Arno Abendschön
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Im Mai lernt Svoboda die neue Frau seines geschiedenen Vaters kennen. Sie ist wegen einer Familienfeier nach Wien gekommen und mustert ihn kritisch. Denkt sie schon ans Erben, als sie fragt: "Und Sie, denken Sie gar nicht ans Heiraten? Sie sind doch schon vierzig ..." - "Nein, überhaupt nicht, ich bin ja schwul." - "Mein Gott, Sie sind homosexuell? Was für ein Unglück!" - "Für mich nicht, Frau Svoboda, für mich ein Glück. Damit Sie es wissen!" Nun ist er doch laut geworden.
Im Sommer ist er so oft wie möglich im Prater oder in der Lobau, allein oder mit dem Amerikaner, der schon zum zweiten Mal hier ist. Sie reden auch über die neue Krankheit. Svoboda sagt, er verwende schon lange Pariser, wegen der Hepatitis. Und jetzt beschränke er sich ohnehin auf die Stammkundschaft. Im Herbst sagt er: "Schön war der Sommer, aber auch schnell vorbei ..."
Im September ruft ihn einer dieser Stammkunden wieder mal an. Er ist Eisenbahner und hat da unten in Kärnten Frau und zwei Kinder. Der Dienstplan verlangt es ab und zu, dass er in Wien übernachtet. Er meldet sich nur in großen Abständen. Nachher sagt er tief befriedigt immer dasselbe: "Und es ist doch gegen die Natur." Das rundet für ihn die Sache erst ab. Svoboda lacht dann und sagt: "Alles ist Natur, wir alle sind Natur. Wir sind von Erde genommen ..."
Im März ist der Eisenbahner wieder einmal in Wien. Seit dem Herbst hat er Svoboda nicht mehr gesehen. Svoboda meldet sich nicht am Telefon. Um diese Zeit hat er ihn sonst immer erreicht. Svoboda ist auch nicht im Esterhazy-Park. Der Eisenbahner nimmt sich vor, beim nächsten Mal früher anzurufen.
Es ist Mai. Unter Svobodas Nummer ist niemand mehr zu erreichen. Der Eisenbahner nimmt die Trambahn und findet heraus, was er schon vermutet hat: Das Klingelschild mit Svobodas Namen ist durch ein anderes mit einem anderen Namen ersetzt. Da geht das Haustor auf - ist das nicht seine Nachbarin? Sie sagt: "Svoboda? Der ist im März gestorben. Diese neue Seuche, Sie wissen schon? Und man hat es ihm nicht angesehen. Ich glaube, er hat es selbst nicht gewusst ... Waren Sie mit ihm befreundet?" - Der Eisenbahner sagt: "Ich hab ihn flüchtig gekannt."
Als sein Zug am anderen Morgen in den Semmering-Tunnel einfährt, denkt er: In Wien ist es jetzt auch dunkel geworden - und es wird nie wieder hell.
Im Sommer ist er so oft wie möglich im Prater oder in der Lobau, allein oder mit dem Amerikaner, der schon zum zweiten Mal hier ist. Sie reden auch über die neue Krankheit. Svoboda sagt, er verwende schon lange Pariser, wegen der Hepatitis. Und jetzt beschränke er sich ohnehin auf die Stammkundschaft. Im Herbst sagt er: "Schön war der Sommer, aber auch schnell vorbei ..."
Im September ruft ihn einer dieser Stammkunden wieder mal an. Er ist Eisenbahner und hat da unten in Kärnten Frau und zwei Kinder. Der Dienstplan verlangt es ab und zu, dass er in Wien übernachtet. Er meldet sich nur in großen Abständen. Nachher sagt er tief befriedigt immer dasselbe: "Und es ist doch gegen die Natur." Das rundet für ihn die Sache erst ab. Svoboda lacht dann und sagt: "Alles ist Natur, wir alle sind Natur. Wir sind von Erde genommen ..."
Im März ist der Eisenbahner wieder einmal in Wien. Seit dem Herbst hat er Svoboda nicht mehr gesehen. Svoboda meldet sich nicht am Telefon. Um diese Zeit hat er ihn sonst immer erreicht. Svoboda ist auch nicht im Esterhazy-Park. Der Eisenbahner nimmt sich vor, beim nächsten Mal früher anzurufen.
Es ist Mai. Unter Svobodas Nummer ist niemand mehr zu erreichen. Der Eisenbahner nimmt die Trambahn und findet heraus, was er schon vermutet hat: Das Klingelschild mit Svobodas Namen ist durch ein anderes mit einem anderen Namen ersetzt. Da geht das Haustor auf - ist das nicht seine Nachbarin? Sie sagt: "Svoboda? Der ist im März gestorben. Diese neue Seuche, Sie wissen schon? Und man hat es ihm nicht angesehen. Ich glaube, er hat es selbst nicht gewusst ... Waren Sie mit ihm befreundet?" - Der Eisenbahner sagt: "Ich hab ihn flüchtig gekannt."
Als sein Zug am anderen Morgen in den Semmering-Tunnel einfährt, denkt er: In Wien ist es jetzt auch dunkel geworden - und es wird nie wieder hell.