Arasaan (gelöscht)

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lapismont

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Eine kleine Anmerkung.
Diese Kurzgeschichte bezieht sich auf eine Fantasyserie (Saramee). Mir ist aber wichtig, dass sie ohne Kenntnis der Serie funktioniert, wer also etwas nicht versteht, oder ungenügend erklärt findet, bitte anmerken.
Ansonsten bin ich für jeden Hinweis dankbar.

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lap
 

flammarion

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Korrekturvorschläge:

Arasaan

Klick. Klickklick. Klick
Die Beine aus Chitin schlugen einen festen Rhythmus auf den Stein. Gebogene Krallen hakten sich in die vielen Risse und Löcher einer schäbigen Wand.
Klickklick. Klick.
Stille.
Fühler strichen durch die Luft, wurden an Beißwerkzeugen gerieben. Der Geruch einer kurzen Nacht zog durch das unerklärliche Denken, bis Erinnerung und Wahrnehmung jede Gefahr ausschloss.
Klick. Klickklick

In der großen Stadt Saramee gab es unzählige Arten, die Zeit zu messen und Marla Baneks Methode stellte bei weitem nicht die erstaunlichste von ihnen dar. Das Mädchen lebte im Rhythmus kleiner grauer Insekten, die sich von pflanzlichen Abfällen ernährten und in der Dschungelstadt ausreichend Nahrung fanden. Fnossels gab es überall in Saramee. Als Küken schon richtete Marla ihre innere Uhr auf das Klicken und Summen der Käfer aus. Natürlich hatte sie wie alle anderen aus ihrem Nest zunächst nach ihnen gepickt, weil sie wie Nahrung aussahen, doch Fnossels waren ungenießbar.
Mit dem Beginn des Morgens kamen sie hervor aus den Ritzen, in denen sie die Nacht bewegungslos[blue] verbrachten[/blue] (verbracht hatten) . Das trockene Klacken ihrer Beine und Flügelpanzer weckte Marla zuverlässiger, als irgendein anderes Geräusch.
Sie wickelte sich aus der dicken Schlafdecke, zwinkerte verschlafen in das Halbdunkel des anbrechenden Tages und gähnte. Dann sträubte sie sich, damit ihr über Nacht in Unordnung geratenes Federkleid Gelegenheit bekam, sich wieder auszurichten. Wobei natürlich von einem richtigen Federkleid nicht die Rede sein konnte! Als Adyra besaß Marla einen mehr oder weniger dichten Bewuchs aus Flaumfedern, gerade genug, um die Haut zu bedecken, doch bei weitem zu wenig, richtige Kleidung zu ersetzen.
Besorgt beobachtete sie einige der winzigen Federn, wie sie langsam zu Boden segelten. Es schienen mehr als normal zu sein. Nervös zupfte sie hie und da an sich herum. Es rieselte nur so. Was für ein Ärger! Für eine Mauser hatte sie überhaupt keine Zeit! Ihre Gedanken rasten. Die Mauser!
Eilig hüpfte sie von der (breiten, aber kurzen) Schlafstange. Das Zimmer lag im ewigen Schatten eines hohen Bürgerhauses auf der anderen Straßenseite. Das einzige Fenster diente mehr zur Lüftung, als dass Licht hindurch dringen konnte. Das Mädchen hatte zudem ein dünnes Tuch davor gespannt, um wenigstens ein klein wenig für sich sein zu können.
Sie genoss normalerweise die wenigen Tage im Jahr, an denen das Licht ausreichte, um sich morgens ohne Kerzenschein anziehen zu können. Dabei brauchte sie ihre Sachen gar nicht sehen zu können. Alles lag an seinem Platz, fein säuberlich für den Tag zurechtgelegt. Doch heute war nichts normal! Fieberhaft überlegte sie, ob sie sich nicht einfach verstecken sollte, bis die lächerliche Nacktheit vorüber war.
Doch,(kein Komma) nein, es ging nicht. Verdammt! Ihr fehlten noch etliche Bai für die nächste Miete, vom Schutzgeld für die Schatten ganz abgesehen.
Missgelaunt zog sie sich an und wühlte aus ihrer Kleidertruhe einige zusätzliche Tücher hervor, die zumindest die wichtigsten Stellen verdecken sollten.
Für eine Adyra besaß Marla ungewöhnlich lange Flügelstümpfe, was ihr besonders bei den Gayra, der zweiten vogelartigen Rasse der Stadt, einige Aufmerksamkeit bescherte, aber im Gegensatz zu diesen konnte sie als Adyra mit dem dritten Extremitätenpaar nichts anfangen, [blue] zumindest [/blue] (jedenfalls) nicht außerhalb der Balz, wie sie in Gedanken amüsiert hinzufügte. Sie zwängte die beiden Stümpfe durch die Schlitze ihrer Jacke und richtete die kleinen gelben Federn und den hellen Flaum an der Kuppe. Zumindest was davon übrig war.

