Auf der Flucht

Morfy

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Aus meiner Heimat bin ich damals geflohen, weil Überwachung mich auch in den eigenen vier Wänden in die Enge trieb. In den Nächten, wenn es am stillsten war, hörte ich stets ein leises Summen. Vielleicht wie das eines Aufzeichnungsgeräts oder einer Kamera, die winzig klein in der Tapete versteckt jedes Fingerzucken aufnahm. Die Ungewissheit war mir zu sehr eine Qual, sodass ich flüchtete, weit weg zu einer mittelgroßen Stadt am Meer. Hier sitze ich nun unter blauem Himmel draußen am Café und blicke zu den Wellen, in denen sich die Sonne widerspiegelt. Das Quietschen der Möwen verklingt mit dem Rattern des alten Zuges, der am nahen Bahnhof anfährt. In diesem Moment klopft jemand an meiner rechten Schulter und wie ein Grashüpfer springe ich aus dem Klappstuhl, dieser fliegt durch die Luft, und mit großen Sätzen eile ich über die Straße, überquere die Wiese, hüpfe über Bänke bis zum Bahnhof und klettere zügig in einen Kohlewagon des trabenden Zuges, und ich fahre und fahre bis man mich im Kohlehaufen findet und verscheucht, doch auch dann suche ich den nächsten Zug und fahre immer so weiter, ich überquere 13 Ländergrenzen, fälsche Pässe und fliehe bis in die entfernteste Ecke dieser Welt, mit der Hoffnung, endlich frei zu sein. Aber nein. Auch hier sind Augen in den Wänden und Ohren in der Decke, die nur darauf warten, dass ich einen Fehler mache.
 
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