Au revoir, Wolodja
Es war Ende September, ein regnerischer Tag, als die kleine Marie geboren wurde. Ihr kräftiges Schreien kurz nach der Geburt mischte sich mit dem Lärm auf der Station und übertönte das leise Keuchen der jungen Frau, die sich mit schweissnassen Haaren und klammen Händen an die dünne Bettdecke klammerte und fest entschlossen den Kopf zu Seite drehte, als die Hebamme ihr das Neugeborene in die Arme legen wollte. Marie schrie noch lauter, und die Hebamme unterdrückte einen Seufzer. „Haben Sie einen Namen für Ihre Tochter?“ wollte sie wissen. Die junge Frau antwortete nicht. Bringt es weg. Ich will es nicht.
Das Schreien des Kindes wurde leiser.
Ihr Kopf war zur Seite gesunken, und die fiebrigen Augen starrten ins Nichts, als sie den sich entfernenden Schritten der Hebamme lauschte.
An diesem Abend trank Marcel eine ganze Flasche Rotwein alleine aus. Seit Helenas Fortgang vor gut zwei Monaten hatte er es sich zur Angewohnheit gemacht, abends vor dem Schlafengehen Wein zu trinken. Den Bekannten und Freunden hatte er so lange versichert, es würde ihm gutgehen, und ja, er könne nachts wieder ruhig schlafen, bis sie ihn schließlich nicht mehr fragten. Und er war dankbar, dass er nun endlich in Ruhe die Gedanken an Helena und das ungeborenes Kind verdrängen konnte. Einen Vorteil hatte es: sie würde nie erfahren, warum er zum Beispiel gestern so traurig gewesen war. Oder diese wunderbare Abend davor, als er bei Anna und Robert abends gegessen hatte. Ausgesprochen fröhlich, sogar ansteckend lustig war es gewesen, weil er sich die ganze Zeit eingebildet hatte, sie wäre unglücklich. Ohne ihn.
„Verrückt ist das, nicht wahr?“ sagte er mit klangloser Stimme vor sich hin und lachte dabei, so laut er konnte.
Auf diese Weise wurde Marcel mit seinem Leben und seiner Trauer fertig und es war gut so, wie er glaubte.
Doch dann kamen die Erinnerung an ihre letzte gemeinsame Nacht, immer und immer wieder.
„Ich will, dass meine Tochter Marie heisst, und Wolodja, wenn es ein Junge wird...“ hatte er damals schlaftrunken geflüstert und sie hatte nichts darauf geantwortet.
Er schlief weiter, den Arm auf ihrer nackten Hüfte und der Wind wehte sanft über die reglose Gestalt, die mit offenen Augen in das Dunkel starrte und den ruhigen Atemzügen Marcels lauschte. Woher sollte er wissen, welche Geschichte dieser Name hatte? Da in dem Moment, als er mit schläfriger Stimme den Namen „Wolodja“ aussprach, in ihr die alten Gespenster der Erinnerungen wieder auftauchten und sie für den Rest der Nacht nicht mehr schlafen liessen.
Aber sie hatte ihm nie etwas von ihrer Vergangenheit erzählt. Warum noch einmal die alte, traurige und komplizierte Geschichte aufwärmen, die doch nur sie etwas anging.
Zu deutlich konnte sich Helena an den großen breitschultrigen und nach Leder und Schweiß riechenden Soldaten erinnern, an die roten Vorhänge im halbdunklen Zimmer, die leise wehten, als sich der fremde Mann in ihr bewegte und dabei unverständliche Worte keuchte. Nur ein einziges konnte sie verstehen und es hatte sich ihr in unerbittlicher Schärfe eingeprägt: „Wolodja“.
Immer wieder dieses Wort, dieser fremde Name, Wolodja.
Warum will Marcel auf einmal, dass mein Sohn diesen Namen tägt, fragte sich Helena verzweifelt und fand keine Antwort. Wie konnte sie diese Nacht jeh vergessen? Ihre Hände ertasteten den gewölbten Bauch und, ohne es verhindern zu können, musste sie an diese anderen Hände denken, die sie mit hartem geübtem Griff festhielten und den unerträglichen Schmerz vergrößerten, als das Unausprechliche geschah. Marcel würde es nie verstehen.