Das Ankleiden endete mit dem Verknoten ihres Schals. Marla schaute an sich herunter. Ihre Kleidung saß gut und war hässlich wie Jinjend-Nahrung. Doch das Mädchen hatte sich daran gewöhnt, es half, zu überleben.
Ihr Zimmer führte auf einen schmalen Flur, der direkt auf die Pfählergasse führte. Für eine richtige Haustür war die Gegend nicht fein genug, so hing nur die übliche Brel, eine schwere Felldecke, davor. Das Muster darauf war so einzigartig wie alles, was Glisk-Handwerker herstellten. Oft war es die einzige Möglichkeit, ein bestimmtes Haus zu finden; Marla hatte Wochen gebraucht, die Brel-Muster nicht nur zu erkennen, sondern sie auch lesen zu können.
Aber inzwischen machte ihr niemand mehr etwas vor. Sie war die unumstritten beste Kurierin der Gilde.

Das Gildenhaus von Trumen lag in einem Hinterhof an der östlichen Turosalle, unweit des Hauptmarktes. Das Gebäude zur Straße hin beherbergte die Briefannahme und die Verwaltung. Hier wohnte auch der Zawanda, der Gildenmeister. Neihl Graven hatte es geschafft, in den letzten Jahren einen Großteil der öffentlichen, als auch der kaufmännischen Briefe und Billets über seine Gilde austragen zu lassen. Die Parcela-Stationen der Gilde waren gut über die Stadt verteilt und die Vögel selbst hervorragend trainiert. Doch neben den Boten stellten die Kurierinnen den größten Gewinn für das Haus dar.
Gravens Idee, weibliche Adyra für den Transport besonders sensibler Schriftstücke zu verwenden, geriet zu einem großen Erfolg. Im Gegensatz zu vielen männlichen Adyra konnten sie noch ihr Feyra, einen besonderen Sinn, benutzen, der sie vor Gefahren warnte. Seitdem sank die Anzahl der verlorenen Briefe und die Zahl der Aufträge stieg, was sich in einer gut gefüllten Gildenkasse niederschlug.
Doch so sehr es der Zawanda in seinen Predigten auch beschwor, die Trumen-Gilde stellte nicht den einzigen Kurierdienst der Stadt. Noch mindestens zwei weitere Gilden konkurrierten um die vielen Nachrichten, die täglich zu verteilen waren.

Marla kannte zwar die Wachen, die an der Toreinfahrt mit grimmigen Gesichtern und durchgedrücktem Kreuz standen, dennoch musste sie Gesten und Kniefall durchführen, als wäre sie eine beliebige Besucherin. Sie spürte die hungrigen Blicke der Gayra-Männer auf ihre Flügelstummel. Doch es ließ sie für gewöhnlich kalt. Manchmal war es von Vorteil, nicht beständig von Hormonen gesteuert zu werden, wie die Menschen. Nun aber ärgerte sie sich furchtbar über dieses geile Starren, als wäre sie eine billige Henne aus einem Gayra-Puff!
Mit bösem Geschnatter fuhr sie die Kerle an.
»Kämmt euch lieber den Dotter aus dem Gesicht, bevor ihr auf die Balz geht! « Doch die beiden stimmten nur ein fröhliches Gelächter an und vergingen sich in obszönen Gesten.
Noch wütender rauschte Marla davon. Verdammte Mauser!
Postmeister Trimbal erwartete sie bereits.
»Oh Marla, mein Täubchen, da bist du ja! « ,schnäbelte der alte Gayra sofort los. »Heute kam eine besondere Anforderung herein, du musst sofort zum Haus des Geldwechslers Baal, eine wichtige Botschaft soll nach Torgenau gebracht werden! Husch, husch! « (Absatz) Bei diesen Worten wackelte er mit seinen Armen und spreizte die Flügelstümpfe, als wolle er sie wie ein Küken scheuchen.
Marla legte ihren Kopf schief und beäugte den Meister.
»Nicht schon wieder Liebesbriefe...!« Doch der Gayra hatte keinen Sinn für die persönlichen Befindlichkeiten seiner Botinnen.
»Was kröpfst du hier noch rum, du dumme Parcela? Wir bezahlen dich nicht fürs[red] aufplustern[/red] (Aufplustern) ! « Und damit wandte er sich von ihr ab. Mit den Händen sortierte er verschiedene Schriftstücke, die er in kleine Körbchen auf seinem Pult ablegte.
Bevor sie sich einen weiteren Anpfiff einhandelte, machte Marla lieber einen Abflug. Sie war froh, dass der alte Gockel ihr schwindendes Gefieder nicht bemerkte, sie hatte eindeutig genug von Hähnen, erst recht, als sie erneut an den Wachen vorbei musste.

