, aber war das nicht besser als gar nichts? Das wäre zu mindestens der Spieleinsatz für heute“, flüsterte er vor sich hin.

„Nimm das Geld“, rief ihm Luzifer zu, denn die beiden waren ihm natürlich gefolgt. „ Los, steck es ein, du dummer Gimpel, auf was wartest du noch?“ Samuel ließ ihn diesmal gewähren, denn er konnte sich immer so schön vor lauter Vorfreude freuen. Das Gute oder Böse entscheidet heute. Er wollte erst einmal abwarten, wie sich die Dinge entwickeln.

Aber Klaus konnte ihn nicht hören, nein, die Entscheidung musste er alleine treffen. Samuel war jetzt ganz still geworden. Merkte er, dass er heute wirklich kein Glück haben würde? Stumm faltete er seine Hände hinter dem Rücken, damit Luzifer nicht sah, dass auch er Hilfe in Anspruch nahm, und blickte zum Himmel empor. Diese kleine Hilfe wird doch wohl noch erlaubt sein. Das Bild ist bestimmt aus Versehen im Sperrmüll gelandet, das gehörte doch zu seinem Besitzer zurück-

„Entscheide dich, habe nicht ewig Zeit. Du weißt doch, Zeit ist Geld!“, drängte Kalle ungeduldig und wippte mit den Fußspitzen auf und ab. Im stillen freute er sich, dass er dabei einen guten Schnitt machen würde. Er hatte auch schon einen Abnehmer dafür, der leicht das Doppelte dafür bezahlte. „Nun, vielleicht sollte ich doch die Ikone zurück bringen. Der Besitzer zahlt bestimmt einen Finderlohn dafür“, pokerte Klaus und hoffte, dass Kalle den Preis erhöhen würde.

„Du dummer Hund, du blöder, nimm das verdammte Geld“, schrie Luzifer aufgeregt, der sich nun nicht mehr so sicher war, dass er die Wette gewinnen würde. Dabei drehte er sich wie wild um seine eigene Achse und starker Rauch und beißender Geruch stieg empor. Seine Hörner fingen vor Aufregung an zu glühen, so dass ihm ganz heiß wurde. Graue Nebelschwaden umtanzten ihn. Samuel blieb gelassen, Klaus musste sich entscheiden, er hatte keinen, beziehungsweise nur geringen Einfluss darauf. Dabei schielte er wieder leicht nach oben, um zu sehen, ob doch nicht noch Hilfe zu erwarten war.

„Also, gut, ich lege noch Fünfzig Euro dazu, das ist mein letztes Angebot“, sagte Kalle und drehte Klaus seinen Rücken zu. Klaus, der sich freute, dass er doch noch etwas mehr Geld herausgeschlagen hatte, hielt Kalle die Hand hin. „Abgemacht“, sagte er und besiegelte mit einem Handschlag den Deal.
„Na dann her mit den Mücken, der Kauf ist gebongt“, lachte Klaus zufrieden und steckte schnell das Geld ein.
„Kannst bald wieder kommen“, erwiderte auch Kalle erfreut. So einen dummen Deubel hatte er nicht alle Tage und rieb sich zufrieden die Hände

Samuel, der diesmal die Wette verloren hatte, wollte sich leise davon schleichen. Aber Luzifer wollte seinen Erfolg genießen. „Nur weil ich der Gewinner bin, willst du dich davon schleichen, das lass ich nicht zu, ich habe es gleich gewusst, dass Klaus mein Kandidat war.“
Samuel hatte sich nun ganz unsichtbar gemacht und verschwand. „Tschüß bis zur nächsten Wette “, rief er Luzifer zu, um dann ganz zu verschwinden.

„Sag mal, riechst du auch den Rauch?“, fragte Kalle und schnüffelte in der Luft herum.
„Ja, stimmt, hier brennt was!“, stellte auch Klaus fest. Aber es war kein Brandherd zu finden. Schnell verabschiedete er sich, um gleich in eine Spielhalle zu gehen.

Am nächsten Tag war eine Vermisstenanzeige in der Zeitung erschienen. Die Ikone war wirklich nur aus Versehen auf dem Sperrmüll gelandet. Tausend Euro wurden dem ehrlichen Finder angeboten. Klaus, der auch die Anzeige gelesen hatte, ärgerte sich noch lange darüber, dass Kalle ihm nicht mehr bezahlt hatte, denn die Ikone war noch viel, viel mehr wert gewesen. Er hatte beim Spiel wieder alles verloren und er fragte sich, ob da nicht der Teufel seine Hände im Spiel gehabt hatte. Ja, Luzifer war diesmal der Gewinner gewesen und er kostete seinen Sieg voll aus. Samuel dagegen hatte Klaus beim Kartenspiel nicht gewinnen lassen. Mit unehrlichem Geld sollte der kein Glück haben-
 



 
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