Er würde der Vater des Kindes sein, so dachte Helena noch in dieser Nacht.
Aber am nächsten Morgen verließ sie ihn.
Ein letztes Mal schaute sie in sein schlafendes Gesicht und küßte seine Mundwinkel, die sich sanft bewegten, als sie sich über ihn beugte.
„Irgendwann wirst du es verstehen.“
Diese fünf Worte auf einem Stück karierten Papier waren der Grund dafür, dass Marcels Welt nicht mehr dieselbe war und er nachts nicht mehr schlafen konnte.
“Was werde ich irgendwann verstehen? Was?“ fragte er müde die Wand, die ihn teilnahmslos anstarrte.
Seine Finger berührten den Mund und liebkosten ihn, so, als wären es Helenas warme Lippen, die er immer noch schmecken konnte. Er achtete nicht auf die Tränen, die ihm das Gesicht herabrannen, als er seine Einsamkeit laut hinaus schrie, seinen Alltag und die Flucht in den Alkohol verfluchte. Wo war Helena? Wo war sein Kind?
Er ballte die Hände zu Fäusten und trat langsam an das Fenster. Es war ein warmer Abend, der eine herbstmilde Nacht versprach.
Marcel starrte hinaus in den Abend und beobachtete die Fußgänger, die mit langsamen oder schnellen Schritten vorbeiliefen. Er sah einer jungen Frau hinterher, die mit langen Schritten vorbeieilte, und fragte sich flüchtig, ob sie sich jemals in ihrem zukünftigen Leben dieses bestimmten Augenblickes so erinnern würde, wie er es jetzt gerade tat. Aber auch dieser Moment ging vorbei, und auf einmal merkte Marcel, dass der Raum dunkel geworden war.
Das leise Knarren der Tür liess ihn jäh herumfahren und erstarren. Fassungslos sah er Helena auf sich zukommen, das Gesicht vor Kummer verzerrt.
„Unser Sohn hat bei der Geburt fast fünf Pfund gewogen. Er hatte schwarze Haare und rötliche Haut. Und die Hände hatte er zu Fäusten geballt, so wie du es immer tust, wenn du schläfst.“ Ihre Stimme klang brüchig, und Marcel blickte sie an, unfähig, etwas zu sagen. Sie setzte sich müde an den kleinen Tisch und legte den Kopf in die Arme. „Verzeih mir.“
Langsam näherte sich Marcel dem Tisch und betrachtete Helena, die er im Dunkeln kaum richtig erkennen konnte. Dennoch drehte er den Lichtschalter nicht an. Er setzte sich leise, wie um sie nicht zu stören, und wagte kaum zu atmen, aus Angst, sie würde wieder verschwinden und nichts weiter als einen karierten Zettel zurücklassen wie beim letzten Mal.
„Verzeih mir.“ Helenas schmale Gestalt wurde vom Mondlicht bedeckt, der das kleine Zimmer überflutete und zwei blasse Gesichter zeigte, die sich an einem kleinen Tisch gegenüber saßen und einander nicht in die Augen sehen wollten.
Marcel starrte auf Helenas Hände, die bewegungslos auf dem Tisch lagen und auf die Muster, die das Mondlicht zeichnete. Also ist das Kind, der Junge, gestorben. Einfach so, dachte er langsam und schaltete alle Empfindungen ab.
War er überhaupt der Vater?
Seit Helenas Fortgang hatte er sich die Frage gestellt. War dies der Grund für ihr unerklärliches Verschwinden? Er hob den Kopf und sah nachdenklich aus dem Fenster.
Helena sah diese Bewegung und zuckte innerlich zusammen.
Er will mich nicht mehr, dachte sie hoffnungslos. Jetzt weiß er es also. Sie stöhnte leise auf und schloss die Augen, um nicht mehr die unbarmherzigen Helligkeit des Mondlichtes ertragen zu müssen.
