Abraham/ Altes Testament

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Abrahams Opfer!

Die Sonne fiel gleißend hell durch das kleine Fenster der Lehmhütte. Staub wirbelte in dem goldenen Lichtstrahl, tanzend, wie winzige Diamanten. Abraham blinzelte. Er war alt, aber noch nie hatte er sich so alt gefühlt, wie jetzt. Die hereinstürzenden Strahlen der Morgensonne blendeten ihn und er schloss seine müden Augen wieder.
Seine Knochen schmerzten. In ihnen steckte noch die Anstrengung der langen Reise, die er hinter sich hatte.
Draußen meckerte ein Esel, Sarah lärmte in der Küche und Isaak tobte mit Ismael über den Hof. Es war noch früh, alle waren schon auf und auch er hätte sich schon lange von seinem Lager erheben sollen. Ein Wunder, dass Sarah ihn noch nicht geschüttelt und mit sanftem Lächeln einen elenden Faulpelz genannt hatte.
Abraham sah vor seinem inneren Auge wie die Morgensonne über den Horizont kroch und das Land mit ihrem warmen Licht einhüllte. Die Morgensonne hatte er immer geliebt. Neue, frische Kraft, ein neuer Tag, so frisch, dass alles alte versank.
Jetzt verfluchte er sie.
Gott hatte mit ihm gesprochen. Am Abend, bevor er in diesen traumlosen, kalten Schlaf gefallen war, der ihn nicht erfrischt, sonder erschöpft hatte.
\"Abraham\", so hatte er ihn gerufen, wie er es immer getan hatte. Die Stimme schien immer von allen Seiten zu kommen, von außen und von innen.
\"Hier bin ich\", hatte er geantwortet und, wie immer, war ein Schauer durch seinen Körper gegangen, denn die Stimme war so voll, so warm, so voller machtvoller Schwingung. Ein Ton voller Kraft und einer Ahnung von unendlicher Macht, die dahinter stand. Ein Ton Welten zu schaffen, zu zerstören. Oder mit Menschen zu reden, dachte Abraham.
Der alte Mann richtete sich ruckartig auf, jedes einzelne seiner Lebensjahre wollte ihn niederdrücken. Sein Kopf schmerzte, in den Ohren summte es und sein Herz klopfte so hart und fest, als wolle es den Brustkorb sprengen.
Ja, Gott hatte gesprochen und seine Worte waren klar gewesen. Am schlimmsten war jedoch die Freude, die er empfand, wenn der Herr sich an ihn wandte, eine Freude die sogar jetzt noch da war, trotz der Müdigkeit, trotz dem, was Gott gesagt, trotz dem, was Gott von ihm wollte.
\"Nimm Deinen Sohn, deinen einzigen, den du liebst, Isaak, geh in das Land Morija und bring ihn dort auf einen der Berge, den ich dir nenne, als Brandopfer dar.\"
Abraham wollte aufstehen, aber seine Beine versagten.
\"Bringe ihn als Brandopfer dar. Tue, was der Herr dir befielt\", flüsterte Abraham vor sich hin.
Isaak, wie sehr er ihn liebte, mehr als es gut war für einen Vater, mehr als es gut war für einen Sohn. Jetzt war er schon ein Junge, stark, mit einer Haut wie Bronze, einem breitem Lächeln und tiefbraunen Augen. Wenn Isaak lachte, dann musste man mitlachen, um was auch immer es ging. So voller Kraft war sein Sohn, so voller dummer Streiche.
Erst vor einigen Tagen hatte Isaak eine Kröte in das Bett gelegt und sich halb tot gelacht über das erschreckte Gesicht seines Vaters, als dieser die Decke zurückschlug. Andere Väter hätten ihren Sohn gezüchtigt, hätten ihm mit der Rute Respekt beigebracht. Er hatte es nicht gekonnt. Gelacht hatte er, mit ihm, in den Armen hatten sie gelegen und Tränen waren ihnen über die Wangen gelaufen, vor Liebe, vor Freude, vor Spaß. Sarah hatte in der Tür gestanden, den Kopf geschüttelt über den Jungen und den alten Narren, der ihr Mann war und mit dem ein unsichtbarer Gott sprach. Ein Lächeln hatte ihr Gesicht erhellt und die spöttischen Augen lügen gestraft.
\"Bringe ihn als Brandopfer dar\".
Abraham riss sich zusammen, stand auf und zog sich frische Sachen an.
Schweigend ging er an Sara vorbei, die in der Küche Brot buk und trat nach draußen. An der Luft konnte er riechen, dass es ein heißer Tag sein würde, heißer als an den Tagen, an denen der Herr Sodom und Gomorra vom Erdboden getilgt hatte. Abraham dachte an den Regen aus Asche, der danach tagelang über dem Land niedergegangen war und er dachte, dass eine Seele sich anfühlte, als würde diese heiße Asche jetzt auf sie niedergehen und ersticken.
Schnellen Schrittes ging er zum Stall. Isaak warf ihm einen kurzen Gruß zu und spielte dann weiter. Zwischen zwei Stäbe hatte er ein Seil gespannt und balancierte nun auf dem Seil einen selbstgedrechselten Kreisel, was er mit großer Geschicklichkeit tat.
Abraham zwang sich nicht hinzusehen, sondern ging direkt in den Stall und sattelte den Esel. Ein knurriges, zähes Tier mit traurigen Augen. Abraham streichelte ihn zwischen den Ohren.
\"Du bist ein Esel, ich bin ein Esel. Wir tun, was man uns sagt. Du trägst die Last, die ich dir aufbürde, ich trage die Last, die der Herr mir aufbürdet.\" Abraham nannte den Esel Piloch, wie den Feldherrn von König Abimelech. Piloch hatte ebenso traurig in die Welt gesehen und war genauso hässlich und struppig gewesen. Abraham sattelte das Tier, das ruhig und gelassen stehen blieb und ging dann aus dem Stall. Sarah stand in der Tür, die Hände vor der Brust verschränkt, die Lippen fest zusammengekniffen. Sie schwieg.
\"Der Herr hat mit mir gesprochen. Ich soll ihm ein Opfer bringen. Ich werde unsere Knechte und Isaak mitnehmen!\"
Sarah ließ ihn durch, aber der angespannte Ausdruck wich nicht aus ihrem Gesicht. Sie war eine wundervolle Frau, die er aus ganzem Herzen liebte, aber sie konnte auch sehr störrisch werden. Er rechnete damit, dass sie ihn zur Rede stellen würde, aber statt dessen sagte sie nur: \"Ich werde euch Brote und Wein für den Weg einpacken.\" Abraham spürte wieder die drückende Last des Alters. So viele Jahre. Sie glaubte ihm, aber er konnte auch dass Misstrauen in ihren dunklen Augen sehen. Was würde sie sagen, wenn er ohne Isaak wiederkam? Wenn er ihr sagen musste, dass er Isaak dem Herrn zum Brandopfer dargebracht hatte? Was würde sie tun? Abraham rieb sich die Augen. Er konnte, er wollte nicht daran denken. Ich habe einen freien Willen, dachte er. Ich muss es nicht tun. Ich weiß nicht, was passiert, wenn ich es nicht tue, aber der Herr wird mich nicht zwingen. Das weiß ich. Doch sicher war er sich nicht und ein Schauer lief ihm über den Rücken. Er rief seine Knechte, Genan und Kenan. Beide waren kräftige junge Männer, Brüder, die gut und folgsam ihre Arbeit erledigten und wenig tranken.
Er befahl ihnen Holz zu spalten und legte selbst mit Hand an. Die Arbeit tat ihm gut, wenn seine Schultern auch schmerzten. Mit jedem Schlag, der das Holz spaltete, versuchte er die zweifelnden Gedanken aus seinem Kopf zu vertreiben. Es gelang nicht, trotzdem fühlte er sich ein wenig besser. Der Herr wollte sein Opfer, gut, er sollte es bekommen. Erst nachdem das Holz gespalten war rief er seinen Sohn. Isaak trug nur einen Lendenschurz und seine hellbraune Haut glänzte, als hätte er sie mit Öl eingerieben. Er war noch ein Junge, aber schon jetzt war klar zu erkenne, dass er stark werden würde. Er war so geschickt in vielen Dingen und so klug.
\"Wir bringen dem Herrn in den Bergen des Landes Morija ein Brandopfer dar. Du wirst das Holz tragen.\"
Abraham schnürte ein Bündel und half es Isaak auf den Rücken zu binden. Seine Finger zitterten. Auf einmal fühlte er sich stärker als zuvor wie ein Mörder. Isaak war vollkommen arglos. Er lächelte breit und tat die schwere Last auf seinem Rücken als eine Leichtigkeit ab. Abraham dachte daran, was aus dem Jungen werden könnte. Ein Fürst, ein Anführer, ein weiser Mann. \"Wir gehen gleich los\", sagte Abraham. In der Küche entzündete er die Öllampe und nahm das Messer, welches speziell für Opferungen gedacht war. Die Klinge war scharf, sie würde durch Fleisch schneiden, als sei es nicht vorhanden. \"Ich freue mich darauf, euch alle bald wiederzusehen!\", sagte Sarah und Abraham entging nicht, dass sie ALLE sehr betonte.
Er nickte nur und noch bevor die Sonne am Zenit stand machten sie sich auf den Weg. Drei Tage würde die Reise dauern. Drei Tage Wüste. Drei Tage Wind, Sand und Hitze. Drei Tage um nachzudenken, zuviel zu denken. Abraham fürchtete jeden einzelnen Tag und mehr noch die kalten Nächte, in denen die Dämonen aus dem Sand krochen und mit ihren heulenden Stimmen den Verstand zu verwirren suchten. Abraham ritt auf dem Esel, er war zu alt um den Weg noch zu Fuß zurückzulegen. Isaak ging hinter ihm. Ganan und Kenan folgten. Am Abend rasteten sie an einem alten Brunnen, dessen Wasser aber noch nicht versiegt war. Sie tranken, aßen Dörrfleisch und redeten wenig. Die Nacht war schnell gekommen und Dunkelheit hüllte ihr kleines Lager ein. Die Finsternis war so tief und schwarz, als ob, wenn man einen Schritt in sie hinein tun würde, die Welt dort enden musste. Abraham versuchte zu schlafen, aber er konnte nicht. Gedanken surrten wie Mückenschwärme durch seinen Kopf. Kein Gedanke war zu fassen und doch schmerzte jeder wie ein Nadelstich. Er fiel in einen Schlaf, der so tief und schwarz war, wie die Nacht, die sie umgab; als Abraham am nächsten Morgen erwachte hatte er den Eindruck, dass noch immer die Dunkelheit an ihm klebte.
Sie ritten weiter, beobachten einen Sandsturm, der in der Ferne wehte, sie aber verschonte. Während der Mittagshitze pausierten sie, aßen ein wenig und schauten schweigend in den gelblichen Sand. Abraham dachte an Isaak, als dieser noch klein gewesen war. Seine offenen braunen Augen, mit denen er das Wunder der Welt betrachtete. Gelacht hatte er, ständig gelacht und dann wieder gegluckst. Haar hatte er erst spät bekommen, da war er schon fast zwei, als sich dieser dicke, kräftige Wuchs einstellte. Nichts hatte, nichts konnte ihm so viel Freude bereiten, wie dieser Junge, dieses Geschenk Gottes. Nimm deinen Sohn, den einzigen den du liebst.....
Abraham wollte in den Himmel schreien, der so klar, blau und tief über ihnen hing, so gleichgültig in seiner Schönheit. Doch der Mund des Alten Mannes blieb verschlossen. Kein Muskel zuckte in dem faltigen Gesicht. Er hatte nicht vor, sich eine Blöße zu geben. Isaak durfte keinen Verdacht schöpfen. Es waren noch über zwei Tage und sollte er etwa ahnen, dann würde er vermutlich versuchen zu fliehen. Abraham hatte seinen Sohn auch so lieb gewonnen eben, weil dieser so aufsässig war, so frech, so wild. Sarah hatte manchmal gesagt, dass er die Knute verdient habe, doch Abraham konnte es nicht. Da war dieses wunderbare Lachen, dass einen alles vergessen ließ. Ich werde es tun, dachte Abraham, der Herr hat zu mir gesprochen, aber der Herr kann nicht verlangen, dass ich ihn dafür auch noch liebe. Bin ich ein Diener meines Gottes und tue ich alles, was er von mir verlangt, so muss ich es doch nicht gerne tun. In der nächsten Nacht schlief Abraham schlecht. Trotz des Feuers war ihm kalt und ein böser Wind zischte in den Steinen. Oder waren es Dämonen? Fast meinte er ihr zischen zu hören. Sie verhöhnte ihn. Machten sich über ihn lustig. Die Wüste war weise und gnadenlos. Sie blendete einen und erzeugte Trugbilder, tröpfelte einen die Wahrheit über das Leben in die Ohren und ließ dann den Körper in der Sonne ausglühen. Abraham hielt sich die Ohren zu. Gott hatte ihm Isaak geschenkt und nun wollte er ihn wieder haben. Der Herr hat es gegeben und der Herr hat es genommen.
\"Habt ihr schlecht geschlafen, Herr\", fragte Kenan. Echte Sorge stand in seinen sonst so stumpfen Augen. Abraham verzichtete auf eine Antwort. Mühsam kletterte er auf seinen Esel und wies Isaak an neben ihm zu gehen.
Während die Sonne über den Horizont wanderte und die Luft in eine wabernde, ölige Masse verwandelte, dachte Abraham an das Zeichen Gottes, an die drei Engel.
Unter den Schatten der Eichen von Mamre hatte er gesessen und die Sonne hatte hell und strahlend am Himmel gestanden. Müdigkeit hatte ihn erfasst und als er geblinzelt hatte da waren auf einmal drei Männer die Strasse heruntergekommen. Gastfreundschaft war schon immer eine Tugend gewesen, außerdem hatten die Drei etwas besonderes an sich, dass hatte er gleich gefühlt. Er war aufgestanden und ihnen entgegengegangen.
Sie waren hochgewachsen, hatten pechschwarzes Haar und der Staub der Strasse hatte sich auf ihre Kleidung und Haut gelegt. Sie sahen sich merkwürdig ähnlich, als seien sie Brüder. Alle hatten sie diese tiefliegenden Augen, die schmale Nase, die hohen Wangenknochen und den schmalen, breiten Mund, der sich beim Sprechen kaum zu bewegen schien. Ihre schwarzen Umhänge waren aus grobem Stoff und obwohl sie eigentlich hätten schwitzen müssen war keine einzige Schweißperle auf ihrer Haut zu sehen. \"Fremde, seit meine Gäste. Ihr sehr aus, als seit ihr weit gereist und könntet eine Stärkung vertragen.\" Sie hatten sein Angebot angenommen und er hatte ihnen ein gutes, reichhaltiges Mal zubereiten lassen, welches sie ruhig, aber mit sichtlicher Freude, zu sich nahmen. \"Wo ist deine Frau, Sara\", fragte einer von ihnen. Er antwortete, dass sie im Zelt sei.
Da hob ein anderer der Drei seinen Kopf und sagte: \"In einem Jahr kommen wir wieder, dann wird Deine Frau Sarah einen Sohn haben.\"
Er hatte lächeln müssen, aber Sara, die, wie so oft, gelauscht hatte, lachte laut. Da hatte der Dritte der Männer gesprochen. \"Warum lacht Deine Frau?\" Abraham hatte den Kopf geschüttelt und ihnen erklärt dass er alt sei, sehr alt, genau wie seine Frau. Sara selbst sei schon lange über die Zeit hinweg, wo es möglich sei Kinder zu gebären. Da waren die Drei plötzlich aufgestanden und hatte wie mit einer Stimme gesprochen. \"Ist beim Herrn etwas unmöglich? In einem Jahr kommen wir wieder und Sara wird dann einen Sohn haben.\"
In diesem Moment hatte er erkannt, dass diese Drei Engel Gottes waren. Sara war aus dem Zelteingang gekommen und blass geworden. \"Meine Herren, ich habe nicht gelacht, ich ...\" Doch einer der Drei hob seine Hand auf eine herrische Weise und schüttelte den Kopf. \"Doch, du hast gelacht!\"