Saramee erwachte weder schnell noch langsam, sondern plötzlich. Wie auf ein geheimes Zeichen hin füllten sich die Straßen mit Händlern, die zu ihren Läden oder Marktständen eilten, kamen Bauern durch die sich öffnenden Stadttore herein, um ihre Waren abzuliefern oder zum Kauf anzubieten, wurden Fenstertücher beiseite geschoben und an kleinen Häkchen festgebunden, damit man mit Nachbarn und Passanten plauschen konnte und immer wieder flog der Dreck der Nacht aus [blue] ihnen [/blue] (den Fenstern) heraus auf die Straße und fegte den Duft des nächtlichen Dschungels aus den Straßen der Stadt.
Auf ihrem Weg zum Haus des Geldwechslers kam Marla am Hauptmarkt vorbei. Eifriges Hämmern deutete auf eine Hinrichtung hin. Vermutlich wurde heute dieser Kronn hingerichtet, der sich an den Schatzkammern der Stadtverwaltung gütlich getan hatte, überlegte sie. Eine feine Wolke von Fnossels hing über den Handwerkern. Den Morgen über gingen sie auf Nahrungssuche, wenn sie sich an den heißen Wänden niederließen, würde es für Marla Zeit sein, im Gildenhof zu essen. Doch bis dahin hieß es, ihren Hunger zurückzuhalten, so wie die Fnossels, die heute ihre Eier in den Kadaver des hingerichteten Söldners ablegen würden. Irgendwie ahnten die Käfer stets, wenn es Tote gab in der Stadt.
Die Arbeiten am Schafott und der Absperrungen wurden von einigen Blauschärplern kommentiert, die es sich an einem Imbissstand gemütlich gemacht hatten und ihr Frühstück zu sich nahmen. Marla musste sich an beidem vorbeischlängeln, sodass sie einiges der Unterhaltung mitbekam.
»...trotzdem nicht richtig. Er ist Söldner wie wir«
»Und ein Dieb.«
»Der Hauptmann wird das schon richten! «
»Die sollten lieber was gegen den Feydara-Abschaum unternehmen, man sieht ja kaum noch Menschen in der Stadt...«
Marla versuchte sich unsichtbar zu machen und ihre Schritte zu beschleunigen, dennoch vermeinte sie die hassvollen Blicke der Männer in ihrem Rücken spüren zu können.
Auch wenn sie lange schon daran gewöhnt war, dass in Saramee die Menschen den Ton angaben, hörte sie immer häufiger Sprüche, wie jenen eben, in den Gassen und Winkeln der Stadt. Mit jeder Krankheit, jedem Übel, das die Stadt befiel, wurde das Raunen lauter. Fnosselsummen am Mittag...
Auf der anderen Seite des Marktes reihten sich die Stände der Händler aneinander. Durch die Hinrichtung heute hatten sie nicht soviel Platz wie sonst, der Marktschreiber war daher umringt von jammernden Bauern, Handwerkern und Kaufleuten, die einen Stand zu erhaschen suchten. Einige schienen den Kampf schon aufgegeben zu haben, denn sie bauten nicht etwa ihre Waren auf, sondern standen bei den Teewagen und diskutierten lautstark.
Das Gedränge behinderte Marla jedoch nicht. Sie liebte diese frühen Marktstunden, wenn die Leute noch hektisch herumrannten und schrieen. Es erinnerte sie an ein Gehege voller Adyra-Küken, wie sie voller Lebensfreude umherhüpften und sich gegenseitig mit den Hornlippen ihrer Münder zwickten. Dann strahlte der Markt am ehesten das aus, wofür Marla die Stadt ihre Heimat nannte, trotz aller versteckter Feindseligkeiten. Geschmeidig stahl sie sich durch die Menge, sich ganz auf ihren natürlichen Gefahrensinn verlassend. Das Feyra leitete sie ohne Zwischenfälle zum Haus des Geldwechslers. Durch ihren Schal als Botin des Trumen gezeichnet, verwunderte es sie nicht, bereits am Nebeneingang abgefangen zu werden. Ein gut gekleideter Jinjend trat zu ihr auf die Straße, in der Hand hielt er eine versiegelte Rolle.
»Bring dieses Pergament nach Torgenau, ein Läufer wird dich dort im Portalhaus erwarten. Gib ihm das Rezept und warte auf seine Rückkehr, er sollte eine Medizin bringen, die du sofort zu mir bringst. Und beeile dich, meine Herrin Amata erwartet dringend diese Medizin! Hast du mich verstanden? «
Marla legte ihren Kopf schief. Der Jinjend verstand sofort. Mit einer geschmeidigen Handbewegung zog er einen Siegelstein unter seinem Umhang hervor und reichte ihn Marla.
»Ich werde erfahren, wenn er für andere Reisen benutzt wurde, sieh dich vor, Mädchen! « Damit wandte er sich abrupt um und verschwand hinter der Tür aus echtem Holz.
In dieser Gegend stach der Reichtum wie grelles Sonnenlicht in die Augen der Besucher und Bittsteller, doch Marla beeindruckte das nicht. Hier lebten Fnossels wie überall und sie waren deshalb nicht fetter oder hübscher, nur der Kammerjäger tauchte öfter auf. Ein Leben in Palästen erschien ihr wie endloses Eingesperrtsein. Und doch wusste sie, dass diese Verachtung des Reichtums der einzige Luxus war, den ihr ihre Armut erlaubte.
Schnell durchquerte sie die Turosallee, ließ die Auslagen und Waren der Läden unbeachtet und stellte sich in die Reihe der Wartenden am Portal.
Hier stopfte sich der Verkehr. Karrials zogen ihre Fuhrwerke stur, bis es nicht mehr weiterging und blökten lautstark ihren Unmut in den Lärm der anderen Tiere. Ihr Kot und ihre Pisse färbten den obligatorischen Schlamm grün, der Gestank gehörte zum Warten dazu, wie die fliegenden Händler, die Tee und frittierte Gerichte anboten. Nicht wenige Reisende frühstückten so und sparten wertvolle Zeit. Da das Portal nicht gleichzeitig in mehrere Richtungen arbeitete, aber genug mehr oder minder reiche Leute vorhanden waren, die damit reisen wollten, gab es für die Turosmänner, die am Portal arbeiteten, stets genug zu tun. Einzig in den wenigen Stunden, in denen auch die Gasthäuser geschlossen waren und in Saramee eine relative Ruhe einkehrte, ging es etwas geruhsamer zu.
Im [red] wesentlichen [/red] (Wesentlichen) bestand die Aufgabe der Portalswächter neben der Kontrolle der Abreisenden und dem Kassieren des Transportpreises auch im Überwachen der Ankömmlinge. Marla fragte sich oft, was hinter dieser mächtigen Gilde steckte, der weder Kriege noch politische Intrigen je etwas anhaben konnten. Neben vielen exotischen Gerüchten, denen Marla keinen Glauben schenkte, faszinierten sie die Geschichten über heimliche Experimente der Gilde, neue Portale zu bauen. Das könnte sich nicht nur als lukrativ erweisen, sondern vor allem auch helfen, das langweilige Warten abzuschaffen.
Doch Marla hatte bereits genug Botengänge durch das Portal hinter sich, um kleine, zum Teil schmutzige Tricks zu kennen, wie man die Wartezeit am Portal verkürzen konnte. Etwa den anwesenden Vogelartigen schöne Augen machen. Aber danach war ihr heute in ihrem Zustand einfach nicht, so gerupft und zersaust. Also schlich sie sich nur zwischen den Fuhrwerken hindurch und stand schon bald recht weit vorne in der Schlange der Wartenden. Als ein weiteres Vordrängeln nicht mehr möglich war, weil die Leute entweder zu dicht standen, oder jeden Neuankömmling misstrauisch beäugten, blieb Marla einfach stehen, als nähme sie diesen Platz schon seit geraumer Zeit ein. Ihre schlichte Tracht und die Tatsache, dass sie einfach nur ein Feydara, ein Vogel, war, halfen ihr dabei.
