Animus, erwachsen (Villannelle, kupiert) (gelöscht)

mitis

Mitglied
ist es eine kupierte villanelle, weil der animus gestutzt wurde?

die idee fände ich gut (wenn ich richtig liege).
Leider wirkt das ganze gedicht auf mich starr und läßt mich emotional nicht rein, wahrscheinlich weil es sich immer nur auf einsilbige wörter reimt. aber andererseits würde die form zum gestutzten animus passen.

[blue]Es hat nicht mehr dieselbe Glut,

wenn ferner Galaxien ruht
auf mir der Krebsstrahl:[/blue] Jahr für Jahr,
mein LebenGeistHerzSeeleMut,
diese formulierung (blau markiert) finde ich ziemlich verbogen. da muss ich erst - wie im lateinischen ;) - den satzbau entschlüsseln.

und deine Brut
fühlt, denkt und strebt sich langsam gar.
was meinst du mit "deine brut"? kinder oder gedanken, werke? es klingt so verächtlich und ich verstehe nicht, warum das an dieser stelle plötzlich nötig ist.

irgendwo gegen ende sprichst du den animus plötzlich mit DU an - warum?

die frage, die sich am ende stellt: bist du nun traurig über den "erwachsenen" animus oder nur resigniert? oder hast du gar kein gefühl?
das wort "erwachsen" im titel hat für mich nicht unbedingt die bedeutung von "kupiert-sein". "erwachsen" hat für mich eher etwas positives, lebendiges, selbstbestimmtes.

fazit: es sind ein paar widersprüchlichkeiten oder unstimmigkeiten drin, die dann am ende ein gewisses gefühl von unbefriedigt-sein erzeugen. ich kann dir aber auch keine änderungen vorschlagen (auf jeden fall wäre es m.E. im titel nötig - ein anderes wort statt erwachsen), es ist mehr etwas atmosphärisches.

die frage ist außerdem, ob ein animus überhaupt in der kategorie von erwachsen oder nicht-erwachsen etc. gedacht werden kann. für mich ist "animus" am ehesten die "seele" (ich weiß schon, es gibt verschiedene übersetzungen) und die seele ist irgendwie allumfassend und begleitet dich/macht dich dein ganzes leben lang aus.

aber ich bin mir nicht sicher, ob ich dich in deiner absicht überhaupt richtig interpretiere.

