Mellis ungestüme Gewalt trieb ihrer Mutter ein wenig die Luft aus den Lungen, als sie sich ihr unter der Tür des Kindergartens in die Arme warf. Ihr brauner Haarschopf flatterte im lachenden Umherwirbeln elterlicher Wiedersehensfreude. „Du kleiner Tigger, wenn du noch ein bisschen größer bist, wirst du mich umwerfen.“ Beide blickten unwillkürlich auf das große Schulgebäude, wenige Häuser weiter.
„Mami, guck mal, was ich für dich gemalt habe!“ Lächelnd warf die Mutter einen Blick auf das Blatt, welches durch ihre Begrüßungszeremonie ein wenig an Glätte verloren hatte und ihr jetzt mit dem ganzen Stolz der kindlichen Künstlerin präsentiert wurde.
Ihr Lächeln wurde beim Betrachten der familiären Szene weich. Sie sah sorgfältig gemalte Strichmännchen mit Kastenkörper und Kugelkopf vor einem Haus mit rauchendem Schornstein, während darüber eine vielstrahlige Sonne einige knollige Schäfchenwolken weidete.
Alle Personen auf dem Bild waren deutlich identifizierbar: sie selbst an den langen Haaren, der Papa an seinem Schnurrbart und Melli, eingerahmt von den beiden größeren Gestalten, an ihrem geliebten Kuschelteddy. Und alle hielten sich an den Händen und lächelten ihr Strichmännchenlächeln.
Auf dem Heimweg wurde der Kindergartentag bis ins kleinste Detail berichtet und analysiert. Melli erzählte, wie Kevin sie geschubst und wie die Betreuerin, Martina, ihn dafür geschimpft hatte. Sämtliche Spiele, das Mittagessen, die Ruhestunde: ihre ganze kleine Welt breitete sie vor der Mutter aus. Gemeinsam machten sie noch einen Abstecher in das Schreibwarengeschäft, wo sich Melli ihre Schultüte mit großer Gewissenhaftigkeit aussuchen durfte. In wenigen Wochen würde sie die, mit wunderbaren Sachen gefüllt, überreicht bekommen.
Zu Hause gab es einen kleinen Schatten, als Melli feststellte, dass es heute Rosenkohl gab. Aber letztlich ließ sie sich dann doch zu einer tapferen Portion überreden. Während sie aß, betrachtete ihre Mutter das kleine Energiebündel, ein Wunder des Lebens, und erschauerte unbewusst. Bald ist wieder eine Etappe geschafft, dachte sie, wieder einen Meilenstein relativ unbeschadet überstanden. Sie wird so schnell groß, bald wird sie alleine ihre Wege gehen.
Als der Papa nach Hause kam, ließ Melli schnell die Blockflöte verschwinden, auf der sie ein Geburtstagsständchen für ihn geübt hatte. Ein weiteres gemaltes Meisterwerk und ein Rasierpinsel, gebastelt aus einem Weinkorken und einer Menge Papierstreifen, lagen schon wohlversteckt in ihrer Sockenschublade. Melli rannte in den Flur und rief: „Papi, Papi, kannst du mir helfen? Meine Barbie hat einen Arm ab!“ Ihr Vater war müde, aber diesen großen Kulleraugen konnte er nicht widerstehen. Also ging er mit ihr in das Kinderzimmer und operierte rasch die verunglückte Plastikpuppe. Anschließend lieferten sich Vater und Tochter noch einen Kitzelkampf und das ungekünstelte Kinderlachen schallte bis in das Wohnzimmer zu der schmunzelnden Mutter. Die Zeit fliegt, dachte sie, und schneller, als man ahnt, interessieren sich andere Männer für sie. Solche Überlegungen runzelten ihr immer eine steile Falte über die Nase.
Am Abend räumte Melli ihr Zimmer auf, nicht ohne sich auffordern zu lassen, wusch sich und putzte die Zähne. Danach kuschelte sie mit dem Teddy im Bett und dachte über das kommende Abenteuer namens Schule nach. Sie hoffte, dass sie schnell eine Freundin dort finden würde. Bald wäre sie ein großes Mädchen und würde den kurzen Schulweg ganz alleine gehen. Es war ja keine Straße zu überqueren, hatte Papa gesagt. Bald würden sie auch wieder Oma und Opa besuchen und der Opa hatte erst kürzlich eine Schaukel im Garten aufgebaut. Bald… glitt sie in das Reich der Träume, einem neuen, schönen Tag entgegen.