Vor ihr geduldete sich ein alter Händler aus Istad. Ein Sklave verschob von Zeit zu Zeit den Sessel, auf dem der Händler saß und fächelte ihm immer wieder mit einem breiten Korbgeflecht Luft in das schwitzende Gesicht. Unentwegt palaverte der Alte von den guten alten Zeiten, als Sklaven noch kräftige Burschen und heiße Weiber waren, arbeitsam und fleißig. Nicht solche Jammerlappen und Tunichtgute, wie sie heute nur noch zu bekommen waren.
Frasar, wie der Händler sicht nannte, besaß mehrere Farmen in Istad, doch seinen Reden nach drohte ihm schon bald der Bankrott.
»Überall schießen jetzt Dörfer mit Tagelöhnern aus dem Boden. Seit das westliche Imperium seine ausgedienten Söldner mit Geld zum Landkauf ausstattet, wimmelt es da nur noch so von Pächtern und all dem verkommenen Lumpenpack aus dem Norden. Man kann getrost eine Wagenladung Gran darauf verwetten, das sich unter dem Gesindel lauter weggelaufene Sklaven verstecken. Machen alle rebellisch dort! « Er spuckte aus.
Marla drückte sich unauffällig in den Schatten des hinter ihr stehenden Wagens. Auch wenn sie selbst eine Freie war, gefiel ihr die Nähe von Sklavenhaltern nicht. Weder Adyra noch Gayra eigneten sich für Sklavendienste. Wohl gab es unter den Gladiatoren einige Gayra-Hähne, aber das waren Ausnahmen, zu sehr bestimmte die Balz das Kampfverhalten der Feydara.
Doch der Händler jammerte weiter. Es handelte sich um die alte Leier der Ewiggestrigen, wie sie so viele in den Gassen der Stadt anstimmten. Während die Handwerksgilden immer mehr Mitglieder aufnahmen und überall neue Betriebe entstanden, in denen gegen Lohn gearbeitet wurde, versuchten die alten Adelsfamilien ihre Privilegien als freie Bürger der Stadt dadurch aufrecht zu erhalten, dass sie ihre Macht weiter auf Sklavenrücken aufbauten. Dabei zirpten es die Fnossels längst in der Abenddämmerung von den Wänden, wie vergeblich diese Mühen waren, und Fnossels verstanden sich einfach am besten auf die Zeichen der Zeit, fand Marla.
Sie schaute um sich und fand auch sofort einen der Käfer in ihrer Nähe. Der dunkelgrüne Panzer fiel in der Dunkelheit des Schattens kaum auf, nur die Bewegung der Fühler verriet ihn. Bis er sich gemächlich wieder auf seinen Weg machte, innehielt, weil ein Sonnenstrahl von einer blankpolierten Geschirrstange abgelenkt auf ihn fiel und seine Flügel unter den sich öffnenden Panzerschalen hervor schob. Bereit, jeglicher Gefahr einfach davon zu fliegen. So einfach kann es manchmal sein, dachte Marla. Die Sehnsucht ließ ihre Flügelstümpfe zucken. Doch der Käfer flog nicht davon und schon bald krabbelte er in eine Ritze. Marla starrte noch eine Weile in das undurchdringliche Dunkel, bis die Straße mit ihrem Lärm sie zurück vor das Portal holte.
Dann war es endlich soweit und der Händler nahm den Portaltransfer nach Istad, während Marla warten musste, bis die Portalmeister den Weg nach Torgenau freigaben.
Die Kontrolle verlief wie immer flüchtig. Der Turoswächter erkannte Marla und als er den Siegelstein sah, winkte er sie nur kurz durch. Der Portalmeister vollzog seine geheimnisvollen Gesten, die mehr der Verschleierung des Vorgangs dienten, wie Marla felsenfest glaubte und schon spürte sie die eisige Spannung in ihrem Körper, der leicht wurde und ihr das Gefühl gab, doch fliegen zu können, wie jene längst vergessenen Vorfahren ihrer Ahnen. Gewöhnlicherweise vollzog sich der Transfer in aller Kürze, doch heute begann Marla in den unheimlichen Schemen etwas zu sehen.
Sie erschrak. Die tiefe Angst, nie wieder aus dem Portal herauszukommen brach sich Bahn. Sie schrie vor Entsetzen auf, doch kein Laut drang über ihre Lippen. Mit weit geöffneten Augen spähte sie umher. In dem grauen Nebel gab es Bewegungen. Flüchtig sah sie Schemen, die wie Menschen oder Glisk aussahen. Dann kam ein Feydara auf sie zu. Marla konnte nicht erkennen, ob Adyra oder Gayra, aber der Hahn war alt. Er [red] starte [/red] (starrte) sie an, mit einer Eindringlichkeit, die Marla ängstigte, aber ihr Feyra blieb stumm. Es schien keine Gefahr zu geben. Der Hahn hob eine Hand und öffnete sie. Darin lag ein Siegelstein. Plötzlich bildete er Füße und Fühler und ähnelte nun einem Fnossel. Sofort öffnete er die Flügeldecken und streckte die Flügel heraus. So schnell, dass Marla es kaum sah, flog er zu ihr herüber. Sie vermeinte das Kitzeln der Beine auf ihrem Kopf zu spüren, als sie aus dem Portal geworfen wurde.
Sie landete unsanft im Portalraum von Torgenau.
»Weitergehen! «(Komma) rief ein Wächter und trat zu ihr, um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen.
»Es wollen noch mehr das Portal benutzen! «
Eilig stand sie auf und ging Richtung Ausgang. Aber der Schreck steckte immer noch tief in ihr, ihr wurde bewusst, dass sie mit den Lippen klapperte.
Draußen trafen sie kalte Regentropfen.
»Warum rennst du so schnell? « Ein kleiner und verwachsen aussehender Mann, [der Läufer, trat zu ihr und hielt sie am Arm fest. »Kommst du vom Geldwechsler Baal? Ich warte schon seit Stunden auf dich! « Vorwurfsvoll musterte er die verstörte Marla.
Sie gab ihm stumm das Pergament.
»Ah, gut! Warte hier, klar? « Aber er wartete die Antwort gar nicht ab und verschwand im Regen.
Auch vor diesem Portal herrschte Gedränge und die störende Botin wurde schnell zur Seite gedrängt, an die schmutzige Fassade des Torhauses, an der das Wasser aus einer undichten Dachrinne heruntertropfte und dumpf auf Marlas Schädel tropfte.
Der Schmerz brachte sie zu sich. Zunächst begriff sie nicht, was ihr wehtat. Bis sie nach oben sah und ein Tropfenstrom in ihr Gesicht plätscherte.
Sie plusterte sich und fuhr mit der Hand über ihren Kopf. Da klebte etwas. Erschreckt und mit steigendem Entsetzen riss sie daran. Zwischen weichen Flaumfedern lag ein Fnossel in ihrer Hand. Er war tot, eine Hülle nur noch, denn sie konnte durch mehrere kleine Löcher hineinsehen, aber zu schwer.
Die Hülle hätte leicht sein müssen, wie der Flaum. Ängstlich tastete sie mit der anderen Hand jene Stelle am Kopf ab, wo der Fnossel geklebt hatte, doch sie spürte nichts. Die Haut war noch betäubt vom Wasser. Sie besah sich ihre Hand, doch es war kein Blut daran, doch wie sicher konnte sie bei dem Regen sein?
Nur wenige Schritte neben ihr,(kein Komma) schien das Dach einen besseren Vorsprung zu haben, denn die Wand sah trocken aus. Marla trat unter diesen Schutz und sah erneut in die Hand mit dem Käfer. Was war nur mit ihr im Portal geschehen?

