Claus Thor
Mitglied
An diesem Tag
Von
Claus Thor
Ich sah in ihr lächelndes Gesicht. Ich sah, dass sie darauf wartete. Ich hätte es ihr bestimmt gesagt, gleich hier und jetzt, aber dann ging mein Mobiltelefon, und der magische Moment zerstob, wie der Nebel in den ersten Sonnenstrahlen eines beginnenden Tages. Ich sagte: „Entschuldige bitte“, und verließ den Tisch; und während ich mein Handy ans Ohr klemmte, verließ Mildred, sichtlich enttäuscht, das Restaurant.
Zwanzig Minuten später war ich am Tatort. Alles war vorschriftsmäßig abgesperrt und die Experten von der Spurensicherung tätig. „Wem gehört der beschissene Wagen in der Einfahrt“, rief jemand, dem ich ein Grinsen entgegen schickte und antwortete: „Das weißt du ganz genau, Buddy.“
Ich bot Jeff eine meiner Importzigaretten an und sagte: „Mildred ist mächtig sauer. Ich sage dir, wie soll ich das wieder hinbiegen?“
„Du kennst doch meine Schwester“, sagte Jeff und stellte seinen Mörderkoffer ab, um mir Feuer zu geben. „Wie kann man dauernd das Feuerzeug irgendwo liegen lassen … ehm… echt, es tut mir leid Daniel, aber das Verbrechen schläft nicht, auch wenn du meiner Schwester ein …“
Ein junger Beamter stolperte durch den Garten und war dabei Spuren zu vernichten, also rief ich: „Hey, du da! Ja … ganz genau du! Das ist doch wohl eine Reifenspur, trample bitte nicht drauf rum, und lass das photographieren – und Abdrücke machen, klar!“
Jeff öffnete den Koffer und kramte zwischen medizinischen Instrumenten und anderen Hilfsmitteln, die für gerichtsmedizinische Zwecke gebraucht werden herum. Dann hielt er mir seine Diagrammblätter mit den Tatortdetails unter die Nase.
„Ist schon gut“, sagte ich und warf einen flüchtigen Blick auf die Skizzen.
Vor fünf Jahren lernte ich Jeff und seine Schwester Mildred in Wiesbaden kennen. Ich hatte meine drei Monate des Hauptstudiums II fast zu Ende. In einem Café gönnte Jeffs Schwester mir einen heißen Schwall ihres Tees über die Hose. Das war ein guter Anfang. Wir mochten uns sofort.
Als angehender Kriminalist hätte ich mir keinen besseren Rechtsmediziner denken können, als Jeff. Er war tatsächlich ein Eckpfeiler, was die Aufklärung von Tötungsdelikten betraf. Wir wurden dicke Freunde. Es verging kaum eine Woche, in dem wir nicht unseren Männerabend hatten.
„Also, Daniel“, sagte Jeff. Wir durchquerten das Wohnzimmer und stiegen die Treppenstufen zum Tatort hinauf. „Das Opfer wurde vermutlich mit einem Nylonschal erdrosselt. Eine Schneiderschere und Blutspuren auf dem Boden …“
„Stammt das Blut vom Opfer?“ sagte ich und zündete mir eine weitere Zigarette an. Ich weiß, dass es mich eines Tages umbringen wird, aber in meinem Job, da braucht man starke Nerven, und so gewöhnt man sich etwas zur Beruhigung an: Manche trinken, ich rauche und das nicht wenig.
Jeff blickte mich vorwurfsvoll an und sagte: „Du solltest damit aufhören, Daniel, Mildred zu liebe. Zu Deiner Frage: nein, es sind keinerlei Stich- oder Schnittwunden an der Leiche zu finden; das Opfer hatte sich vermutlich mit dieser Schere, versucht gegen den angreifenden Täter zu wehren. Die Unordnung des Schlafzimmers, es deutet alles auf einen Kampf hin, der zwischen dem Bett, der Kommode und der Stelle stattfand, an der die Leiche gefunden wurde.“
„Danke, Jeff. Ich werde mich mal ein wenig umschauen.“
„Tu das“, sagte Jeff und grinste mich breit an. Er wusste, dass ich bei diesem Fall nur mit halben Gedanken dabei war. Mildred – wie sollte ich ihr gegenübertreten? Frauen waren so kompliziert.