Das war es. Abraham schaute in den Sand, vorbei an seinem Sohn, der stumm neben ihm trottete. Vielleicht, wenn sie nicht gelacht hätte, dann hätte sie den Herrn nicht erzürnt und er würde dieses Opfer nicht von seinem Diener Abraham verlangen. Der alte Mann spürte auf einmal bittren Zorn in sich aufsteigen. Sie hätten die Männer gleich als dass erkennen müssen was sie waren, dass war eine Sache, aber sich über ihre Prophezeiung lustig zu machen, dass war ein Fehler gewesen. Abraham biss sich auf die Lippen. Sara würde toben und schreien und ihn verfluchen, wenn er ohne Isaak wiederkam, doch er würde ihr sagen, dass sie selbst es war, die Schuld am Tod ihres Sohnes trug. Sie, mit ihrer Neugier und ihrem vorlautem Gelächter. Abraham ballte seine Faust und schlug seinen Esel Piloch kurz, aber hart auf den Rücken. Isaak sah ihn an. \"Hast du etwas, Vater?\" Abrahams grimmiger Blick brachte Isaak zum schweigen.
Der Tag ging und der Abend tauchte ein in die kühle Finsternis der Wüste. Als Abraham aus dem Schlaf hochschreckte war es merkwürdig still und dass Lagerfeuer glühte nur noch. In seinem Schein hockte ein Mann, der Abraham anstarrte. Wie die Engel, denen er einst begegnet war, war der Mann von hohem Wuchs und hatte die Kopfform eines Fürsten, schmal und streng. Die schwarzen, welligen Haare fielen ihm bis auf die Schultern. Seine langen, glatten Finger schauten unter den weiten Hemdsärmeln hervor.
\"Wer bist Du? Träume ich?\", fragte Abraham und stand auf. Abraham wurde sich der vollkommenen Stille die ihn umgab bewusst. Isaak, Genan und Kenan lagen auf dem Boden, eingehüllt in ihre Decken, und rührten sich nicht. Kein Windhauch streifte Abrahams Gesicht und von den glühenden Zweigen ging kein Knistern aus.
Der geheimnisvolle Mann stand auf, lächelte und breitete die Arme aus. \"Vielleicht ist alles ein Traum. Vielleicht existiert diese Schöpfung nur im wilden Traum eines sterbenden Gottes?\" Im ersten Augenblick hatte Abraham gedacht, einen Engel vor sich zu haben, doch diese Worte und die wilden Augen ließen ihn schnell seinen Irrtum erkennen. Der alte Mann riss seine Hände hoch und machte das Zeichen gegen den bösen Blick. \"Weiche von mir Satan!\", schrie Abraham. Doch sein Gegenüber neigte nur leicht den Kopf. \"Wie oft ich dass schon gehört habe und hören werde und wie sehr die Leute sich doch irren!\" Abraham trat einen Schritt zurück.
Die Augen des Mannes, sie waren vollkommen schwarz, als hätte er keine Augäpfel, sondern stattdessen nur eine schillernde flimmernde Masse. Auch seine Lieder fehlten.
\"Wer bist Du?\", fragte Abraham. Er zweifelte an seiner ersten, spontanen Einschätzung. Als die Engel, die Isaaks Geburt prophezeit hatten, weiterziehen wollten, hatte einer der Engel sich an Abraham gewandt. Er hatte den Blick Richtung Sodom gewandt und gesagt, dass der sie im Auftrag Gottes die Stätte der Sünde besichtigen und beseitigen wollten.
Abraham hatte sich ein Herz gefasst, war auf den Engel zugegangen und hatte ihn gefragt: \"Was aber, wenn ihr fünfzig Gerechte in der Stadt findet? Wollt ihr sie dann zusammen mit den Sündern töten? Wäre dass nicht ungerecht von dem, der die Gerechtigkeit und der Schöpfer der Welt ist?\"
Abraham erinnerte sich nur zu gut an das Hämmern des Herzens in seiner Brust und die Angst, die er hatte. Trotzdem musste er sprechen.
Der Engel hatte nachgegeben und gesagt, dass sie die Städte verschonen wollten, wenn sie fünfzig Gerechte finden sollten. Doch Abraham hatte nicht nachgelassen und gefragt, was denn sei, wenn sie vierzig finden sollten. Wieder hatte der Engel nachgegeben, aber etwas war mit seinen Augen geschehen. Sie hatten sich verdunkelt. Ein klein wenig, aber doch so, dass man es sehen konnte. Auch waren die sanften Züge in seinem Gesicht schärfer geworden. Rückblickend verstand Abraham sich selber nicht, aber er hatte weiter gedrängt und gefragt, was denn sei, wenn in den Städten dreißig Gerechte seinen. Wieder hatte der Engel nachgegeben, doch seine Augen waren noch dunkler geworden. Je länger Abraham sprach, desto schwärzer und dunkler waren die Augen geworden, so schwarz und dunkel wie die Augen des Mannes, der ihm hier gegenüberstand. Vielleicht war er nicht Satan, sondern ein Engel in Wut.
Der Mann trat auf Abraham zu, stellte sich neben ihn und wies auf den Himmel. Kalt standen die Sterne am wolkenlosen Himmel und eine Heerschar von Sternschnuppen erhellte ihn. Der Mann zeigte auf die Sternschnuppen. \"Das alles sind Engel. Helle Dämonen Gottes. Sie gleiten durch die Nacht, wie glitzerndes Eis in der Dunkelheit.\"
Abraham löste sich aus dem Griff. \"Und was bist Du?\" Der Mann antwortete: \"Ich weiß es nicht. Dein Gewissen? Immerhin, bist Du dabei, dein geliebtes Kind zu töten. Da sollte ich mich wohl mal melden.\"
\"Verschwinde\", sagte Abraham. \"Ich befolge nur den Wunsch des Herrn!\"
\"Den Wunsch des Herrn\", wiederholte der Mann und schüttelte den Kopf, wobei seine Haare wie flüssige Seide über seine Schulter glitten.
\"Es ist mein freier Wille!\", sagte Abraham. \"Nein!\", antwortete der Mann. \"Einen freien Willen gibt es nicht. Aus Furcht gehorchst Du, aus Angst vor Strafe!\" Abraham schüttelte seinen grauen Kopf. \"Welche Strafe könnte schlimmer sein als dieser Auftrag?\" Plötzlich stand der Mann Abraham direkt gegenüber. \"Was willst du Sara erzählen, wenn du wiederkommst. Was willst du Deinen Verwandten erzählen? Was wirst Du Dir selber erzählen, nachts, wenn du unter Deiner Bettdecke liegst und die Schatten an den Wänden sich dir entgegenwinden und Du die Nähe des Todes spürst?\" Abraham schwieg. Er hatte keine Antwort. Er wollte diese Dinge nicht hören. Der Mann, der vielleicht nur eine Einbildung war, oder der Satan, sprach weiter. \"Blinder Gehorsam wird euch Menschen noch viel Leid zufügen. Willst Du der Erste sein in einer langen Reihe von Menschen die ihre Gräueltaten damit rechtfertigen, den Willen Gottes zu gehorchen?\"
Abraham richtete sich auf. Er musste sich verteidigen. \"Gott selbst hat zu mir gesprochen. Es ist SEIN Wille, den ich befolge. ER will es, also werde ich es tun.\" Der Mann glitt zurück. Ein Ausdruck des Triumphes auf den blassen Zügen der Abraham innerlich zusammenfahren ließ. Wer hatte gewonnen, wer hatte verloren? Der Mann schien über dem Boden zu schweben und mit der Nacht zu verschmelzen.
Am dritten Tag erreichten sie das Gebirge Morija. Abraham hatte den ganzen Tag kein Wort gesprochen.
Die Berge hoben sich still von der kahlen Wüste ab. Riesige zerklüftete Felsen, eingetaucht in das Licht der Sonne. Riesige, graue Felsen die etwas bedrohliches hatten.
Abraham wandte sich seinen beiden Knechten zu. „Ich gehe mit Isaak weiter, ihr bleibt hier mit dem Esel und wartete dass wir wiederkommen!“
Abraham nahm das Holz von Pilochs Rücken und gab es seinem Sohn, damit dieser es trage und verfluchte sich selber innerlich, gab er ihm doch das zu tragen, was seinen toten Körper später verzehren würde.
Sie gingen nebeneinander her, schweigend. Abraham betrachtet den Boden unter seinen Füßen und den Staub den sie aufwirbelten. Plötzlich blieb Isaak stehen. „Vater, hier ist das Holz und das Feuer, aber wo ist das Lamm für das Brandopfer?“
Er ahnt etwas, dachte Abraham und sein Herz begann schneller zu schlagen. Was soll ich ihm sagen? Du bist das Opfer? Abraham hasste die Lüge. Die Lüge war die Zunge des Satan, aber er zögerte kaum, als er antwortete. „Gott wird sich ein Opferlamm aussuchen, mein Sohn!“