Wir flogen mit den Wolken,
bis Aranga uns die Flügel nahm.
Bis zum Ende seiner Herrschaft
sind wir zerbrechlich wie ein toter Käfer.

Das Lied der Reue. Ein Kinderlied, gesungen im warmen Nest der Kindheit, fiel ihr ein. Schamanenlieder, wie Mama Doratha spöttisch sagte. Doch als Kind waren diese Lieder das Geäst, aus dem die Träume und Spiele bestanden. Flüge zur Sonne, auf den fernen Gipfel des Omnikon, über das Meer.
Im Regen am Portal von Torgenau reiste Marla in die Vergangenheit. Dachte an all die Gefährten, die heute in alle Winde verstreut waren. Ihr erster Schwarm. Und das Wunder der Welt, das sie erkundeten, bis es zu klein wurde, bis das Wunderhafte dem bitteren Kampf wich.
Der Regen betupfte sie nur ab und zu mit einem Spritzer, der von einem Stein abprallte oder irgendwie durch die Lücken des Daches kam, doch in Marla breitete sich eine Wärme aus, die sie gegen Feuchtigkeit und Kälte schützte. Sie sah sich als kleines Küken dumm und zänkisch mit den anderen streiten. Aber vor allem sah sie jene goldenen Sonnentage, da sie auf einer Wiese tollten, von Blumen naschten und die geheimnisvollen Lieder sangen, die ihnen Gredur beibrachte. Jener alte Hahn, der von den Adyra der Vorzeit erzählte. Von ihren großen Reichen, von der Neststadt Sal und wie sie unterging.

