Abenteuer im Wald
Wir sind schon immer leidenschaftliche Pilzsammler gewesen.
Es war ungefähr vor zwanzig Jahren, kurz nachdem ich meine Rente bekam, an einem Freitag im Herbst. Ich und mein Mann Günter standen schon sehr früh auf und machten uns mit unseren Fahrrädern auf den Weg in den Wald. Pilze sammelten wir oft am Freitag, das hatte einen bestimmten Grund. An diesem Tag kamen unsere Söhne mit ihren Familien zu uns.
Mein älterer Sohn war Konditor und brachte immer ganz leckere Sachen mit. Wir saßen beisammen, redeten und oft blieben die Kinder bis zum Abend und wir aßen dann auch noch das Abendbrot zusammen. An diesem Freitag sollte es zum Abendessen Pilze geben.
Wir kamen in unseren Wald, ich sage absichtlich unseren, denn wir kannten ihn durch die vielen Jahre wirklich in und auswendig. Wir schlossen an einem Baum unsere Fahrräder ab und verabredeten, uns in einer halben Stunde an der selben Stelle wieder zu treffen. Wir gingen beide in unterschiedliche Richtungen in den Wald hinein.
Wie es so beim Pilze sammeln ist, schaut man nicht zum Himmel, sondern zum Boden. Man muss sehr aufmerksam sein, am besten auch noch das Moos durchsuchen. Und wenn ein Pilz auftaucht, ist es klar, dass sich in der Nähe ganz viele verbergen.
An diesem Freitagmorgen war ich sehr erfolgreich. Meine Tasche füllte sich schnell mit schönen Maronen. Ich habe alles um mich vergessen und sah nur den Waldboden und die vielen Pilze. So bemerkte ich gar nicht, dass sich innerhalb kürzester Zeit um mich herum ein sehr dicker Nebel ausbreitete. Ich schaute zum Himmel und sah nichts. Der Nebel war so dick, dass man nicht die Hand vor den Augen sehen konnte. Ich bekam Angst.
Im ersten Moment wusste ich nicht, was ich tun sollte. Ich glaubte, dass es das Beste wäre, wenn ich mich nicht bewege, dass ich einfach an dieser Stelle stehen bleiben sollte. Aber ich konnte nicht. Ich fragte mich schon damals, wieso Menschen, die sich in extrem gefährlichen Situationen befinden, immer diesen Trieb, sich weiter zu bewegen, verspüren? Wahrscheinlich möchten sie auf keinen Fall mit ihrer Angst alleine stehen bleiben, denn so wirkt sie noch bedrohlicher.
Also ging ich los, dabei stieß ich an Bäume, fiel in einen Graben. Ich stand aber immer wieder auf und lief weiter. Der Nebel wollte nicht weichen und ich bekam immer mehr Angst.
Diese unheimliche Atmosphäre wurde durch die Waldgeräusche verstärkt. Um mich herum raschelte, knirschte und piepste es. Ich dachte, dass mich jeden Moment ein großes Ungeheuer überraschen wird. Mehrere Male rief ich in den Wald hinein den Namen meines Mannes, aber er meldete sich nicht.
Dann hatte ich das Gefühl, auf Wolkenstufen zu treten und erhoben zu werden. Das wollte ich nicht, aber wie ich mich auch mühte, die Beine bewegten sich nur vorwärts. Also richtete ich meinen Blick nach vorn und sah etwas weißes funkeln und schimmern, eine Hauswand. Neugierig trat ich näher. Augenscheinlich stand das TadschMahal vor mir, das indische Grabmal. Und schon befand ich mich in seinem Inneren.
Hier war alles weiß und rosa. Während ich noch bewundern Augen und Nase aufriss, trat eine feingliedrige Inderin auf mich zu. Sie war in einen hellblauen Sari gehüllt und trug ein Kastenzeichen auf der Stirn. Sie lud mich mit einer Handbewegung ein, auf dem weichen Diwan platz zu nehmen, was ich auch tat.
Sogleich schwebte ein Tablett auf uns zu mit zwei hübschen, sehr zarten Porzellantassen. Sie nahm sich die eine und reichte mir die andere. Gemeinsam tranken wir den aromatisch duftenden Tee.
Nach einer Weile des Schweigens begann sie, mich über die westliche Kultur auszufragen. Ich beantwortete alle ihre Fragen gern, sie war aber auch zu nett.
Plötzlich kamen einige große bunte Schmetterlinge herein geflogen. Nie zuvor hatte ich solche Schmetterlinge gesehen! Weder was ihre Größe, noch ihre Farbenpracht anging. Diese Butterflys kamen ganz dicht an uns heran. Nur einen Zentimeter vor unseren Augen und Ohren hielten sie an. Ich wollte sie mit einer Handbewegung vertreiben, aber die Inderin gebot mir durch ihre Haltung, still zu sitzen und die Annäherung hinzunehmen.