lg mitis
 

presque_rien

Mitglied
Hallo mitis,

vielen Dank für deinen Kommentar! Vorab: Ich bin selbst nicht so zufrieden mit dem Gedicht, es ist zu kalkuliert und strukturiert, um zu berühren. Eine so stark einschränkende Form wie die Villanelle macht es einem nicht leicht; aber das ist der Reiz daran, und ich übe :)!
ist es eine kupierte villanelle, weil der animus gestutzt wurde?
genau! schön, dass das wenigstens deutlich wird! :)
Leider wirkt das ganze gedicht auf mich starr und läßt mich emotional nicht rein, wahrscheinlich weil es sich immer nur auf einsilbige wörter reimt. aber andererseits würde die form zum gestutzten animus passen.
Da hast du in beiden Punkten recht
diese formulierung (blau markiert) finde ich ziemlich verbogen. da muss ich erst - wie im lateinischen - den satzbau entschlüsseln.
Das ist eine meiner Problemstellen, ich habs schon oft überarbeitet, aber es passt noch nicht ganz...
was meinst du mit "deine brut"? kinder oder gedanken, werke? es klingt so verächtlich und ich verstehe nicht, warum das an dieser stelle plötzlich nötig ist.
Genau, Gedanken sind gemeint, aber auch Gefühle, halt alles, was so ein vieldeutiger Animus produziert ;). Das Verächtliche kommt daher, dass die Selbstreflexion (gedankliche wie emotionale) nicht als Gewinn empfunden wird, sondern als Verlust einer gewissen Einfachheit des Wahrnehmens und Empfindens, einer nicht hinterfragenden "Glut".
irgendwo gegen ende sprichst du den animus plötzlich mit DU an - warum?
Naja, warum nicht? Ist wie ein Selbstgespräch...
die frage, die sich am ende stellt: bist du nun traurig über den "erwachsenen" animus oder nur resigniert? oder hast du gar kein gefühl?
das wort "erwachsen" im titel hat für mich nicht unbedingt die bedeutung von "kupiert-sein". "erwachsen" hat für mich eher etwas positives, lebendiges, selbstbestimmtes.
Traurig UND resigniert ;). Erwachsen sein bedeutet eben auch den Verlust einer gewissen Einfachheit (s.o.). Als Kind, noch als Jugendlicher denkt man vielleicht, man wird mal etwas ganz großes vollbringen, die Welt ändern - aber irgendwann erkennt man, dass das illusorisch ist. Ich finde das Bild in Strophe 5 eigentlich ganz gut: Wenn man als Kind die Sonne fühlte, freute man sich einfach - heute denkt man vielleicht auch an Hautkrebs.
am ende ein gewisses gefühl von unbefriedigt-sein
Das habe ich auch. Aber ich wollte mal ein paar Meinungen hören.
für mich ist "animus" am ehesten die "seele" (ich weiß schon, es gibt verschiedene übersetzungen) und die seele ist irgendwie allumfassend und begleitet dich/macht dich dein ganzes leben lang aus.
Aber auch die Seele kann sich doch verändern? "Animus" fasst hier ja alles zusammen, was den Menschen eigentlich ausmacht; es ist nur nicht so viel, das ist vielleicht die Hauptaussage? (Ich weiß es selbst nicht so genau ;). Aber Villanellen sind toll!)

Lg presque
 

mitis

Mitglied
also meine vorstellung von seele ist, dass es nichts veränderbares ist. man bekommt sie (spätestens) bei der geburt und verliert sie (vielleicht) beim sterben. sie macht den menschen aus, aber er hat keinen einfluss auf sie.
glaube ich jedenfalls.


Er hat nicht mehr dieselbe Glut
des Wachsenden. Nun wird er starr,
mein LebenGeistHerzSeeleMut.

Das Kissenschlachten bis aufs Blut,
es kostet wenig Haut und Haar,
es hat nicht mehr dieselbe Glut.

Und Hals und Bauch vermissen Wut,
geklärt, dass nicht geboren war
mein LebenGeistHerzSeeleMut

zu lenken Ebbe einst und Flut,
zu unterscheiden falsch und wahr.
[blue][blue]Es hat nicht mehr dieselbe Glut,

wenn ferner Galaxien ruht
auf mir der Krebsstrahl: Jahr für Jahr,
mein LebenGeistHerzSeeleMut,

erkennst du dich, und deine Brut
fühlt, denkt und strebt sich langsam gar.[/blue][/blue]
Er hat nicht mehr dieselbe Glut,
mein LebenGeistHerzSeeleMut.

dieses plötzliche du am ende: da ist mir deine antwort "warum nicht" zu wenig. du schreibst auch "auf mir der krebsstrahl" und bringst plötzlich dich selbst als ICH ins spiel. bis dahin konnte man den eindruck haben, dass dein "animus" von einer "externen irgendwie gefühllosen instanz" bewertet wird. was noch der form des gedichtes am besten entspricht, finde ich. eben nicht als "selbstreflexion".

dann plötzlich kommst du als person ins spiel, auf dir ruht der krebsstrahl, dann sprichst DU den animus an "deine brut". und da ist es dann eine "selbstreflexion" - aber plötzlich ist der animus wieder in der 3. person: ER hat nicht mehr dieselbe glut.

