Auf der Piazza della Signoria in Florenz (Savonarola)

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Herr H.

Mitglied
Auf der Piazza della Signoria in Florenz (Savonarola)

An einem Wintertage zog die Jugend
in großen Scharen durch die Stadt Florenz,
gewillt, im Namen Christi und der Tugend
zu kämpfen gegen Prunk und Dekadenz.

Beschlagnahmt wurden Spiegel, teure Kleidung,
auch Schmuck und Instrumente, wohl verwahrt,
Gemälde, Bücher ohne Unterscheidung
und Luxusgegenstände jeder Art.

Sie schichteten das Beutegut zusammen
auf einen Scheiterhaufen. Und im Nu
war all’ die Herrlichkeit ein Raub der Flammen.
Das Volk an der Piazza schaute zu.

Die Florentiner Jugendlichen standen
bei ihrem Tun im Banne eines Manns,
den sie als ihre Leitfigur empfanden,
als Wächter und moralische Instanz.

Es war der Prediger Savonarola,
de facto der Beherrscher von Florenz,
ein Mann in strenger Ordenstracht und Stola
und reich an Charisma und Eloquenz.

Er geißelte Intrigen und Skandale,
die Eitelkeit, den Stolz der Renaissance
und gab den Menschen ein ums andre Male
durch seinen Ruf zur Umkehr die Balance.

Er tadelte mit seiner rauen Stimme
die üble Korruption der Geistlichkeit
und warnte selbst den Papst vor Gottes Grimme,
fern aller Demut und Ergebenheit.

Kein Wunder, dass der Papst vor Zorn erblasste.
Florenz bedrohte er ganz ungeniert
mit seinem Bann. Der Mönch, den er so hasste,
sah sich von Stund’ an exkommuniziert.

Das führte in der Stadt zum Stimmungswandel,
beim Pöbel und auch bei der Bürgerschaft.
Sie nahm, bestärkt durch Politik und Handel,
Savonarola in die Folterhaft.

Hin zur Piazza schleppte man den Armen,
wo wiederum die Feuerstelle stand.
Dort wurde ohne Gnade und Erbarmen
er aufgehängt und dann sein Leib verbrannt.

All’ das geschah vor gut fünfhundert Jahren
und ist nun lange schon Vergangenheit.
Wer da die Guten, wer die Bösen waren? –
Ich mag nicht richten über diese Zeit.

Doch eines könnte sie noch heute lehren:
dass niemals Fanatismus und Gewalt
zum Guten führen. Ihnen gilt‘s zu wehren
in jeder Form und Farbe und Gestalt.
 

mara

Mitglied
Du hast die Gabe, selbst schwierige Themen so locker in Reime zu weben, dass das Lesen richtig Spaß macht. So sollten Geschichtsbücher geschrieben sein. :)

Falls du noch Interesse an Verbesserung hast - in einigen Versen ist der Jambus nicht ganz eingehalten. Hier sehr deutlich:

fern aller Demut und Ergebenheit.

Das "fern" würde man im Vortrag immer betonen. Vielleicht findest du da noch eine bessere Variante?

(vielleicht: beherzt und fern von Unterwürfigkeit?)
 
G

gitano

Gast
Balladen-/Moritatenphase?

Hallo Herbert!
Inhaltlich greifst Du eine sehr interessante Episode der ital. Spätrenaussance auf, die mich auch schon mehrmals beschäftigte.
Warum?
Nun, es wurden aus "ethischen, moralischen und Glaubenslehregründen" (Dogma der kath. Kirche)auch Bottichellis, einige Arbeiten Michelangelos und vieler Autoren vernichtet (G.Bruno, L.de Midici, V.Colonna...etc.) und selbst diese berühmten Leute kamen in Bedrängnis!
Mir fehlt ein wenig der Hinweis dass dieser Herr S. immerhin zweiter Mann und später kurzeitig sogar führender (Groß-)Inquisitor war...und sein Tun war schon eher Terror und Fanatismus. Seine Stellung hat ihm dies ermöglicht...
Das er später selbst hingerichtet wurde...klingt fast wie die Rache des Schicksals aber ist in Wahrheit Ausdruck einer etwas orientierungslosen Zeit.
Damit bin ich dann auch bei meinem (nur persönlichen) Eindruck:
Die Pole lagen wohl in der "Realität"...nach allem was überliefert ist, viel weiter auseinander. In diesem Sinne plarisiert derText für mich nicht weit genug...mir klingt dies doch noch etwas zu harmlos (was der Bursche anrichtete)
Intensität...ist doch Kennzeichen von Balladen und Moritaten
ANDERERSEITS:
um auf die letzte Strophe hinzuarbeiten (Essenz) braucht es diese Länge?
Die inhaltliche Idee und auch die Umsetzungsidee ist sehr interessant!
Solche Texte geben mir viel mehr als die xte Reimerei auf die Nebel und Dunkelheit des November!
Wann lese ich wiedermal eine Ode von Dir?
oder ist jetzt eine Balladenphase dran?
Grüße aus einem Dachstübchen im Taunus
gitano
 

Herr H.

Mitglied
Hallo mara,

vielen Dank für deine positive Reaktion und für den Änderungsvorschlag, der mir spontan besser gefällt als meine eigene Version. Ich werde ihn im Herzen bewegen. Das dürfte ja ohnehin der Sinn einer "Leselupe" sein: sich gegenseitig Anregungen zu geben, die nicht verletzen, sondern bereichern.

Liebe Grüße von

Herrn H.
 

Herr H.

Mitglied
Hallo gitano,

danke für deinen ausführlichen Kommentar und die Denkanstöße. Es ist mir nicht bekannt, dass Savonarola selbst leitendes Mitglied der Inquisitionsbehörde gewesen ist. Das Verbrennen von wertvollen Sachgütern ist gewiss zu verurteilen, aber das allein macht ihn noch nicht zum Inquisitor. Möglicherweise verfügst du da aber über genauere Informationen als ich. Solltest du recht haben, dann hast du ebenfalls recht mit deiner Meinung, dass S. in dem Gedicht zu gut wegkommt. Ich habe S. bisher als einen Mann wahrgenommen, der gewiss in seiner Art ein Fanatiker war, jedoch auch ein Mensch, dem die Misstände in seiner Zeit und Kirche ein Dorn im Auge waren und der sie unerschrocken anprangerte (in gewisser Weise erscheint er mir damit als ein Vorläufer Luthers). Das trug ihm den Hass des Papstes ein und machte ihn schließlich zu einem Opfer der Inquisition.

Beste Grüße in die Dachstube von

Herrn H.
 



 
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