Ich fragte schmunzelnd, ob das etwa ihre Haustiere seien und sie bestätigte ernsthaft. Darauf erzählte ich ihr von den gewöhnlichen europäischen Haustieren.
Ein paar Schmetterlinge flogen senkrecht an meinem Körper auf und ab und ich dachte grinsend: Du liebe Zeit, die tun ja so, als ob sie dich scannen!
Endlich flatterten sie davon und ich konnte die Teetasse wieder zum Munde führen.
Unsere Unterhaltung ging weiter. Ich wunderte mich ein wenig, warum ich auf einmal so schnell rede und wirklich alles, aber auch alles in meinem Gedächtnis befindliche ausplauderte. Jedoch war nichts Privates dabei, nur Allgemeinbildung.
Nach einer Weile spürte ich Ermüdung. Ich hätte nie geglaubt, dass reden und sich erinnern so anstrengend sein können!
Die Inderin verneigte sich vor mir und zog sich ins Hausinnere zurück. Ich erhob mich von dem weichen Diwan und torkelte dem Ausgang zu. Wieder betrat ich die Wolkenstufen, die mich jetzt allerdings völlig kalt ließen.
Als ich festen Waldboden unter mir hatte, vernahm ich hinter mir ein schmatzendes Geräusch. Erschrocken drehte ich mich herum, gewärtig, einem Wildschwein gegenüber zu stehen. Was ich stattdessen sah, verschlug mir die Sprache. Mit weit aufgerissenem Mund und Augen beobachtete ich, wie sich eine gewaltige, silbrig schimmernde fliegende Untertasse erst langsam, dann immer schneller rotierend, in den Himmel erhob. Ich taumelte ein paar Schritte rückwärts und sah dem UFO noch nach, als es längst entschwunden war.
Endlich fasste ich mich, hob meinen Korb auf und begab mich zu der Stelle, wo ich mit meinem Mann verabredet war. Nur mein Fahrrad stand dort noch. Klar, ich hatte mich verspätet.
Kurz vor Einbruch der Dunkelheit kam ich zu Hause an. Man hatte sich schon große Sorgen um mich gemacht. Mein Mann fragte: „Hast du dich verlaufen, Schatz?“
Ich blieb die Antwort schuldig. Es dauerte bis heute, das Erlebte zu verarbeiten.
Wir sind schon immer leidenschaftliche Pilzsammler gewesen.
Es war ungefähr vor zwanzig Jahren, kurz nachdem ich meine Rente bekam, an einem Freitag im Herbst. Ich und mein Mann Günter standen schon sehr früh auf und machten uns mit unseren Fahrrädern auf den Weg in den Wald. Pilze sammelten wir oft am Freitag, das hatte einen bestimmten Grund. An diesem Tag kamen unsere Söhne mit ihren Familien zu uns.
Mein älterer Sohn war Konditor und brachte immer ganz leckere Sachen mit. Wir saßen beisammen, redeten und oft blieben die Kinder bis zum Abend und wir aßen dann auch noch das Abendbrot zusammen. An diesem Freitag sollte es zum Abendessen Pilze geben.
Wir kamen in unseren Wald, ich sage absichtlich unseren, denn wir kannten ihn durch die vielen Jahre wirklich in und auswendig. Wir schlossen an einem Baum unsere Fahrräder ab und verabredeten, uns in einer halben Stunde an der selben Stelle wieder zu treffen. Wir gingen beide in unterschiedliche Richtungen in den Wald hinein.
Wie es so beim Pilze sammeln ist, schaut man nicht zum Himmel, sondern zum Boden. Man muss sehr aufmerksam sein, am besten auch noch das Moos durchsuchen. Und wenn ein Pilz auftaucht, ist es klar, dass sich in der Nähe ganz viele verbergen.
An diesem Freitagmorgen war ich sehr erfolgreich. Meine Tasche füllte sich schnell mit schönen Maronen. Ich habe alles um mich vergessen und sah nur den Waldboden und die vielen Pilze. So bemerkte ich gar nicht, dass sich innerhalb kürzester Zeit um mich herum ein sehr dicker Nebel ausbreitete. Ich schaute zum Himmel und sah nichts. Der Nebel war so dick, dass man nicht die Hand vor den Augen sehen konnte. Ich bekam Angst.
Im ersten Moment wusste ich nicht, was ich tun sollte. Ich glaubte, dass es das Beste wäre, wenn ich mich nicht bewege, dass ich einfach an dieser Stelle stehen bleiben sollte. Aber ich konnte nicht. Ich fragte mich schon damals, wieso Menschen, die sich in extrem gefährlichen Situationen befinden, immer diesen Trieb, sich weiter zu bewegen, verspüren? Wahrscheinlich möchten sie auf keinen Fall mit ihrer Angst alleine stehen bleiben, denn so wirkt sie noch bedrohlicher.