Ach, meine kleine süße Marie, du starkes tapferes Wesen, du wolltest so gerne leben, weigertest dich zu sterben, dachte sie, und das Dröhnen in ihrem Kopf wurde stärker und stärker.
Wie kann ich Marcel jemals die Wahrheit sagen?
Dass du so gerne leben wolltest? Ich dich aber nicht leben lassen konnte? Was hättest du für ein Leben in dieser Welt gehabt? Deine weichen kleinen Hände zu Fäusten geballt und deine Augen weit geöffnet, so wolltest du um deine Zukunft kämpfen, du warst bereit für dieses Leben, aber ich liess dich nicht.
Wie werde ich dich in Erinnerung behalten, meine Tochter?
Ihre Augen brannten und sie sehnte sich plötzlich nach Marcel, seinen weichen Lippen und dem glatten dunklen Haar, welches sie so gern auf ihrer Brust spürte, wenn er in ihren Armen schlief.
Wie gern hätte ich dich in meinen Armen gehalten, kleine süße Marie …
Sie hob langsam den Kopf und schaute zu Marcel.
„Ich habe unseren Sohn Wolodja genannt.“ hörte sie sich sagen und sah, wie er mit unsicheren Bewegungen den Stuhl zurechtrückte.
Jetzt begegnete er ihrem Blick und erschrak über die Leere in ihren Augen. Er war sich so verzweifelt sicher, dass seine Liebe zu ihr das Einzige war, wovon er sich nach wie vor noch überraschen lassen wollte. Und sie liebte ihn doch auch! Sonst wäre sie doch nicht zurückgekommen, oder? Seine Hände tasteten über den Tisch und umfassten ihre Finger, die kalt waren wie der Tod. Er drückte ihre Hände und spürte, wie langsam Leben in Helena zurückkam.
„Au revoir, Wolodja“ , flüsterte er leise und sah, wie ihr Tränen über das Gesicht liefen. Da wußte er, dass ihre Flucht ein Ende gefunden hatte.
Und endlich konnten beide über die Dinge weinen, die sie voneinander wussten und all der Sachen wegen, die sie noch in Zukunft voneinander erfahren würden.
Es war Ende September, ein regnerischer Tag, als die kleine Marie geboren wurde. Ihr kräftiges Schreien kurz nach der Geburt mischte sich mit dem Lärm auf der Station und übertönte das leise Keuchen der jungen Frau, die sich mit schweissnassen Haaren und klammen Händen an die dünne Bettdecke klammerte und fest entschlossen den Kopf zu Seite drehte, als die Hebamme ihr das Neugeborene in die Arme legen wollte. Marie schrie noch lauter, und die Hebamme unterdrückte einen Seufzer. „Haben Sie einen Namen für Ihre Tochter?“ wollte sie wissen. Die junge Frau antwortete nicht. Bringt es weg. Ich will es nicht.
Das Schreien des Kindes wurde leiser.
Ihr Kopf war zur Seite gesunken, und die fiebrigen Augen starrten ins Nichts, als sie den sich entfernenden Schritten der Hebamme lauschte.
An diesem Abend trank Marcel eine ganze Flasche Rotwein alleine aus. Seit Helenas Fortgang vor gut zwei Monaten hatte er es sich zur Angewohnheit gemacht, abends vor dem Schlafengehen Wein zu trinken. Den Bekannten und Freunden hatte er so lange versichert, es würde ihm gutgehen, und ja, er könne nachts wieder ruhig schlafen, bis sie ihn schließlich nicht mehr fragten. Und er war dankbar, dass er nun endlich in Ruhe die Gedanken an Helena und das ungeborenes Kind verdrängen konnte. Einen Vorteil hatte es: sie würde nie erfahren, warum er zum Beispiel gestern so traurig gewesen war. Oder diese wunderbare Abend davor, als er bei Anna und Robert abends gegessen hatte. Ausgesprochen fröhlich, sogar ansteckend lustig war es gewesen, weil er sich die ganze Zeit eingebildet hatte, sie wäre unglücklich. Ohne ihn.
„Verrückt ist das, nicht wahr?“ sagte er mit klangloser Stimme vor sich hin und lachte dabei, so laut er konnte.