Isaak nickte und sie gingen weiter. Wie leicht das gewesen war. Wie mühelos. Abraham dachte an seinen nächtlichen Besucher und ihm schauderte. Das hier konnte nicht recht sein. Wie konnte der Herr das von ihm verlangen? Da stieg Wut in Abraham auf und im gleichen Augenblick die Furcht, wusste er doch dass der Herr alles sah, auch das war unsichtbar blieb. Er fürchtete sich davor dass der Herr die Wut, den Hass in seinem Herzen gesehen hatte und mit ihm zürnen könnte. Der Herr hatte ihm alles gegeben, ihn vor Not und Leid gerettet und ihn, seinen Knecht, vor dem Tod bewahrt. Abrahams Hände zitterten und er war froh, als sie den Aufstieg begannen, denn dann war er wenigstens Abgelenkt.
Sie kletterten über die rauen Felsen. Abraham folgte der inneren Stimme, diesem Gefühl, dass ihm sagte, wo das Opfer stattfinden sollte. Bald hatten sie eine von dornigen und struppigen Gebüsch bewachsene Stelle erreicht und Abraham wusste das dies der Ort war an dem er sein schreckliches Werk vollbringen. Abraham dachte das er, wenn dies vorbei war, seinen Herrn nur noch fürchten, aber nicht mehr würde lieben können. Ihm schauderte, als er das Holz nahm und unter den misstrauischem Blick Isaaks das Holz schichtete.
Isaak war jung, stark, kräftig und geschickt, wie sollte er Alter Mann ihn auf diesen Altar zwingen. Isaak würde sich wehren und er konnte ihn unmöglich bezwingen.
„Wo ist denn nun das Opferlamm?“ fragte Isaak und kniff dabei die Augenbrauen zusammen. „Ich sehe nichts!“
Abraham nahm einen der dickeren Holzscheite und sagte: Dort hinter dir. Isaak drehte sich um und Abraham schlug zu. Benommen sackte Isaak zusammen und Abraham zögerte nicht ihn zu fesseln.
Mühsam zerrte Abraham den Körper seines Sohnes auf den Scheiterhaufen. Seine müden Muskeln wehrten sich gegen die Anstrengung, doch dann hatte er es geschafft. Die Sonne stand hoch am hellen Himmel als Abraham nach seinem Opfermesser griff. Der Griff war aus Holz, die Klinge scharf. Sie würde mühelos durch das Fleisch schneiden. Abraham hob die Klinge und zögerte. Warum gerade Isaak? Warum nicht Ismael? Ja, er liebte auch diesen Sohn, aber er hatte ihn fortgeschickt, zusammen mit Hagar, der Magd, die Ismael Mutter war. Abraham senkte das Messer. Seine Arme wurden ihm schwer. Ohne das er es wollte rannen Tränen über seine faltigen Wangen. Sie hatten sich so ein Kind gewünscht und weil Sarah keine Kinder bekam hatte er bei Hagar gelegen, wie seine Frau es selber gewollt hatte. Ihre Haut war glatt und weich gewesen und ihre Brüste klein. Ismael. Er hatte ihn, nachdem er entwöhnt war, in die Wüste geschickt, mit seiner Mutter und sie hätten umkommen können, aber der Herr hatte seine Engel geschickt sie zu schützen. Groß und stark war Ismael geworden, ein Sohn der Wüste, Urahn kommender Geschlechter, ein Meister im Bogenschießen mit herrischem Blick. Lieber wäre ihm Ismael würde hier liegen, den von beiden Söhnen war es Isaak zu den er die meiste Liebe empfand. Abraham drehte leicht den Kopf und mit tränenverschleierten Augen sah er sie, die Gestalt, die ihn in der Wüstennacht begegnet war. Jetzt erst fiel ihm auf, dass die Haare dieses Wesens so lang waren wie bei einer Frau. Lange, schwarze Haare, die bis zur Hüfte reichten und sich im Wind wiegten.
\"Was ist das für ein Gott, der nicht in die Herzen seiner Geschöpfe schauen kann? Weiß er nicht das Du ein Diener seiner Herrlichkeit bist? Muss er dich erst auf die Probe stellen?\"
Abraham wollte nichts hören. Die Worte brannten in seinem Herzen. Aber lag nicht eine Wahrheit in ihnen.
Die Gestalt kam näher und ihr Mund beugte sich zu Abrahams Ohr. Eine merkwürdige Kälte ging von ihr aus und kein Atemhauch kam durch ihre Nase. \"Ein Vater, der seinen eigenen Sohn tötet, was ist das für ein Mensch. Ein Mensch der Gott gehorcht? Einer Stimme, die sonst keiner hört? Ist dieser jemand ein wahrer Diener oder nichts weiter als ein Mörder an seinem eigenen Fleisch und Blut? Bist du nicht Herr deiner selbst? Wirst Du der Anfang einer langen Reihe sein, die tötet weil, Gott es befohlen hat?
Abraham wirbelte herum. Eine wilde Wut ergriff ihn. Er schrie: Weiche von mir! Nein. Die Stimme des Herrn hatte mit zu ihm gesprochen. Der Wille Gottes war mehr als der menschliche Wille, mehr als alles war in einem erbärmlichen Menschlichen leben wichtig war. Kraftvoll riss er die Arme hoch, dass Messer mit beiden Händen umklammernd um es mit aller Wucht niederstoßen zu können. Da wurde das Licht der Sonne noch heller und aus dem Glanz rief eine Stimme seinen Namen: Abraham, Abraham! und ihm schauderte. Seine Stimme bebte als er antworte. Hier bin ich. Die Stimme kam direkt aus dem Licht, welches nah und gleichzeitig fern war und sie vibrierte in Abrahams Herz, als würde sie dort nicht nur wiederhallen, sondern auch von dort komme, auch aus den Steinen und der Erde selber.
\"Strecke deine Hand nicht gegen den Jungen aus!\", sagte die Stimme. \"Jetzt weiß ich, dass Du Gott fürchtest, denn du hast mir deinen Sohn nicht vorenthalten.\"
Langsam senkte Abraham das Messer und als der das tat sah er einen jungen Widder der sich in einem Dornengestrüpp verfangen hatte und mit heftigen Bewegungen versuchte sich zu befreien. Mit einer schnellen Bewegung zerschnitt Abraham die Fesseln seines Sohnes, packte den Widder und durchtrennte dessen Kehle mit einem Schnitt.
Der Scheiterhaufen loderte und der Geruch verbrannten Fleisches hing in der hitzegeschwängerten Luft. Abraham saß auf einem Felsen, Isaak, so weit wie möglich entfernt, auf einem anderen. Isaak hatte seinem Vater den Rücken zugedreht und das Gesicht in den Händen vergraben. Sein Vater hatte versucht mit ihm zu reden, er aber wollte nicht. Der Schrecken saß so tief, dass er nicht einmal weinen konnte.
Abraham fühlte sich alt. Weit über hundert Jahre trug der Körper ihn nun schon durch die Welt. Alle diese Jahre drückten ihn nun. Die Gestalt war noch einmal erschienen und hatte ihn gefragt, wo er, wo er Abraham, denn nun stehe. Und er war eine Antwort schuldig geblieben, auch nachdem ein Engel des Herrn erschienen war und Abrahams Treue zu belohnen versprach. Nachkommen, so zahlreich wie die Sterne am Himmel. Ich bin nur eine Perle an einer endlosen Kette, hatte Abraham gedacht, ein Mann am Anfang vieler Männer und Frauen, die nach mir kommen werden. Ein Mann, von Gott erwählt und ein Mann der Treue über die Menschlichkeit.
Sie waren wieder nach unten geklettert, schweigend, zu den Knechten gegangen und er hatte versucht mit Isaak zu reden aber dieser hatte nur geschwiegen und in seinen Augen war etwas zerbrochen, was niemals wieder zu einem Ganzen gefügt werden konnte. So waren sie weitergegangen durch die Wüste deren Stille sie einfing und in der Nacht war keine Gestalt mehr gekommen, nur ein leiser, lästiger Wind, der in Abrahams Ohren rauschte und dessen säuseln zu einer Stimme wurde, zu der Stimme der Gestalt und die Stimme flüsterte und wisperte und immer waren es fragen und es waren kluge Fragen und Abraham wusste nur, dass er die Antwort auf diese Fragen nicht kannte und als er erwachte sah er dass er geweint hatte und dass die Tränen zu Eis geworden waren und die Tränen in der Morgensonne funkelten.
Und sie machten sich auf und gingen weiter nach Beerschaba, wo Abraham wohnen blieb.
 

