an einem grab in cambridge

was sollen wir sagen
wir stehen zusammen
säubern die grabplatte
legen unsere blumen hin

dann sitzen wir bei dir mit deinen gedanken
über die welt als-begrenztes-ganzes

über das recht des solipsismus
das sich zeigt und der
mit der reinen realität zusammenfällt

über das ich als grenze der welt

funktion und bedeutung der wörter
- dieser beamten
dass was wir sagen wollen
zu oft nur unsinn ist
notwendig

das anrennen gegen den käfig der sprache
- die sprache aber ist kein käfig

gott offenbart sich
nicht in der welt
___sagst du
und fühlen uns ihr nahe
hier bei dir
am ende bleibt zu schweigen

wir gehen und
einen stein von deinem grab
nehm ich mir mit
für all das was der fall ist
 

Patrick Schuler

Foren-Redakteur
Teammitglied
Puhhh ... der Ludwig, eine Liebe, die wir ja bekanntlich beide teilen. Das Gedicht, ist eines der Besten, die ich von dir kenne - ungewöhnlich lang, aber das steht deinem Stil, der ja irgendwie erzählend angelegt ist und den du Mmn. zu selten erzählen lässt.

Jetzt frage ich mich nur, ob der Schlusssatz, der ja der erste Satz der Abhandlung ist, wirklich passt. Inhaltlich - kaum. Formal - kaum. Als Ausklang einer (fast) Elegie - leider gar nicht.

Ich denke, vielleicht wäre es besser ein anderes Zitat aufzugreifen, vielleicht das Ende der LPA, in dem Wittgenstein die Leiter Metapher (ihn übersteigen) aufgreift, vielleicht seine Deutung des Mystischen?

Nichtsdestotrotz ist das schon jetzt ein ganz wunderbares Gedicht, aber da geht noch ein Ticken mehr, das hat dieser Text dicke verdient.

LG
Patrick
 
lieber patrick,
vielen dank für deine anmerkung, über die ich mich natürlich sehr freue.

ich kann nur versuchen, deutlich zu machen, warum das gedicht so endet.
der tlp ist ja praktisch die klammer. ich fange mit dem letzten satz (gedanken) an.
und dann endet das gedicht mit dem ersten gedanken.
der stein ist nichts als ein stein und der sachverhalt - also die konfiguration -
lässt sich darstellen (sagen). wie auch unser stehen am grab.

also ist der gedanke, den du dir wünschst, genau der, den ich zur anschauung bringen
will. nur eben über die leiter. die müssen wir erst hochgehen. denn der stein bedeutet
ja etwas. mir zumindest. wie es auch uns unendlich viel bedeutet hat, an seinem grab zu
stehen. nur schon wenn ich das hier zur erklärung hinschreibe, merke ich, wie vulgär es
wird.

zum stein ein gedanke aus dem tagebuch:
das trinken, zu einer zeit symbolisch ist zu einer anderen zeit suff.

d.h. der nymbus, nämlich der echte nymbus haftet nicht an der äußeren tatsache d.h. nicht an der tatsache.

oder denk an den kuss des judas.

also ich denke, das ist der richtige schluss für dieses gedicht
liebe grüße
chalotte
 

sufnus

Mitglied
Hey Charlotte,
Du hattest das Wittgensteingedicht (ich reduziere es jetzt mal etwas flappsig auf den expliziten Adressaten) doch schon einmal hier eingestellt - ist das jetzt eine veränderte Version? Ich bin gerade etwas zu faul, um mich in die SuFu zu stürzen. ;)
Auf alle Fälle - einmal ganz ungeachtet möglicher Versionsunterschiede - gefällt es mir immer noch sehr gut. Und ich bin ganz dankbar für den letzten Satz, sonst wär es nämich sehr viel schwieriger (bei der hohen Dicht von in Cambridge bestatteten Geistern) den Angesprochenen herauszuhören - jedenfalls für die betretene Masse der wittgensteinianisch eher Unbeleckten. :)
LG!
S.
 
hi sufnus,
nein, das ist unverändert. hatte ich das schon mal? dann war das vor meiner auszeit.
alle eher unbeleckten würde ludwig wahrscheinlich beglückwünschen.
oder wie er schreibt:
die aufgabe der philosophie ist. den geist über bedeutungslose fragen zu beruhigen.
wer nicht zu solchen fragen neigt der braucht die philosophie nicht. :cool:
 



 
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