Also ging ich los, dabei stieß ich an Bäume, fiel in einen Graben. Ich stand aber immer wieder auf und lief weiter. Der Nebel wollte nicht weichen und ich bekam immer mehr Angst.
Diese unheimliche Atmosphäre wurde durch die Waldgeräusche verstärkt. Um mich herum raschelte, knirschte und piepste es. Ich dachte, dass mich jeden Moment ein großes Ungeheuer überraschen wird. Mehrere Male rief ich in den Wald hinein den Namen meines Mannes, aber er meldete sich nicht.
Dann hatte ich das Gefühl, auf Wolkenstufen zu treten und erhoben zu werden. Das wollte ich nicht, aber wie ich mich auch mühte, die Beine bewegten sich nur vorwärts. Also richtete ich meinen Blick nach vorn und sah etwas weißes funkeln und schimmern, eine Hauswand. Neugierig trat ich näher. Augenscheinlich stand das TadschMahal vor mir, das indische Grabmal. Und schon befand ich mich in seinem Inneren.
Hier war alles weiß und rosa. Während ich noch bewundern Augen und Nase aufriss, trat eine feingliedrige Inderin auf mich zu. Sie war in einen hellblauen Sari gehüllt und trug ein Kastenzeichen auf der Stirn. Sie lud mich mit einer Handbewegung ein, auf dem weichen Diwan platz zu nehmen, was ich auch tat.
Sogleich schwebte ein Tablett auf uns zu mit zwei hübschen, sehr zarten Porzellantassen. Sie nahm sich die eine und reichte mir die andere. Gemeinsam tranken wir den aromatisch duftenden Tee.
Nach einer Weile des Schweigens begann sie, mich über die westliche Kultur auszufragen. Ich beantwortete alle ihre Fragen gern, sie war aber auch zu nett.
Plötzlich kamen einige große bunte Schmetterlinge herein geflogen. Nie zuvor hatte ich solche Schmetterlinge gesehen! Weder was ihre Größe, noch ihre Farbenpracht anging. Diese Butterflys kamen ganz dicht an uns heran. Nur einen Zentimeter vor unseren Augen und Ohren hielten sie an. Ich wollte sie mit einer Handbewegung vertreiben, aber die Inderin gebot mir durch ihre Haltung, still zu sitzen und die Annäherung hinzunehmen.
Ich fragte schmunzelnd, ob das etwa ihre Haustiere seien und sie bestätigte ernsthaft. Darauf erzählte ich ihr von den gewöhnlichen europäischen Haustieren.
Ein paar Schmetterlinge flogen senkrecht an meinem Körper auf und ab und ich dachte grinsend: Du liebe Zeit, die tun ja so, als ob sie dich scannen!
Endlich flatterten sie davon und ich konnte die Teetasse wieder zum Munde führen.
Unsere Unterhaltung ging weiter. Ich wunderte mich ein wenig, warum ich auf einmal so schnell rede und wirklich alles, aber auch alles in meinem Gedächtnis befindliche ausplauderte. Jedoch war nichts Privates dabei, nur Allgemeinbildung.
Nach einer Weile spürte ich Ermüdung. Ich hätte nie geglaubt, dass reden und sich erinnern so anstrengend sein können!
Die Inderin verneigte sich vor mir und zog sich ins Hausinnere zurück. Ich erhob mich von dem weichen Diwan und torkelte dem Ausgang zu. Wieder betrat ich die Wolkenstufen, die mich jetzt allerdings völlig kalt ließen.
Als ich festen Waldboden unter mir hatte, vernahm ich hinter mir ein schmatzendes Geräusch. Erschrocken drehte ich mich herum, gewärtig, einem Wildschwein gegenüber zu stehen. Was ich stattdessen sah, verschlug mir die Sprache. Mit weit aufgerissenem Mund und Augen beobachtete ich, wie sich eine gewaltige, silbrig schimmernde fliegende Untertasse erst langsam, dann immer schneller rotierend, in den Himmel erhob. Ich taumelte ein paar Schritte rückwärts und sah dem UFO noch nach, als es längst entschwunden war.
Endlich fasste ich mich, hob meinen Korb auf und begab mich zu der Stelle, wo ich mit meinem Mann verabredet war. Nur mein Fahrrad stand dort noch. Klar, ich hatte mich verspätet.
Kurz vor Einbruch der Dunkelheit kam ich zu Hause an. Man hatte sich schon große Sorgen um mich gemacht. Mein Mann fragte: „Hast du dich verlaufen, Schatz?“
Ich blieb die Antwort schuldig. Es dauerte bis heute, das Erlebte zu verarbeiten.