Henry

Mitglied
jo,

du solltest deinen Text vielleicht ein wenig mehr strukturieren, damit das Auge nicht ganz so ermattet beim Lesen.

Henry
 
G

Gelöschtes Mitglied 4259

Gast
Hallo Rappelchen

(was für'n wunderlicher Name; irgendwie aber lustig und interessant zugleich!), ich habe die Geschichte zum Teil mit Vergnügen gelesen. Es gibt einige wirklich gelungene Passagen - z.B. der geheimnisvolle Fremde in der Wüste - und Formulierungen, z.B. "Du bist ein Esel, ich bin ein Esel..."

Es ist sicher nicht einfach und bedarf einer gehörigen Portion Phantasie, den knappen Ursprungstext in eine solche anschauliche, bildhafte Form zu bringen. Allerdings: Was war Deine Absicht? Ging es nur um eine Art "üppigere Wiederholung" der bekannten Geschichte, um sie den Lesern ins Gedächtnis zu bringen? Oder gab es die Absicht einer Eigeninterpretation der - aus heutiger Sicht - immer noch schwer nachvollziehbaren Geschichte? Bei Zweiterem müßte man natürlich nach den Abweichungen zum Original fragen. Bis auf den Fremden kann ich keine entdecken. (Oder hab ich was überlesen?)

Die Gliederung könnte - s. Henry - klarer sein; mit zunehmendem Textfortschritt schlich sich leider auch der Fehlerteufel zunehmend ein: z.B. heißt es nicht "Augenlied", sondern "Augenlid"; das "Schweigen" ist ein Substantiv; man nimmt kein "Mal" zu sich, sondern ein Mahl bzw. eine Mahlzeit usw. (Fehler in Gramm. und Rechtschr. sind für mich trotzdem relativ nebensächlich, also nicht soviel auf diesen Teil geben...)

Die Bilder sind großenteils stimmig und illustrieren gut die Zeit und Umgebung. Nur bei den "schwarzen Augen" als "schillernde Masse" fehlt mir das Vorstellungsvermögen.