Auf diese Weise wurde Marcel mit seinem Leben und seiner Trauer fertig und es war gut so, wie er glaubte.
Doch dann kamen die Erinnerung an ihre letzte gemeinsame Nacht, immer und immer wieder.
„Ich will, dass meine Tochter Marie heisst, und Wolodja, wenn es ein Junge wird...“ hatte er damals schlaftrunken geflüstert und sie hatte nichts darauf geantwortet.
Er schlief weiter, den Arm auf ihrer nackten Hüfte und der Wind wehte sanft über die reglose Gestalt, die mit offenen Augen in das Dunkel starrte und den ruhigen Atemzügen Marcels lauschte. Woher sollte er wissen, welche Geschichte dieser Name hatte? Da in dem Moment, als er mit schläfriger Stimme den Namen „Wolodja“ aussprach, in ihr die alten Gespenster der Erinnerungen wieder auftauchten und sie für den Rest der Nacht nicht mehr schlafen liessen.
Aber sie hatte ihm nie etwas von ihrer Vergangenheit erzählt. Warum noch einmal die alte, traurige und komplizierte Geschichte aufwärmen, die doch nur sie etwas anging.
Zu deutlich konnte sich Helena an den großen breitschultrigen und nach Leder und Schweiß riechenden Soldaten erinnern, an die roten Vorhänge im halbdunklen Zimmer, die leise wehten, als sich der fremde Mann in ihr bewegte und dabei unverständliche Worte keuchte. Nur ein einziges konnte sie verstehen und es hatte sich ihr in unerbittlicher Schärfe eingeprägt: „Wolodja“.
Immer wieder dieses Wort, dieser fremde Name, Wolodja.
Warum will Marcel auf einmal, dass mein Sohn diesen Namen tägt, fragte sich Helena verzweifelt und fand keine Antwort. Wie konnte sie diese Nacht jeh vergessen? Ihre Hände ertasteten den gewölbten Bauch und, ohne es verhindern zu können, musste sie an diese anderen Hände denken, die sie mit hartem geübtem Griff festhielten und den unerträglichen Schmerz vergrößerten, als das Unausprechliche geschah. Marcel würde es nie verstehen.
Er würde der Vater des Kindes sein, so dachte Helena noch in dieser Nacht.
Aber am nächsten Morgen verließ sie ihn.
Ein letztes Mal schaute sie in sein schlafendes Gesicht und küßte seine Mundwinkel, die sich sanft bewegten, als sie sich über ihn beugte.
„Irgendwann wirst du es verstehen.“
Diese fünf Worte auf einem Stück karierten Papier waren der Grund dafür, dass Marcels Welt nicht mehr dieselbe war und er nachts nicht mehr schlafen konnte.
“Was werde ich irgendwann verstehen? Was?“ fragte er müde die Wand, die ihn teilnahmslos anstarrte.
Seine Finger berührten den Mund und liebkosten ihn, so, als wären es Helenas warme Lippen, die er immer noch schmecken konnte. Er achtete nicht auf die Tränen, die ihm das Gesicht herabrannen, als er seine Einsamkeit laut hinaus schrie, seinen Alltag und die Flucht in den Alkohol verfluchte. Wo war Helena? Wo war sein Kind?
Er ballte die Hände zu Fäusten und trat langsam an das Fenster. Es war ein warmer Abend, der eine herbstmilde Nacht versprach.
Marcel starrte hinaus in den Abend und beobachtete die Fußgänger, die mit langsamen oder schnellen Schritten vorbeiliefen. Er sah einer jungen Frau hinterher, die mit langen Schritten vorbeieilte, und fragte sich flüchtig, ob sie sich jemals in ihrem zukünftigen Leben dieses bestimmten Augenblickes so erinnern würde, wie er es jetzt gerade tat. Aber auch dieser Moment ging vorbei, und auf einmal merkte Marcel, dass der Raum dunkel geworden war.
Das leise Knarren der Tür liess ihn jäh herumfahren und erstarren. Fassungslos sah er Helena auf sich zukommen, das Gesicht vor Kummer verzerrt.