»Verdammtes Wetter, hol dir nicht den Tod, Kleine! « Aus dem Nichts war der Läufer wieder da. Auch er tropfte und hatte Mühe, seine geölte Mütze festzuhalten, die dem Regen kaum genügend Widerstand leistete, um die Augen des Mannes trocken zu halten.
»Nimm und mach dich auf den Rückweg, mich hält hier heute nichts mehr! « Damit presste er ihr ein Paket in die Arme und verschwand wie ein Geist im Regen.
Marla kam zu sich und war dennoch fern. Sie wusste, dass sie zurück musste, und es gelang ihr auch irgendwie, sich in die Reihe der Wartenden einzureihen, die trotz Regen auf eine Portalreise angewiesen waren. Aber Marla handelte instinktiv, im Geist flog sie noch immer mit den Lichtern der Vergangenheit. Dabei veränderte sich das Geschehene, wurde bunter und lebendiger.
Dann stand sie vor dem Portalmeister. Noch während sie den Portstein vorwies und der Mann mit seiner Prozedur begann, fühlte Marla, wie sich Unruhe in sie einschlich, die fast zur Angst wurde. Aber sie konnte sich nicht mehr fragen, was mit ihr während des Transportes geschehen würde, denn da erfasste sie schon jener merkwürdige Zug und ohne die geringste Verzögerung fand sie sich in Saramee wieder.
Verwundert über die Enttäuschung, die sie darüber empfand, [red] das [/red] (dass) diesmal nichts geschehen war und trotzdem noch immer angefüllt mit einer Wärme und Euphorie, die so neu, aber nicht fremdartig in ihrem Innern wühlte, glitt sie aus dem Portalhaus.
Das rege Treiben der Stadt nahm sie wahr, als ob es sich vervielfacht hätte. Plötzlich wurde ihr die Größe der Stadt bewusst, die Masse an Lebewesen, deren Zahl sie sich bisher nicht vorzustellen vermochte.
Aber was sie am meisten verwunderte, war ein ganz anderer Rhythmus, der über dem Ächzen der Häuser und auch über dem Raunen von Menschen, Feydara, Glisk, Jinjends und der anderen Völker und Rassen lag.
Sie spürte ein Wispern und Brummen, Klacken und Summen, eine unendlich zarte Melodie. Und ihre Augen fanden die Sänger. Fnossels an den Wänden, im Schmutz der Gassen, träge fliegend, fressend, ruhend oder sterbend, in Mägen oder durch Zufall zertreten, erschlagen von belästigten Leuten...
Maden und Larven, ausgewachsene Käfer, Sammler und Krieger und Königinnen in tief verborgenen Nestern.
Atemlos eilte Marla durch den riesigen Fnosselbau, der Saramee genannt wurde.
Mit ihr rannte das Leben, brannte sich in ihr Innerstes. In der Ferne das Meer und der Dschungel, um ihr herum die Stadt, die Fnossels, es war, als spülte die ganze Welt das aus ihr heraus, was zuvor klein und dünn die junge Adyra ausmachte, die gerade in die Mauser kam und ganz am Anfang ihres Lebens stand.
Nun erfüllte sie Leben auf eine ganz andere Art, und sie wusste, was mit ihr geschah.