Ich schaute mir das Fenster an, durch das der Täter vermutlich ins Haus kam. Es war von außen eingeschlagen. Zwei Drittel der Splitter waren nach innen, der Rest in Richtung Täter gefallen. Unter Umständen hatte er Glassplitter an seiner Kleidung.
Im Bad waren reichliche Blutspuren. Sie hatte ihn wohl ordentlich erwischt, dachte ich schadenfroh. Als ich dann von einem der Spurensucher angequatscht wurde, der mich darüber aufklärte, dass der Täter einige Spuren auf Lebensmittel hinterlassen habe, – häufig essen Einbrecher am Tatort – war mir klar, dass es sich hier um Beschaffungskriminalität handelte. Der Täter hatte nur einen Sekretär aufgehebelt, dabei musste das Opfer ihn erwischt haben. Ein nicht vorgeplanter Mord dachte ich, er würde seine Spuren nicht gründlich genug beseitigen haben.
Mein Blick erhaschte etwas Blaues unter dem Schuhschrank. Es schaute nur ein winziges Stück hervor und ich rief in den Raum hinein: „Hat einer der Herren hier nachgeschaut?“
Betretenes Schweigen.
Ein langer schlaksiger Typ löste sich aus der Gruppe der Spezialisten. Er förderte einen Briefumschlag darunter hervor.
Ich sagte Jeff, dass ich mir die Person, deren Adresse auf den Sozialbescheid stand, genauer ansehen würde. Man sollte mir eine Streife hinterher schicken, denn es bestand dringender Tatverdacht.
Das Haus, vor dem ich stand, war die reinste Bruchbude. Ich klingelte. Einmal. Zweimal. Nichts.
Dann hörte ich Geräusche.
Die Tür wurde geöffnet.
Ein unrasiertes Gesicht fragte: „Jaaa, Mann ... was ’n?“
Ich zückte meinen Dienstausweis und wollte den Standartspruch sagen, doch dazu kam ich gar nicht mehr. Die stieren Augen hatten kaum meinen Ausweis erblickt, da sprang mich der Kerl wie wild an. Meine Gegenwehr war unzureichend, und so hatte mich der Typ im Griff. Die Luft wurde mir knapp. Sterne tanzten vor meinen Augen. Ich schlug um mich. Doch da half alles zappeln nichts. Der Typ würde mich erwürgen. Meine Gedanken wanderten zu Mildred. Armes Mädchen dachte ich, es wird wohl nichts mehr aus uns. An diesem Tag würde ich also sterben. Scheiße!
„Du verdammter Bulle“, keifte der Typ. „Ich mach dich platt. War grad dabei abzuhauen ... scheiße ...“
Irgendwie gelang mir ein Treffer. Denn der Würgegriff lockerte sich und er stöhnte mir seinen Schmerz ins Ohr. Ich wiederholte den letzten Hieb und das gewünschte Ergebnis war da, er ließ von mir ab. Stöhnte. Schrie.
„Verdammte Schlampe – verdammte“, stöhnte er. „Die hat mich verdammt noch mal scheiße erwischt ...“
Ich rang nach Luft. Drehte mich in seine Richtung. Meine linke Hand patschte in seinem Blut. Ich zog meine Waffe aus dem Holster.
Als die Beamten den Täter abführten, kam Jeff mit seinem verbeulten Ford Mustang vorbei.
„Na, wie gehst?“, fragte er besorgt.
„Geht so“, krächzte ich zurück. Mein Hals schmerzte und meine Kehle brannte wie Feuer.
„Ich hab dir was mitgebracht“, sagte Jeff und hielt mir einen Blumenstrauß vor die Nase. „So, den nimmst du jetzt und bringst in meiner Schwester, und erledigst, was du zu erledigen hast. Klar?“
Ich kam mir ganz schön albern vor, als ich so, mit dem Strauß, vor ihr stand.
„Oh, sind die für mich?“
„Nun ... ähm ... ich ...“, meine Gedanken waren wie paralysiert. Reiß dich zusammen Dan, dachte ich. Los sag' es. „Also Mildred, was ich dir heute, im Restaurant sagen wollte ... verdammt ... ich liebe dich. Willst du meine Frau werden?“
Jetzt war es raus. Endlich.
Sie sah mich an, als hätte sie es schon längst gewusst. Sie grinste, genau wie Jeff es konnte. Sie nahm mir den Blumenstrauß ab und gab mir einen langen Kuss. Dann hauchte sie mir ihr Ja ins Ohr.