Vielleicht nochmal überarbeiten? Der Stoff gibt viel her für Neuinterpretationen... (Interessant z.B. die von Franz Fühmann: Er läßt, glaube ich, den Mi-ha-El = Wer - ist wie -Gott, also den gefallenen Erzengel Michael, als Denjenigen in die Opferszene eingreifen, der Abraham von seinem Wahnsinn abbringt.)

Liebe Grüße

Pen.
 

endlich

Mitglied
Hallo Rappelchen,

mir hat deine Geschichte so gut gefallen (Sie drückt genau aus, was ich immer in der Magengrube fühle, wenn ich mit Texten aus dem alten Testament konfrontiert werde, und außerdem ist sie wunderschön geschrieben!), deshalb habe ich sie noch einmal mit dem Stift gelesen! :)

Habe einfach, was mir zuviel vorkam, in Unterstriche gesetzt (doppelte Wörter, Komma zuviel etc.), und was ich ergänzt habe (Kommas, Buchstaben), in Klammern. Wenn ich nicht sicher war, habe ich ein Fragezeichen dazugeschrieben. Und auch, wenn ich fand, ein ganzer Satz klingt irgendwie noch überarbeitungsbedürftig.

Ich hoffe, es nützt dir was!

Viele Grüße

endlich


Abrahams Opfer!