Man brachte Marla zu Amata. Es gab keine Fragen. Der Jinjend wich erstaunt vor ihr zurück, als sie ihn an der Tür ansah. Keine Worte, keine Gesten.
Die junge Frau, eine Schönheit ihrer Art, lag nicht im Sterben. Ihre Krankheit stellte nicht einmal eine Gefahr für sie dar. Aber die Medizin. All das erstrahlte als leuchtendes Wissen in Marla. Die fehlerhafte Zusammensetzung der Tinktur würde das Mädchen über längere Zeit vergiften und ihr Herz schwächen, bis es versagte.
Die alte Dienerin, die das Auftauchen der Adyra zunächst mit giftigen Blicken bedachte, (kein Absatz)
riss rasch die Gardinen auf, als sie Marlas Blick auf die verdunkelten Fenster sah. Ihre Haltung wies Überraschung darüber auf, dass sie so handelte. Aber sie fühlte eine Aura um Marla, die ihr jede andere Reaktion[red] versagt[/red] (versagte) . Auch das geschah leise, voller Andacht und unerklärlicher Zurückhaltung.
Der Schein der Sonne brandete in das Zimmer, schälte das sanfte Gesicht aus dem Grün des Bettzeugs. Amata schlief. Das plötzliche Licht ließ ihre Lider flackern, doch sie erwachte nicht. Das Fieber hatte die Wangen rot und die Stirn bleich gefärbt. Schweißtropfen, gerade erst weggetupft von der Dienerin, begannen erneut ihre kühlende Pflicht zu[blue] erfüllen[/blue] (tun) .
Marla trat an das Bett. Das Mädchen, kaum älter als sie selbst, glich einem dunklen Meeresstrudel. Da spukte Lust in erotischen Fantasien, Gier nach Macht und dem Gefühl damit verbundener Anerkennung, Bosheit und Tücke, geboren aus Tränen und Furcht. Aber im Zentrum wirbelte alles um eine ernstere Amata, der der Duft von Gräsern wichtig war, die ihren alten Jinjend-Diener mehr liebte als ihren Vater und darüber verzweifelte, die in verruchten Kneipen für ihr Leben gern Liedern lauschte und die nur fliehen wollte, die zu viel trug,(kein Komma) für die wenigen Jahre ihres Lebens.
Der gelbe Flaum an Marlas Fingerspitzen strich über die nasse Stirn Amatas, trocknete den Schweiß und hinterließ Wellen in ihrem Geist. Eine stetige Strömung, die das Dunkel aus dem Strudel vertrieb. Er wurde nicht langsamer, er fegte immer noch wie ein Sturm durch das Denken und Fühlen der Kranken, aber er belebte, anstatt zu zerstören. Amata würde erwachen, wenn sie ausgeschlafen hatte, das Fieber würde weichen, aber in ihrem Innern brannte es weiter. Das Mädchen musste selbst wählen, wer sie sein wollte.
Wortlos drehte sich Marla um und ging. Die beiden Diener schauten ihr nach, wortlos wie bisher. Doch der Jinjend lächelte. Die strahlende Stille des Augenblicks [red] hafte [/red] (haftete) noch eine Weile in den Gemächern des Geldwechslers.