„Ist doch selber schuld, das Ding, wenn es mich antörnt“, sagte ihr Mörder ein knappes Jahr später in seiner Verhandlung.
„Mami, guck mal, was ich für dich gemalt habe!“ Lächelnd warf die Mutter einen Blick auf das Blatt, welches durch ihre Begrüßungszeremonie ein wenig an Glätte verloren hatte und ihr jetzt mit dem ganzen Stolz der kindlichen Künstlerin präsentiert wurde.
Ihr Lächeln wurde beim Betrachten der familiären Szene weich. Sie sah sorgfältig gemalte Strichmännchen mit Kastenkörper und Kugelkopf vor einem Haus mit rauchendem Schornstein, während darüber eine vielstrahlige Sonne einige knollige Schäfchenwolken weidete.
Alle Personen auf dem Bild waren deutlich identifizierbar: sie selbst an den langen Haaren, der Papa an seinem Schnurrbart und Melli, eingerahmt von den beiden größeren Gestalten, an ihrem geliebten Kuschelteddy. Und alle hielten sich an den Händen und lächelten ihr Strichmännchenlächeln.
Auf dem Heimweg wurde der Kindergartentag bis ins kleinste Detail berichtet und analysiert. Melli erzählte, wie Kevin sie geschubst und wie die Betreuerin, Martina, ihn dafür geschimpft hatte. Sämtliche Spiele, das Mittagessen, die Ruhestunde: ihre ganze kleine Welt breitete sie vor der Mutter aus. Gemeinsam machten sie noch einen Abstecher in das Schreibwarengeschäft, wo sich Melli ihre Schultüte mit großer Gewissenhaftigkeit aussuchen durfte. In wenigen Wochen würde sie die, mit wunderbaren Sachen gefüllt, überreicht bekommen.
Zu Hause gab es einen kleinen Schatten, als Melli feststellte, dass es heute Rosenkohl gab. Aber letztlich ließ sie sich dann doch zu einer tapferen Portion überreden. Während sie aß, betrachtete ihre Mutter das kleine Energiebündel, ein Wunder des Lebens, und erschauerte unbewusst. Bald ist wieder eine Etappe geschafft, dachte sie, wieder einen Meilenstein relativ unbeschadet überstanden. Sie wird so schnell groß, bald wird sie alleine ihre Wege gehen.
Als der Papa nach Hause kam, ließ Melli schnell die Blockflöte verschwinden, auf der sie ein Geburtstagsständchen für ihn geübt hatte. Ein weiteres gemaltes Meisterwerk und ein Rasierpinsel, gebastelt aus einem Weinkorken und einer Menge Papierstreifen, lagen schon wohlversteckt in ihrer Sockenschublade. Melli rannte in den Flur und rief: „Papi, Papi, kannst du mir helfen? Meine Barbie hat einen Arm ab!“ Ihr Vater war müde, aber diesen großen Kulleraugen konnte er nicht widerstehen. Also ging er mit ihr in das Kinderzimmer und operierte rasch die verunglückte Plastikpuppe. Anschließend lieferten sich Vater und Tochter noch einen Kitzelkampf und das ungekünstelte Kinderlachen schallte bis in das Wohnzimmer zu der schmunzelnden Mutter. Die Zeit fliegt, dachte sie, und schneller, als man ahnt, interessieren sich andere Männer für sie. Solche Überlegungen runzelten ihr immer eine steile Falte über die Nase.
Am Abend räumte Melli ihr Zimmer auf, nicht ohne sich auffordern zu lassen, wusch sich und putzte die Zähne. Danach kuschelte sie mit dem Teddy im Bett und dachte über das kommende Abenteuer namens Schule nach. Sie hoffte, dass sie schnell eine Freundin dort finden würde. Bald wäre sie ein großes Mädchen und würde den kurzen Schulweg ganz alleine gehen. Es war ja keine Straße zu überqueren, hatte Papa gesagt. Bald würden sie auch wieder Oma und Opa besuchen und der Opa hatte erst kürzlich eine Schaukel im Garten aufgebaut. Bald… glitt sie in das Reich der Träume, einem neuen, schönen Tag entgegen.
„Ist doch selber schuld, das Ding, wenn es mich antörnt“, sagte ihr Mörder ein knappes Jahr später in seiner Verhandlung.