Von
Claus Thor
Ich sah in ihr lächelndes Gesicht. Ich sah, dass sie darauf wartete. Ich hätte es ihr bestimmt gesagt, gleich hier und jetzt, aber dann ging mein Mobiltelefon, und der magische Moment zerstob, wie der Nebel in den ersten Sonnenstrahlen eines beginnenden Tages. Ich sagte: „Entschuldige bitte“, und verließ den Tisch; und während ich mein Handy ans Ohr klemmte, verließ Mildred, sichtlich enttäuscht, das Restaurant.
Zwanzig Minuten später war ich am Tatort. Alles war vorschriftsmäßig abgesperrt und die Experten von der Spurensicherung tätig. „Wem gehört der beschissene Wagen in der Einfahrt“, rief jemand, dem ich ein Grinsen entgegen schickte und antwortete: „Das weißt du ganz genau, Buddy.“
Ich bot Jeff eine meiner Importzigaretten an und sagte: „Mildred ist mächtig sauer. Ich sage dir, wie soll ich das wieder hinbiegen?“
„Du kennst doch meine Schwester“, sagte Jeff und stellte seinen Mörderkoffer ab, um mir Feuer zu geben. „Wie kann man dauernd das Feuerzeug irgendwo liegen lassen … ehm… echt, es tut mir leid Daniel, aber das Verbrechen schläft nicht, auch wenn du meiner Schwester ein …“
Ein junger Beamter stolperte durch den Garten und war dabei Spuren zu vernichten, also rief ich: „Hey, du da! Ja … ganz genau du! Das ist doch wohl eine Reifenspur, trample bitte nicht drauf rum, und lass das photographieren – und Abdrücke machen, klar!“
Jeff öffnete den Koffer und kramte zwischen medizinischen Instrumenten und anderen Hilfsmitteln, die für gerichtsmedizinische Zwecke gebraucht werden herum. Dann hielt er mir seine Diagrammblätter mit den Tatortdetails unter die Nase.
„Ist schon gut“, sagte ich und warf einen flüchtigen Blick auf die Skizzen.
Vor fünf Jahren lernte ich Jeff und seine Schwester Mildred in Wiesbaden kennen. Ich hatte meine drei Monate des Hauptstudiums II fast zu Ende. In einem Café gönnte Jeffs Schwester mir einen heißen Schwall ihres Tees über die Hose. Das war ein guter Anfang. Wir mochten uns sofort.
Als angehender Kriminalist hätte ich mir keinen besseren Rechtsmediziner denken können, als Jeff. Er war tatsächlich ein Eckpfeiler, was die Aufklärung von Tötungsdelikten betraf. Wir wurden dicke Freunde. Es verging kaum eine Woche, in dem wir nicht unseren Männerabend hatten.
„Also, Daniel“, sagte Jeff. Wir durchquerten das Wohnzimmer und stiegen die Treppenstufen zum Tatort hinauf. „Das Opfer wurde vermutlich mit einem Nylonschal erdrosselt. Eine Schneiderschere und Blutspuren auf dem Boden …“
„Stammt das Blut vom Opfer?“ sagte ich und zündete mir eine weitere Zigarette an. Ich weiß, dass es mich eines Tages umbringen wird, aber in meinem Job, da braucht man starke Nerven, und so gewöhnt man sich etwas zur Beruhigung an: Manche trinken, ich rauche und das nicht wenig.
Jeff blickte mich vorwurfsvoll an und sagte: „Du solltest damit aufhören, Daniel, Mildred zu liebe. Zu Deiner Frage: nein, es sind keinerlei Stich- oder Schnittwunden an der Leiche zu finden; das Opfer hatte sich vermutlich mit dieser Schere, versucht gegen den angreifenden Täter zu wehren. Die Unordnung des Schlafzimmers, es deutet alles auf einen Kampf hin, der zwischen dem Bett, der Kommode und der Stelle stattfand, an der die Leiche gefunden wurde.“
„Danke, Jeff. Ich werde mich mal ein wenig umschauen.“
„Tu das“, sagte Jeff und grinste mich breit an. Er wusste, dass ich bei diesem Fall nur mit halben Gedanken dabei war. Mildred – wie sollte ich ihr gegenübertreten? Frauen waren so kompliziert.