„Unser Sohn hat bei der Geburt fast fünf Pfund gewogen. Er hatte schwarze Haare und rötliche Haut. Und die Hände hatte er zu Fäusten geballt, so wie du es immer tust, wenn du schläfst.“ Ihre Stimme klang brüchig, und Marcel blickte sie an, unfähig, etwas zu sagen. Sie setzte sich müde an den kleinen Tisch und legte den Kopf in die Arme. „Verzeih mir.“
Langsam näherte sich Marcel dem Tisch und betrachtete Helena, die er im Dunkeln kaum richtig erkennen konnte. Dennoch drehte er den Lichtschalter nicht an. Er setzte sich leise, wie um sie nicht zu stören, und wagte kaum zu atmen, aus Angst, sie würde wieder verschwinden und nichts weiter als einen karierten Zettel zurücklassen wie beim letzten Mal.
„Verzeih mir.“ Helenas schmale Gestalt wurde vom Mondlicht bedeckt, der das kleine Zimmer überflutete und zwei blasse Gesichter zeigte, die sich an einem kleinen Tisch gegenüber saßen und einander nicht in die Augen sehen wollten.
Marcel starrte auf Helenas Hände, die bewegungslos auf dem Tisch lagen und auf die Muster, die das Mondlicht zeichnete. Also ist das Kind, der Junge, gestorben. Einfach so, dachte er langsam und schaltete alle Empfindungen ab.
War er überhaupt der Vater?
Seit Helenas Fortgang hatte er sich die Frage gestellt. War dies der Grund für ihr unerklärliches Verschwinden? Er hob den Kopf und sah nachdenklich aus dem Fenster.
Helena sah diese Bewegung und zuckte innerlich zusammen.
Er will mich nicht mehr, dachte sie hoffnungslos. Jetzt weiß er es also. Sie stöhnte leise auf und schloss die Augen, um nicht mehr die unbarmherzigen Helligkeit des Mondlichtes ertragen zu müssen.
Ach, meine kleine süße Marie, du starkes tapferes Wesen, du wolltest so gerne leben, weigertest dich zu sterben, dachte sie, und das Dröhnen in ihrem Kopf wurde stärker und stärker.
Wie kann ich Marcel jemals die Wahrheit sagen?
Dass du so gerne leben wolltest? Ich dich aber nicht leben lassen konnte? Was hättest du für ein Leben in dieser Welt gehabt? Deine weichen kleinen Hände zu Fäusten geballt und deine Augen weit geöffnet, so wolltest du um deine Zukunft kämpfen, du warst bereit für dieses Leben, aber ich liess dich nicht.
Wie werde ich dich in Erinnerung behalten, meine Tochter?
Ihre Augen brannten und sie sehnte sich plötzlich nach Marcel, seinen weichen Lippen und dem glatten dunklen Haar, welches sie so gern auf ihrer Brust spürte, wenn er in ihren Armen schlief.
Wie gern hätte ich dich in meinen Armen gehalten, kleine süße Marie …
Sie hob langsam den Kopf und schaute zu Marcel.
„Ich habe unseren Sohn Wolodja genannt.“ hörte sie sich sagen und sah, wie er mit unsicheren Bewegungen den Stuhl zurechtrückte.
Jetzt begegnete er ihrem Blick und erschrak über die Leere in ihren Augen. Er war sich so verzweifelt sicher, dass seine Liebe zu ihr das Einzige war, wovon er sich nach wie vor noch überraschen lassen wollte. Und sie liebte ihn doch auch! Sonst wäre sie doch nicht zurückgekommen, oder? Seine Hände tasteten über den Tisch und umfassten ihre Finger, die kalt waren wie der Tod. Er drückte ihre Hände und spürte, wie langsam Leben in Helena zurückkam.
„Au revoir, Wolodja“ , flüsterte er leise und sah, wie ihr Tränen über das Gesicht liefen. Da wußte er, dass ihre Flucht ein Ende gefunden hatte.
Und endlich konnten beide über die Dinge weinen, die sie voneinander wussten und all der Sachen wegen, die sie noch in Zukunft voneinander erfahren würden.