Die Sonne fiel gleißend hell durch das kleine Fenster der Lehmhütte. Staub wirbelte in dem goldenen Lichtstrahl, tanzend, wie winzige Diamanten. Abraham blinzelte. Er war alt, aber noch nie hatte er sich so alt gefühlt_,_ wie jetzt. Die hereinstürzenden Strahlen der Morgensonne blendeten ihn und er schloss seine müden Augen wieder.
Seine Knochen schmerzten. In ihnen steckte noch die Anstrengung der langen Reise, die er hinter sich hatte.
Draußen meckerte ein Esel, Sarah lärmte in der Küche und Isaak tobte mit Ismael über den Hof. Es war noch früh, (aber?) alle waren schon auf und auch er hätte sich schon lange von seinem Lager erheben sollen. Ein Wunder, dass Sarah ihn noch nicht geschüttelt und mit sanftem Lächeln einen elenden Faulpelz genannt hatte.
Abraham sah vor seinem inneren Auge(,) wie die Morgensonne über den Horizont kroch und das Land mit ihrem warmen Licht einhüllte. Die Morgensonne hatte er immer geliebt. Neue _, frische_ Kraft, ein neuer Tag, so frisch, dass alles alte versank.
Jetzt verfluchte er sie.
Gott hatte mit ihm gesprochen. Am Abend, bevor er in diesen traumlosen, kalten Schlaf gefallen war, der ihn nicht erfrischt, sonder erschöpft hatte.
\"Abraham\", so hatte er ihn gerufen, wie er es immer getan hatte. Die Stimme schien _immer_ von allen Seiten zu kommen, von außen und von innen.
\"Hier bin ich\", hatte er geantwortet und, wie immer, war ein Schauer durch seinen Körper gegangen, denn die Stimme war _so voll,_ so warm, so _voller_ macht_voller_ Schwingung. Ein Ton _voller_ Kraft und einer Ahnung von unendlicher _Macht_, die dahinter stand (?). Ein Ton Welten zu schaffen, zu zerstören. Oder mit Menschen zu reden, dachte Abraham.
Der alte Mann richtete sich ruckartig auf, jedes einzelne seiner Lebensjahre wollte ihn niederdrücken. Sein Kopf schmerzte, in den Ohren summte es und sein Herz klopfte so hart und fest, als wolle es den Brustkorb sprengen.
Ja, Gott hatte gesprochen und seine Worte waren klar gewesen. Am schlimmsten war jedoch die Freude, die er empfand, wenn der Herr sich an ihn wandte, eine Freude(,) die sogar jetzt noch da war, trotz der Müdigkeit, trotz dem, was Gott gesagt, trotz dem, was Gott von ihm wollte.
\"Nimm Deinen Sohn, deinen einzigen, den du liebst, Isaak, geh in das Land Morija und bring ihn dort auf einen(einem) der Berge, den ich dir nenne, als Brandopfer dar.\"
Abraham wollte aufstehen, aber seine Beine versagten.
\"Bringe ihn als Brandopfer dar. Tue, was der Herr dir befie(h)lt\", flüsterte Abraham vor sich hin.
Isaak, wie sehr er ihn liebte, mehr als es gut war für einen Vater, mehr als es gut war für einen Sohn. Jetzt war er schon ein Junge, stark, mit einer Haut wie Bronze, einem breitem Lächeln und tiefbraunen Augen. Wenn Isaak lachte, dann musste man mitlachen, um was auch immer es ging. So voller Kraft war sein Sohn, so voller dummer Streiche.
Erst vor einigen Tagen hatte Isaak (ihm?) eine Kröte in das Bett gelegt und sich halb tot gelacht über das erschreckte Gesicht seines Vaters, als dieser die Decke zurückschlug. Andere Väter hätten ihren Sohn gezüchtigt, hätten ihm mit der Rute Respekt beigebracht. Er hatte es nicht gekonnt. Gelacht hatte er, mit ihm, in den Armen hatten sie gelegen und Tränen waren ihnen über die Wangen gelaufen, vor Liebe, vor Freude, vor Spaß. Sarah hatte in der Tür gestanden, den Kopf geschüttelt über den Jungen und den alten Narren, der ihr Mann war und mit dem ein unsichtbarer Gott sprach. Ein Lächeln hatte ihr Gesicht erhellt und die spöttischen Augen lügen gestraft.
\"Bringe ihn als Brandopfer dar(.)\"_._
Abraham riss sich zusammen, stand auf und zog sich frische Sachen an.
Schweigend ging er an Sara vorbei, die in der Küche Brot buk(,) und trat nach draußen. An der Luft konnte er riechen, dass es ein heißer Tag sein(werden?) würde, heißer als an den Tagen, an denen der Herr Sodom und Gomorra vom Erdboden getilgt hatte. Abraham dachte an den Regen aus Asche, der danach tagelang über dem Land niedergegangen war(,) und er dachte, dass (s)eine Seele sich anfühlte, als würde diese heiße Asche jetzt auf sie niedergehen und (sie) ersticken.
Schnellen Schrittes ging er zum Stall. Isaak warf ihm einen kurzen Gruß zu und spielte dann weiter. Zwischen zwei Stäbe hatte er ein Seil gespannt und balancierte nun auf dem Seil einen selbstgedrechselten Kreisel, was er mit großer Geschicklichkeit tat.
Abraham zwang sich nicht hinzusehen, sondern ging direkt in den Stall und sattelte den Esel. Ein knurriges, zähes Tier mit traurigen Augen. Abraham streichelte ihn zwischen den Ohren.
\"Du bist ein Esel, ich bin ein Esel. Wir tun, was man uns sagt. Du trägst die Last, die ich dir aufbürde, ich trage die Last, die der Herr mir aufbürdet.\" Abraham nannte den Esel Piloch, wie den Feldherrn von König Abimelech. Piloch hatte ebenso traurig in die Welt gesehen und war genauso hässlich und struppig gewesen. Abraham sattelte das Tier, das ruhig und gelassen stehen blieb(,) und ging dann aus dem Stall. Sarah stand in der Tür, die Hände vor der Brust verschränkt, die Lippen fest zusammengekniffen. Sie schwieg.
\"Der Herr hat mit mir gesprochen. Ich soll ihm ein Opfer bringen. Ich werde unsere Knechte und Isaak mitnehmen!\"
Sarah ließ ihn durch, aber der angespannte Ausdruck wich nicht aus ihrem Gesicht. Sie war eine wundervolle Frau, die er aus ganzem Herzen liebte, aber sie konnte auch sehr störrisch werden. Er rechnete damit, dass sie ihn zur Rede stellen würde, aber statt dessen sagte sie nur: \"Ich werde euch Brote und Wein für den Weg einpacken.\" Abraham spürte wieder die drückende Last des Alters. So viele Jahre. Sie glaubte ihm, aber er konnte auch dass Misstrauen in ihren dunklen Augen sehen. Was würde sie sagen, wenn er ohne Isaak wiederkam? Wenn er ihr sagen musste, dass er Isaak dem Herrn zum Brandopfer dargebracht hatte? Was würde sie tun? Abraham rieb sich die Augen. Er konnte, er wollte nicht daran denken. Ich habe einen freien Willen, dachte er. Ich muss es nicht tun. Ich weiß nicht, was passiert, wenn ich es nicht tue, aber der Herr wird mich nicht zwingen. Das weiß ich. Doch sicher war er sich nicht und ein Schauer lief ihm über den Rücken. Er rief seine Knechte, Genan und Kenan. Beide waren kräftige junge Männer, Brüder, die gut und folgsam ihre Arbeit erledigten und wenig tranken.
Er befahl ihnen Holz zu spalten und legte selbst mit Hand an. Die Arbeit tat ihm gut, wenn seine Schultern auch schmerzten. Mit jedem Schlag _, der das Holz spaltete,_ versuchte er die zweifelnden Gedanken aus seinem Kopf zu vertreiben. Es gelang nicht, trotzdem fühlte er sich ein wenig besser. Der Herr wollte sein Opfer, gut, er sollte es bekommen. Erst nachdem das Holz gespalten war rief er seinen Sohn. Isaak trug nur einen Lendenschurz und seine hellbraune Haut glänzte, als hätte er sie mit Öl eingerieben. Er war noch ein Junge, aber schon jetzt war klar zu erkenne(n), dass er stark werden würde. Er war so geschickt in vielen Dingen und so klug.
\"Wir bringen dem Herrn in den Bergen des Landes Morija ein Brandopfer dar. Du wirst das Holz tragen.\"
Abraham schnürte ein Bündel und half es Isaak auf den Rücken zu binden. Seine Finger zitterten. Auf einmal fühlte er sich stärker als zuvor wie ein Mörder. Isaak war vollkommen arglos. Er lächelte breit und tat die schwere Last auf seinem Rücken als eine Leichtigkeit ab. Abraham dachte daran, was aus dem Jungen werden könnte. Ein Fürst, ein Anführer, ein weiser Mann. \"Wir gehen gleich los\", sagte Abraham. In der Küche entzündete er die Öllampe und nahm das Messer, welches speziell für Opferungen gedacht war. Die Klinge war scharf, sie würde durch Fleisch schneiden, als sei es nicht vorhanden. \"Ich freue mich darauf, euch alle bald wiederzusehen!\", sagte Sarah und Abraham entging nicht, dass sie ALLE sehr betonte.
Er nickte nur und noch bevor die Sonne am Zenit stand machten sie sich auf den Weg. Drei Tage würde die Reise dauern. Drei Tage Wüste. Drei Tage Wind, Sand und Hitze. Drei Tage um nachzudenken, zuviel zu denken. Abraham fürchtete jeden einzelnen Tag und mehr noch die kalten Nächte, in denen die Dämonen aus dem Sand krochen und mit ihren heulenden Stimmen den Verstand zu verwirren suchten. Abraham ritt auf dem Esel, er war zu alt um den Weg noch zu Fuß zurückzulegen. Isaak ging hinter ihm. Ganan und Kenan folgten. Am Abend rasteten sie an einem alten Brunnen, dessen Wasser aber noch nicht versiegt war. Sie tranken, aßen Dörrfleisch und redeten wenig. Die Nacht war schnell gekommen und Dunkelheit hüllte ihr kleines Lager ein. Die Finsternis war so tief und schwarz, als ob, wenn man einen Schritt in sie hinein tun würde, die Welt dort enden musste. Abraham versuchte zu schlafen, aber er konnte nicht. Gedanken surrten wie Mückenschwärme durch seinen Kopf. Kein(er) _Gedanke_ war zu fassen und doch schmerzte jeder wie ein Nadelstich. Er fiel in einen Schlaf, der so tief und schwarz war, wie die Nacht, die sie umgab; als Abraham am nächsten Morgen erwachte hatte er den Eindruck, dass noch immer die Dunkelheit an ihm klebte.
Sie ritten weiter, beobachten einen Sandsturm, der in der Ferne wehte, sie aber verschonte. Während der Mittagshitze pausierten sie, aßen ein wenig und schauten schweigend in den gelblichen Sand. Abraham dachte an Isaak, als dieser noch klein gewesen war. Seine offenen braunen Augen, mit denen er das Wunder der Welt betrachtete. Gelacht hatte er, ständig gelacht und dann wieder gegluckst. Haar hatte er erst spät bekommen, da war er schon fast zwei, als sich dieser dicke, kräftige Wuchs einstellte. Nichts hatte, nichts konnte ihm so viel Freude bereiten, wie dieser Junge, dieses Geschenk Gottes. Nimm deinen Sohn, den einzigen den du liebst...(..)
Abraham wollte in den Himmel schreien, der so klar, blau und tief über ihnen hing, so gleichgültig in seiner Schönheit. Doch der Mund des Alten Mannes blieb verschlossen. Kein Muskel zuckte in dem faltigen Gesicht. Er hatte nicht vor, sich eine Blöße zu geben. Isaak durfte keinen Verdacht schöpfen. Es waren noch über zwei Tage und sollte er etwa(s) ahnen, dann würde er vermutlich versuchen zu fliehen. Abraham hatte seinen Sohn auch so lieb gewonnen(,) eben, weil dieser so aufsässig war, so frech, so wild. Sarah hatte manchmal gesagt, dass er die Knute verdient habe, doch Abraham konnte es nicht. Da war dieses wunderbare Lachen, das_s_ einen alles vergessen ließ. Ich werde es tun, dachte Abraham, der Herr hat zu mir gesprochen, aber der Herr kann nicht verlangen, dass ich ihn dafür auch noch liebe. Bin ich ein Diener meines Gottes und tue ich alles, was er von mir verlangt, so muss ich es doch nicht gerne tun. In der nächsten Nacht schlief Abraham schlecht. Trotz des Feuers war ihm kalt und ein böser Wind _zischte_ in den Steinen. Oder waren es Dämonen? Fast meinte er ihr _zischen_ zu hören. Sie verhöhnte ihn. Machten sich über ihn lustig. Die Wüste war weise und gnadenlos. Sie blendete einen und erzeugte Trugbilder, tröpfelte einen die Wahrheit über das Leben in die Ohren und ließ dann den Körper in der Sonne ausglühen. Abraham hielt sich die Ohren zu. Gott hatte ihm Isaak geschenkt und nun wollte er ihn wieder haben. Der Herr hat es gegeben und der Herr hat es genommen.
\"Habt ihr schlecht geschlafen, Herr(?)\", fragte Kenan. Echte Sorge stand in seinen sonst so stumpfen Augen. Abraham verzichtete auf eine Antwort. Mühsam kletterte er auf seinen Esel und wies Isaak an neben ihm zu gehen.
Während die Sonne über den Horizont wanderte und die Luft in eine wabernde, ölige Masse verwandelte, dachte Abraham an das Zeichen Gottes, an die drei Engel.
Unter den Schatten der Eichen von Mamre hatte er gesessen und die Sonne hatte hell und strahlend am Himmel gestanden. Müdigkeit hatte ihn erfasst und als er geblinzelt hatte(,) da waren auf einmal drei Männer die Stra_ss_(ß)e heruntergekommen. Gastfreundschaft war schon immer (s?)eine Tugend gewesen, außerdem hatten die Drei etwas besonderes an sich, das_s_ hatte er gleich gefühlt. Er war aufgestanden und ihnen entgegengegangen.
Sie waren hochgewachsen, hatten pechschwarzes Haar und der Staub der Strasse hatte sich auf ihre Kleidung und Haut gelegt. Sie sahen sich merkwürdig ähnlich, als seien sie Brüder. Alle hatten sie diese tiefliegenden Augen, die schmale Nase, die hohen Wangenknochen und den schmalen, breiten (schmal oder breit?) Mund, der sich beim Sprechen kaum zu bewegen schien. Ihre schwarzen Umhänge waren aus grobem Stoff und obwohl sie eigentlich hätten schwitzen müssen war keine einzige Schweißperle auf ihrer Haut zu sehen. \"Fremde, sei_t_(d) meine Gäste. Ihr seh_r_(t) aus, als sei_t_(d) ihr weit gereist und könntet eine Stärkung vertragen.\" Sie hatten sein Angebot angenommen und er hatte ihnen ein gutes, reichhaltiges Mal zubereiten lassen, welches sie ruhig, aber mit sichtlicher Freude, zu sich nahmen. \"Wo ist deine Frau, Sara\", fragte einer von ihnen. Er antwortete, dass sie im Zelt sei.
Da hob ein anderer der Drei seinen Kopf und sagte: \"In einem Jahr kommen wir wieder, dann wird Deine Frau Sara_h_ einen Sohn haben.\"
Er hatte lächeln müssen, aber Sara, die, wie so oft, gelauscht hatte, lachte laut. Da hatte der Dritte der Männer gesprochen. \"Warum lacht _D_(d)eine Frau?\" Abraham hatte den Kopf geschüttelt und ihnen erklärt(,) dass er alt sei, sehr alt, genau wie seine Frau. Sara selbst sei schon lange über die Zeit hinweg, wo es möglich sei Kinder zu gebären. Da waren die Drei plötzlich aufgestanden und hatte(n) wie mit einer Stimme gesprochen. \"Ist beim Herrn etwas unmöglich? In einem Jahr kommen wir wieder und Sara wird dann einen Sohn haben.\"
In diesem Moment hatte er erkannt, dass diese Drei Engel Gottes waren. Sara war aus dem Zelteingang gekommen und blass geworden. \"Meine Herren, ich habe nicht gelacht, ich ...\" Doch einer der Drei hob seine Hand auf eine herrische Weise und schüttelte den Kopf. \"Doch, du hast gelacht!\"