Ich schaute mir das Fenster an, durch das der Täter vermutlich ins Haus kam. Es war von außen eingeschlagen. Zwei Drittel der Splitter waren nach innen, der Rest in Richtung Täter gefallen. Unter Umständen hatte er Glassplitter an seiner Kleidung.
Im Bad waren reichliche Blutspuren. Sie hatte ihn wohl ordentlich erwischt, dachte ich schadenfroh. Als ich dann von einem der Spurensucher angequatscht wurde, der mich darüber aufklärte, dass der Täter einige Spuren auf Lebensmittel hinterlassen habe, – häufig essen Einbrecher am Tatort – war mir klar, dass es sich hier um Beschaffungskriminalität handelte. Der Täter hatte nur einen Sekretär aufgehebelt, dabei musste das Opfer ihn erwischt haben. Ein nicht vorgeplanter Mord dachte ich, er würde seine Spuren nicht gründlich genug beseitigen haben.
Mein Blick erhaschte etwas Blaues unter dem Schuhschrank. Es schaute nur ein winziges Stück hervor und ich rief in den Raum hinein: „Hat einer der Herren hier nachgeschaut?“
Betretenes Schweigen.
Ein langer schlaksiger Typ löste sich aus der Gruppe der Spezialisten. Er förderte einen Briefumschlag darunter hervor.
Ich sagte Jeff, dass ich mir die Person, deren Adresse auf den Sozialbescheid stand, genauer ansehen würde. Man sollte mir eine Streife hinterher schicken, denn es bestand dringender Tatverdacht.
Das Haus, vor dem ich stand, war die reinste Bruchbude. Ich klingelte. Einmal. Zweimal. Nichts.
Dann hörte ich Geräusche.
Die Tür wurde geöffnet.
Ein unrasiertes Gesicht fragte: „Jaaa, Mann ... was ’n?“
Ich zückte meinen Dienstausweis und wollte den Standartspruch sagen, doch dazu kam ich gar nicht mehr. Die stieren Augen hatten kaum meinen Ausweis erblickt, da sprang mich der Kerl wie wild an. Meine Gegenwehr war unzureichend, und so hatte mich der Typ im Griff. Die Luft wurde mir knapp. Sterne tanzten vor meinen Augen. Ich schlug um mich. Doch da half alles zappeln nichts. Der Typ würde mich erwürgen. Meine Gedanken wanderten zu Mildred. Armes Mädchen dachte ich, es wird wohl nichts mehr aus uns. An diesem Tag würde ich also sterben. Scheiße!
„Du verdammter Bulle“, keifte der Typ. „Ich mach dich platt. War grad dabei abzuhauen ... scheiße ...“
Irgendwie gelang mir ein Treffer. Denn der Würgegriff lockerte sich und er stöhnte mir seinen Schmerz ins Ohr. Ich wiederholte den letzten Hieb und das gewünschte Ergebnis war da, er ließ von mir ab. Stöhnte. Schrie.
„Verdammte Schlampe – verdammte“, stöhnte er. „Die hat mich verdammt noch mal scheiße erwischt ...“
Ich rang nach Luft. Drehte mich in seine Richtung. Meine linke Hand patschte in seinem Blut. Ich zog meine Waffe aus dem Holster.
Als die Beamten den Täter abführten, kam Jeff mit seinem verbeulten Ford Mustang vorbei.
„Na, wie gehst?“, fragte er besorgt.
„Geht so“, krächzte ich zurück. Mein Hals schmerzte und meine Kehle brannte wie Feuer.
„Ich hab dir was mitgebracht“, sagte Jeff und hielt mir einen Blumenstrauß vor die Nase. „So, den nimmst du jetzt und bringst in meiner Schwester, und erledigst, was du zu erledigen hast. Klar?“
Ich kam mir ganz schön albern vor, als ich so, mit dem Strauß, vor ihr stand.
„Oh, sind die für mich?“
„Nun ... ähm ... ich ...“, meine Gedanken waren wie paralysiert. Reiß dich zusammen Dan, dachte ich. Los sag' es. „Also Mildred, was ich dir heute, im Restaurant sagen wollte ... verdammt ... ich liebe dich. Willst du meine Frau werden?“
Jetzt war es raus. Endlich.
Sie sah mich an, als hätte sie es schon längst gewusst. Sie grinste, genau wie Jeff es konnte. Sie nahm mir den Blumenstrauß ab und gab mir einen langen Kuss. Dann hauchte sie mir ihr Ja ins Ohr.