Der Fnossel kroch neugierig über die Seite des Buches. Er fand keine Nahrung und dass er über Buchstaben trippelte, interessierte ihn nicht. Vielleicht spürte er eine Verbindung zu dem Wesen, das sich über ihn beugte, aber er lief unbeeindruckt weiter.
Das Buch war alt. Nur wenige hatten es gelesen, denn es enthielt Zeichen einer alten Sprache. Menschen erkannten sie nicht und stellten das Buch zu den Kuriositäten in der Bibliothek.
Doch das Buch las man nicht mit den Augen allein.
Generationen konnten vergehen, bis einer kam, der es zu lesen verstand. So wie es Generationen brauchte, bis es geschrieben ward. Es erklärte nicht, warum es geschah, was sich im Körper veränderte, ob Hormone oder Zuchtpläne dafür verantwortlich waren.
Das Buch half zu verstehen.
Der Flaum an ihren Händen war rot. Niemand übersah es. Kein Mensch und kein Feydara. Im Buch stand, was Marla geworden war.
Arasaan. Windgeküsste.
In Saramee lebte nun eine Schamanin der Adyra und das war nicht das Erstaunlichste an dieser Stadt, aber es war ein belebendes Erstaunen.

supi! ich war gestern schon ganz hingerissen von der geschichte. wenn du in der qualität weiter schreibst, wird es die beste sarameestory aller zeiten.
lg
 

lapismont

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ich danke Dir für die erneute Mühe!
Du kennst allerdings die anderen Kurzgeschichten nicht, da sind viele gute Geschichten drunter!

cu
lap
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
soso.

kannst du sie mir mal borgen?
und den optischen unterschied zwischen den hennen und hähnen wirst du ja sicher auch noch ausarbeiten.
auch einen gackernden kaffeeklatsch stelle ich mir hinreißend vor. da ist man als menschenfrau doch bestimmt in guter gesellschaft . . .
lg
 

lapismont

Foren-Redakteur
Teammitglied
Mhm, die Völkerbeschreibung gibt nicht viel her. Natürlich könnte ich was von geschwollenen Kämmen schreiben und so, aber brauch ich das?
Gut, der Läufer erkennt, dass Marla eine "Sie" ist. mhm.
Untereinander sollten die Vögel es deutlicher sehen können, als interspeziär.
Vielleicht spezielle Hautlappen im Gesicht? Haare auf den Zähnen?
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
ja,

das ist gerade das spannende an den hühnerviechern. vielleicht haben die hähne auch heraushängende säcke? ach nee, das gibbet ja schon bei den menschen. bei der voayger gibbet ne spezies, die tragen ihre auszubrütenden jungen in einem sack auf dem rücken.
aber vielleicht geht es so, dass die weibchen ganz toll ausladende, kuschelweiche ärsche haben.
üprinx hab ich noch ne kleine ungereimtheit entdeckt: den dotter im gesicht. aus dem dotter wird das kücken. wenn davon noch was im gesicht des erwachsenen klebt, dann möcht ich nicht wissen, wie er gelebt hat ohne das zeug zum aufbauen in sich gehabt zu haben. eine unserem "Du bist ja noch nicht trocken hinter den Ohren" adäquate lösung wäre eiweiß im gesicht oder schärfer: den hahnentritt.
lg
 
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