Das war es. Abraham schaute in den Sand, vorbei an seinem Sohn, der stumm neben ihm trottete. Vielleicht, wenn sie nicht gelacht hätte, dann hätte sie den Herrn nicht erzürnt und er würde dieses Opfer nicht von seinem Diener Abraham verlangen. Der alte Mann spürte auf einmal bittren Zorn in sich aufsteigen. Sie hätten die Männer gleich als das_s_ erkennen müssen was sie waren, das_s_ war eine Sache, aber sich über ihre Prophezeiung lustig zu machen, das_s_ war ein Fehler gewesen. Abraham biss sich auf die Lippen. Sara würde toben und schreien und ihn verfluchen, wenn er ohne Isaak wiederkam, doch er würde ihr sagen, dass sie selbst es war, die Schuld am Tod ihres Sohnes trug. Sie, mit ihrer Neugier und ihrem vorlaute_m_(n) Gelächter. Abraham ballte seine Faust und schlug seinen Esel Piloch kurz, aber hart auf den Rücken. Isaak sah ihn an. \"Hast du etwas, Vater?\" Abrahams grimmiger Blick brachte Isaak zum schweigen.
Der Tag ging und der Abend tauchte ein in die kühle Finsternis der Wüste. Als Abraham aus dem Schlaf hochschreckte(,) war es merkwürdig still und dass Lagerfeuer glühte nur noch. In seinem Schein hockte ein Mann, der Abraham anstarrte. Wie die Engel, denen er einst begegnet war, war der Mann von hohem Wuchs und hatte die Kopfform eines Fürsten, schmal und streng. Die schwarzen, welligen Haare fielen ihm bis auf die Schultern. Seine langen, glatten Finger schauten unter den weiten Hemdsärmeln hervor.
\"Wer bist Du? Träume ich?\", fragte Abraham und stand auf. Abraham wurde sich der vollkommenen Stille(,) die ihn umgab(,) bewusst. Isaak, Genan und Kenan lagen auf dem Boden, eingehüllt in ihre Decken, und rührten sich nicht. Kein Windhauch streifte Abrahams Gesicht und von den glühenden Zweigen ging kein Knistern aus.
Der geheimnisvolle Mann stand auf, lächelte und breitete die Arme aus. \"Vielleicht ist alles ein Traum. Vielleicht existiert diese Schöpfung nur im wilden Traum eines sterbenden Gottes?\" Im ersten Augenblick hatte Abraham gedacht, einen Engel vor sich zu haben, doch diese Worte und die wilden Augen ließen ihn schnell seinen Irrtum erkennen. Der alte Mann riss seine Hände hoch und machte das Zeichen gegen den bösen Blick. \"Weiche von mir Satan!\", schrie Abraham. Doch sein Gegenüber neigte nur leicht den Kopf. \"Wie oft ich dass schon gehört habe und hören werde und wie sehr die Leute sich doch irren!\" Abraham trat einen Schritt zurück.
Die Augen des Mannes, sie waren vollkommen schwarz, als hätte er keine Augäpfel _, sondern stattdessen nur eine schillernde flimmernde Masse_. Auch seine Li_e_der fehlten.
\"Wer bist Du?\", fragte Abraham. Er zweifelte an seiner ersten, spontanen Einschätzung. Als die Engel, die Isaaks Geburt prophezeit hatten, weiterziehen wollten, hatte einer der Engel sich an Abraham _gewandt_. Er hatte den Blick Richtung Sodom _gewandt_ und gesagt, dass der sie im Auftrag Gottes die Stätte der Sünde besichtigen und beseitigen wollten.
Abraham hatte sich ein Herz gefasst, war auf den Engel zugegangen und hatte ihn gefragt: \"Was aber, wenn ihr fünfzig Gerechte in der Stadt findet? Wollt ihr sie dann zusammen mit den Sündern töten? Wäre dass nicht ungerecht von dem, der die Gerechtigkeit und der Schöpfer der Welt ist?\"
Abraham erinnerte sich nur zu gut an das Hämmern des Herzens in seiner Brust und die Angst, die er hatte. Trotzdem musste er sprechen.
Der Engel hatte nachgegeben und gesagt, dass sie die Städte verschonen wollten, wenn sie fünfzig Gerechte finden sollten. Doch Abraham hatte nicht nachgelassen und gefragt, was denn sei, wenn sie vierzig finden sollten. Wieder hatte der Engel nachgegeben, aber etwas war mit seinen Augen geschehen. Sie hatten sich verdunkelt. Ein klein wenig, aber doch so, dass man es sehen konnte. Auch waren die sanften Züge in seinem Gesicht schärfer geworden. Rückblickend verstand Abraham sich selber nicht, aber er hatte weiter gedrängt und gefragt, was denn sei, wenn in den Städten dreißig Gerechte sei_n_en. Wieder hatte der Engel nachgegeben, doch seine Augen waren noch dunkler geworden. Je länger Abraham sprach, desto schwärzer _und dunkler_ waren die Augen geworden, so schwarz _und dunkel_ wie die Augen des Mannes, der ihm hier gegenüberstand. Vielleicht war er nicht Satan, sondern ein Engel in Wut.
Der Mann trat auf Abraham zu, stellte sich neben ihn und wies auf den Himmel. Kalt standen die Sterne am wolkenlosen Himmel und eine Heerschar von Sternschnuppen erhellte ihn. Der Mann zeigte auf die Sternschnuppen. \"Das alles sind Engel. Helle Dämonen Gottes. Sie gleiten durch die Nacht, wie glitzerndes Eis in der Dunkelheit.\"
Abraham löste sich aus dem Griff. \"Und was bist Du?\" Der Mann antwortete: \"Ich weiß es nicht. Dein Gewissen? Immerhin_,_ bist Du dabei, dein geliebtes Kind zu töten. Da sollte ich mich wohl mal melden.\"
\"Verschwinde\", sagte Abraham. \"Ich befolge nur den Wunsch des Herrn!\"
\"Den Wunsch des Herrn\", wiederholte der Mann und schüttelte den Kopf, wobei seine Haare wie flüssige Seide über seine Schulter glitten.
\"Es ist mein freier Wille!\", sagte Abraham. \"Nein!\", antwortete der Mann. \"Einen freien Willen gibt es nicht. Aus Furcht gehorchst Du, aus Angst vor Strafe!\" Abraham schüttelte seinen grauen Kopf. \"Welche Strafe könnte schlimmer sein als dieser Auftrag?\" Plötzlich stand der Mann Abraham direkt gegenüber. \"Was willst du Sara erzählen, wenn du wiederkommst. Was willst du Deinen Verwandten erzählen? Was wirst Du Dir selber erzählen, nachts, wenn du unter Deiner Bettdecke liegst und die Schatten an den Wänden sich dir entgegenwinden und Du die Nähe des Todes spürst?\" Abraham schwieg. Er hatte keine Antwort. Er wollte diese Dinge nicht hören. Der Mann, der vielleicht nur eine Einbildung war, oder der Satan, sprach weiter. \"Blinder Gehorsam wird euch Menschen noch viel Leid zufügen. Willst Du der Erste sein in einer langen Reihe von Menschen die ihre Gräueltaten damit rechtfertigen, de_n_(m) Willen Gottes zu gehorchen?\"
Abraham richtete sich auf. Er musste sich verteidigen. \"Gott selbst hat zu mir gesprochen. Es ist SEIN Wille, den ich befolge. ER will es, also werde ich es tun.\" Der Mann glitt zurück. Ein Ausdruck des Triumphes auf den blassen Zügen(,) der Abraham innerlich zusammenfahren ließ. Wer hatte gewonnen, wer hatte verloren? Der Mann schien über dem Boden zu schweben und mit der Nacht zu verschmelzen.
Am dritten Tag erreichten sie das Gebirge Morija. Abraham hatte den ganzen Tag kein Wort gesprochen.
Die Berge hoben sich still von der kahlen Wüste ab. Riesige zerklüftete Felsen, eingetaucht in das Licht der Sonne. Riesige, graue Felsen(,) die etwas bedrohliches hatten.
Abraham wandte sich seinen beiden Knechten zu. ?Ich gehe mit Isaak weiter, ihr bleibt hier mit dem Esel und wartet_e_(,) dass wir wiederkommen!?
Abraham nahm das Holz von Pilochs Rücken und gab es seinem Sohn, damit dieser es trage und verfluchte sich selber innerlich, gab er ihm doch das zu tragen, was seinen toten Körper später verzehren würde.
Sie gingen nebeneinander her, schweigend. Abraham betrachtet(e) den Boden unter seinen Füßen und den Staub(,) den sie aufwirbelten. Plötzlich blieb Isaak stehen. ?Vater, hier ist das Holz und das Feuer, aber wo ist das Lamm für das Brandopfer??
Er ahnt etwas, dachte Abraham und sein Herz begann schneller zu schlagen. Was soll ich ihm sagen? Du bist das Opfer? Abraham hasste die Lüge. Die Lüge war die Zunge des Satan, aber er zögerte kaum, als er antwortete. ?Gott wird sich ein Opferlamm aussuchen, mein Sohn!?