ich finde prinzipiell schon, dass man das machen kann - aber in dem fall erkenne ich keinen sinn dahinter. es wirkt so, als wäre es dir einfach "passiert". (vielleicht würde helfen, in den letzten zwei zeilen wenigstens zu schreiben "Du hast nicht mehr dieselbe glut, usw.)

so - und jetzt musst du mir noch eines verraten: was findest du an villanellen prinzipiell so toll? ich kannte sie bisher nicht (dachte immer im hinterkopf, dass das etwas volksliedartiges, ganz einfaches sei) - deine kupierte villanelle wirkt (zu) kompliziert und tiefschürfend.
vielleicht lieg ich ganz falsch. gibt es bevorzugte inhalte, die in villanellenform dargestellt werden?
 

mitis

Mitglied
oh, entschuldige, ich habe im vorigen beitrag noch eine ergänzung vorgenommen! bitte lies diesen hier - er ist aktuell
also meine vorstellung von seele ist, dass es nichts veränderbares ist. man bekommt sie (spätestens) bei der geburt und verliert sie (vielleicht) beim sterben. sie macht den menschen aus, aber er hat keinen einfluss auf sie.
glaube ich jedenfalls.


Er hat nicht mehr dieselbe Glut
des Wachsenden. Nun wird er starr,
mein LebenGeistHerzSeeleMut.

Das Kissenschlachten bis aufs Blut,
es kostet wenig Haut und Haar,
es hat nicht mehr dieselbe Glut.

Und Hals und Bauch vermissen Wut,
geklärt, dass nicht geboren war
mein LebenGeistHerzSeeleMut

zu lenken Ebbe einst und Flut,
zu unterscheiden falsch und wahr.
[blue][blue]Es hat nicht mehr dieselbe Glut,

wenn ferner Galaxien ruht
auf mir der Krebsstrahl: Jahr für Jahr,
mein LebenGeistHerzSeeleMut,

erkennst du dich, und deine Brut
fühlt, denkt und strebt sich langsam gar.[/blue][/blue]
Er hat nicht mehr dieselbe Glut,
mein LebenGeistHerzSeeleMut.

dieses plötzliche du am ende: da ist mir deine antwort "warum nicht" zu wenig. du schreibst auch "auf mir der krebsstrahl" und bringst plötzlich dich selbst als ICH ins spiel. bis dahin konnte man den eindruck haben, dass dein "animus" von einer "externen irgendwie gefühllosen instanz" bewertet wird. was noch der form des gedichtes am besten entspricht, finde ich. eben nicht als "selbstreflexion", sondern so, als würdest du über deinen animus jemand anderem etwas erzählen, kopfschüttelnd und etwas besorgt - wie über ein kind. "es hat schon wieder ins bett gemacht" oder "stell dir vor, es kann schon papa sagen" usw.
dann plötzlich kommst du als betroffene person ins spiel, auf dir ruht der krebsstrahl, dann sprichst DU den animus an "deine brut". und da ist es dann tatsächlich eine "selbstreflexion" - aber plötzlich ist der animus wieder in der 3. person: ER hat nicht mehr dieselbe glut.

ich finde prinzipiell schon, dass man das machen kann, wenn es auch verwirrend ist - aber in dem fall erkenne ich keinen sinn dahinter. es wirkt so, als wäre es dir einfach "passiert". (vielleicht würde helfen, in den letzten zwei zeilen wenigstens zu schreiben "Du hast nicht mehr dieselbe glut, usw.)

so - und jetzt musst du mir noch eines verraten: was findest du an villanellen prinzipiell so toll? ich kannte sie bisher nicht (dachte immer im hinterkopf, dass das etwas volksliedartiges, ganz einfaches sei) - deine kupierte villanelle wirkt (zu) kompliziert und tiefschürfend.
vielleicht lieg ich ganz falsch. gibt es bevorzugte inhalte, die in villanellenform dargestellt werden?

(fett markiert sind die im vergleich zum vorangegangenen beitrag geänderten/ergänzten stellen)
 



 
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