Isaak nickte und sie gingen weiter. Wie leicht das gewesen war. Wie mühelos. Abraham dachte an seinen nächtlichen Besucher und ihm schauderte. Das hier konnte nicht recht sein. Wie konnte der Herr das von ihm verlangen? Da stieg Wut in Abraham auf und im gleichen Augenblick die Furcht, wusste er doch(,) dass der Herr alles sah, auch das wa_r_(s) unsichtbar blieb. Er fürchtete sich davor(,) dass der Herr die Wut, den Hass in seinem Herzen gesehen hatte und mit ihm zürnen könnte. Der Herr hatte ihm alles gegeben, ihn vor Not und Leid gerettet und ihn, seinen Knecht, vor dem Tod bewahrt. Abrahams Hände zitterten und er war froh, als sie den Aufstieg begannen, denn dann war er wenigstens _A_(a)bgelenkt.
Sie kletterten über die rauen Felsen. Abraham folgte der inneren Stimme, diesem Gefühl, das_s_ ihm sagte, wo das Opfer stattfinden sollte. Bald hatten sie eine von dornige_n_(m) und struppige_n_(m) Gebüsch bewachsene Stelle erreicht und Abraham wusste(,) das dies der Ort war(,) an dem er sein schreckliches Werk vollbringen (sollte?). Abraham dachte(,) das(s) er, wenn dies vorbei war, seinen Herrn nur noch fürchten, aber nicht mehr würde lieben können. Ihm schauderte, als er das Holz nahm und unter den misstrauischem Blick Isaaks das Holz schichtete.
Isaak war jung, stark, kräftig und geschickt, wie sollte er Alter Mann ihn auf diesen Altar zwingen. Isaak würde sich wehren und er konnte ihn unmöglich bezwingen.
?Wo ist denn nun das Opferlamm?? fragte Isaak und kniff dabei die Augenbrauen zusammen. ?Ich sehe nichts!?
Abraham nahm einen der dickeren Holzscheite und sagte: (Anführungszeichen?)Dort hinter dir. Isaak drehte sich um und Abraham schlug zu. Benommen sackte Isaak zusammen und Abraham zögerte nicht ihn zu fesseln.
Mühsam zerrte Abraham den Körper seines Sohnes auf den Scheiterhaufen. Seine müden Muskeln wehrten sich gegen die Anstrengung, doch dann hatte er es geschafft. Die Sonne stand hoch am hellen Himmel(,) als Abraham nach seinem Opfermesser griff. Der Griff war aus Holz, die Klinge scharf. Sie würde mühelos durch das Fleisch schneiden. Abraham hob die Klinge und zögerte. Warum gerade Isaak? Warum nicht Ismael? Ja, er liebte auch diesen Sohn, aber er hatte ihn fortgeschickt, zusammen mit Hagar, der Magd, die Ismael(s) Mutter war. Abraham senkte das Messer. Seine Arme wurden ihm schwer. Ohne(,) das(s) er es wollte(,) rannen Tränen über seine faltigen Wangen. Sie hatten sich so ein Kind gewünscht und weil Sarah keine Kinder bekam(,) hatte er bei Hagar gelegen, wie seine Frau es selber gewollt hatte. Ihre Haut war glatt und weich gewesen und ihre Brüste klein. Ismael. Er hatte ihn, nachdem er entwöhnt war, in die Wüste geschickt, mit seiner Mutter und sie hätten umkommen können, aber der Herr hatte seine Engel geschickt sie zu schützen. Groß und stark war Ismael geworden, ein Sohn der Wüste, Urahn kommender Geschlechter, ein Meister im Bogenschießen mit herrischem Blick. Lieber wäre ihm(,) Ismael würde hier liegen, den(n) von beiden Söhnen war es Isaak(,) zu de_n_(m) er die meiste Liebe empfand. Abraham drehte leicht den Kopf und mit tränenverschleierten Augen sah er sie, die Gestalt, die ih_n_(m) in der Wüstennacht begegnet war. Jetzt erst fiel ihm auf, dass die Haare dieses Wesens so lang waren wie bei einer Frau. Lange, schwarze Haare, die bis zur Hüfte reichten und sich im Wind wiegten.
\"Was ist das für ein Gott, der nicht in die Herzen seiner Geschöpfe schauen kann? Weiß er nicht(,) das(s) _D_(d)u ein Diener seiner Herrlichkeit bist? Muss er dich erst auf die Probe stellen?\"
Abraham wollte nichts hören. Die Worte brannten in seinem Herzen. Aber lag nicht eine Wahrheit in ihnen_._(?)
Die Gestalt kam näher und ihr Mund beugte sich zu Abrahams Ohr. Eine merkwürdige Kälte ging von ihr aus und kein Atemhauch kam durch ihre Nase. \"Ein Vater, der seinen eigenen Sohn tötet, was ist das für ein Mensch. Ein Mensch der Gott gehorcht? Einer Stimme, die sonst keiner hört? Ist dieser jemand ein wahrer Diener oder nichts weiter als ein Mörder an seinem eigenen Fleisch und Blut? Bist du nicht Herr deiner selbst? Wirst Du der Anfang einer langen Reihe sein, die tötet(,) weil_,_ Gott es befohlen hat?
Abraham wirbelte herum. Eine wilde Wut ergriff ihn. Er schrie: Weiche von mir! Nein. Die Stimme des Herrn hatte _mit_ zu ihm gesprochen. Der Wille Gottes war mehr als der menschliche Wille, mehr als alles(,) wa_r_(s) in einem erbärmlichen _M_(m)enschlichen _l_(L)eben wichtig war. Kraftvoll riss er die Arme hoch, das_s_ Messer mit beiden Händen umklammernd(,) um es mit aller Wucht niederstoßen zu können. Da wurde das Licht der Sonne noch heller und aus dem Glanz rief eine Stimme seinen Namen: Abraham, Abraham! _u_(U)nd ihm schauderte. Seine Stimme bebte als er antworte. Hier bin ich. Die Stimme kam direkt aus dem Licht, welches nah und gleichzeitig fern war(,) und sie vibrierte in Abrahams Herz, als würde sie dort nicht nur wi_e_derhallen, sondern auch von dort komme(n), auch aus den Steinen und der Erde selber.
\"Strecke deine Hand nicht gegen den Jungen aus!\", sagte die Stimme. \"Jetzt weiß ich, dass Du Gott fürchtest, denn du hast mir deinen Sohn nicht vorenthalten.\"
Langsam senkte Abraham das Messer und als _d_er das tat(,) sah er einen jungen Widder(,) der sich in einem Dornengestrüpp verfangen hatte und mit heftigen Bewegungen versuchte(,) sich zu befreien. Mit einer schnellen Bewegung zerschnitt Abraham die Fesseln seines Sohnes, packte den Widder und durchtrennte dessen Kehle mit einem Schnitt.
Der Scheiterhaufen loderte und der Geruch verbrannten Fleisches hing in der hitzegeschwängerten Luft. Abraham saß auf einem Felsen, Isaak, so weit wie möglich entfernt, auf einem anderen. Isaak hatte seinem Vater den Rücken zugedreht und das Gesicht in den Händen vergraben. Sein Vater hatte versucht mit ihm zu reden, er aber wollte nicht. Der Schrecken saß so tief, dass er nicht einmal weinen konnte.
Abraham fühlte sich alt. Weit über hundert Jahre trug d(ies)er Körper ihn _nun_ schon durch die Welt. Alle diese Jahre drückten ihn nun. Die Gestalt war noch einmal erschienen und hatte ihn gefragt, wo er, _wo er_ Abraham, denn nun stehe. Und er war eine Antwort schuldig geblieben, auch nachdem ein Engel des Herrn erschienen war und Abrahams Treue zu belohnen versprach. Nachkommen, so zahlreich wie die Sterne am Himmel. Ich bin nur eine Perle an einer endlosen Kette, hatte Abraham gedacht, ein Mann am Anfang vieler Männer und Frauen, die nach mir kommen werden. Ein Mann, von Gott erwählt und ein Mann der Treue über die Menschlichkeit.
Sie waren wieder nach unten geklettert, schweigend, zu den Knechten gegangen und er hatte versucht mit Isaak zu reden(,) aber dieser hatte nur geschwiegen und in seinen Augen war etwas zerbrochen, was niemals wieder zu einem Ganzen gefügt werden konnte. So waren sie weitergegangen durch die Wüste(,) deren Stille sie einfing(,) und in der Nacht war keine Gestalt mehr gekommen, nur ein leiser, lästiger Wind, der in Abrahams Ohren rauschte und dessen säuseln zu einer Stimme wurde, zu der Stimme der Gestalt und die Stimme flüsterte und wisperte und immer waren es _f_(F)ragen und es waren kluge Fragen und Abraham wusste nur, dass er die Antwort auf diese Fragen nicht kannte und als er erwachte sah er dass er geweint hatte und dass die Tränen zu Eis geworden waren und _die Tränen_ in der Morgensonne funkelten.(ist dieses "ohne Punkt und Komma" Absicht?)
Und sie machten sich auf und gingen weiter nach Beerschaba, wo Abraham wohnen blieb.
 



 
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