Avavelyon - Der letzte Wächter Kap. 1

Destiny

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So hier mal mein erster Beitrag:

Prolog: Arĵa

Rotglühende Augen suchen die weite Ebene ab, als würde kein dunkler Hauch über Avavelyon liegen und das Land in Finsternis tauchen. Einige Schritte von ihm entfernt kauern dunkle, formlose Gestalten am Boden, fest den Griff ihrer Bogen umklammernd. Ein lautes Knirschen lässt ihn zusammenzucken. „Norâz!“, zischt eine heisere Stimme und die Gestalten verharren reglos an ihrer Stelle.
Der näher kommende Reiter scheint von alledem nichts zu bemerken und reitet auf die Schattengestalten zu.
„Ir verden! Arno to leran!“, auf den Befehl ihres Anführers hin, begeben sich die Gestalten auf ihre Position ohne auch nur den geringsten Laut zu verursachen.

Das Pferd wiehert und sträubt sich die eingeschlagene Richtung weiter zu verfolgen. Die wachsamen Augen des Reiters suchen die Umgebung ab, doch keine Gestalt ist bei dieser Dunkelheit zu erkennen. Beruhige dich. Hier ist niemand. Es ist alles gut. Beruhigend tätschelt er die Flanke des Pferdes.
„Lîron!“, murmelt der Reiter und ein strahlend weißer Schleier breitet sich vor ihm aus und erhellt die Gegend.
Ein Paar glutroter Augen starrt ihm entgegen. Entsetzen breitet sich in ihm aus.
Die Augen des Todes, dieses Mal werde ich ihm nicht entkommen können.
Sein Pferd bäumt sich auf und wirft ihn beinahe ab, diese Ablenkung nutzt der Angreifer, hebt die Hand empor und ruft: „Forênt!“ Hunderte von Pfeilen durchschneiden die Luft wie Schwerthiebe. Verdammt! Er versucht dem Pfeilhagel auszuweichen, doch zu spät, tödlich getroffen bäumt sich das Pferd ein letztes Mal auf, wirft ihn ab und bricht auf der Stelle tot zusammen. Der Reiter stürzt auf den harten, steinigen Boden und versucht den Pfeilen zu entgehen, als sich auch schon eine smaragdgrüne Spitze in seine Brust senkt. Blut fließt aus der Wunde, während sich der Pfeil langsam weiter seinen Weg zum Herzen bahnt.
So darf es nicht enden, ich muss mein Ziel noch erreichen. Wenn ich es schon nicht selbst überbringen kann, dann muss Arĵa es zumindest versuchen.

Das blaue Mal in seinem Genick beginnt hell zu erstrahlen. Blaues, grelles Licht breitet sich über dem Reiter aus. Erschrocken weichen die Gestalten zurück.
„Forênt!“, ruft die Stimme erneut.
Der Reiter windet sich vor Schmerzen am Boden und versucht seine letzte Kraftreserve zu sammeln. Diese Kraft loszulassen bedeutet seinen sicheren Tod, weil er seine ganze Körperenergie dafür verwenden muss. Seine Finger umklammern mit festem Griff sein Schwert Arĵa und reißen es von dem Gürtel los.
Arĵa suche sie und dann bring sie zu Astalion!
Das blaue Licht sammelt sich zusammen und bildet einen Schleier über seine Augen, seine Lippen formen seltsame Worte. Arĵa beginnt in seinen Händen zu zittern und erstrahlt feuerrot, dann löst sie sich auf.
„Nerâ!“, der Aufschrei sagt ihm, dass er das einzig richtige getan hatte.
Geh nicht!, hallt Arĵas Stimme von weither.
Ich muss! Dann sackt sein Körper in sich zusammen und sein Geist löst sich von ihm und folgt Arĵa.


Kapitel 1

„Pass auf, dass du nicht stolperst.“
„Ich kann alleine gehen, falls du das noch nicht bemerkt hast.“
Joroles runzelte die Stirn und antwortete: „Musst du immer so sarkastisch sein?“
Mürrisch wandte sich Irkûn von seiner Schwester ab und setzte seinen Weg unbeirrt fort.
„Dann eben nicht!“, murmelte Joroles und folgte ihrem Bruder kopfschüttelnd.
Spitze Steine und große Felsbrocken säumten den schmalen, grasbewachsenen Pfad, der zum Nâlarsee hinunterführte.

Wie war es nur möglich, dass er immer gleich eingeschnappt sein musste, obwohl sie ihm doch eigentlich nur helfen wollte. Gut, sie war um ein Jahr älter als er und versuchte seine Mutter zu ersetzen. Doch ehrlich gesagt, war er schon alt genug, auf sich alleine aufzupassen.

„Beeil dich endlich mal, Joroles.“, riss Irkûn sie aus ihren Gedanken, „ich möchte, möglichst bald wieder zu Hause sein.“
Die Arme in die Hüften gestemmt, stand er breitbeinig da und wartete, dass sich seine Schwester endlich zu ihm gesellen würde.
„Ich komme ja schon. Außerdem, um ein paar Fische zu fangen, werden wir wohl nicht allzu lange brauchen.“
„Egal, lass uns weitergehen.“

Joroles Gedanken schweiften wieder ab, zu dem Tag, an dem ihre Mutter sie verlassen hatte. Würde sie jemals wieder zurückkommen, oder war es denn wirklich so unmöglich wie die Menschen im Dorf immer sagten, von solch einer Reise zurückzukehren.

Irkûns Fragen nach seiner Mutter wurden immer häufiger und drängten nach einer ausreichenden und vor allem ehrlichen Antwort. Sie konnte sich doch nicht immer in fadenscheinige Ausreden verstricken, er musste endlich die Wahrheit erfahren, auch wenn sie dafür ihr Versprechen brechen musste. Doch musste es bald geschehen, sonst würde er noch freiwillig zu Sharkûs Armee gehen.

„Wann kommt denn unsere Mutter von ihrer Reise zurück?“, riss Irkûn seine ältere Schwester aus den Gedanken, „Sie ist nun schon ziemlich lange fort, meinst du nicht?“
Joroles bedachte ihn nur mit einem flüchtigen Blick und marschierte weiter.
„Warum gibst du mir keine Antwort?“, fragte er und packte ihren Arm, um sie am weitergehen zu hindern.
Widerwillig wandte sie ihm sein Gesicht zu und sagte: „Verstehst du es denn nicht?“
„Was?“
„Sie wird nicht wiederkommen.“
Irkûn brauste auf: „Woher willst du das wissen?“
„Sie hat vor ihrer Abreise noch einmal mit mir gesprochen und ich musste ihr versprechen, dass wir sie auf keinen Fall suchen, wenn sie nicht mehr zurückkommt.“
„So etwas würde sie nie sagen!“, schrie Irkûn und starrte sie böse an. Joroles wandte sich schweigend um und setzte ihren Weg fort. Schlechtgelaunt und Steine vor sich wegtretend folgte er ihr. Eine Weile gingen sie wortlos hintereinander her, bis Irkûn murmelte: „Tut mir leid! Ich war nur so wütend, weil sie es mir nicht selbst erzählt hat.“
„Schon in Ordnung! Ich hätte es dir ja auch früher erzählen können.“
„Wieso hat sie uns eigentlich verlassen?“
„Das wofür hat sie mir nicht so genau erklärt. Sie hat mir gegenüber einmal erwähnt, dass sie etwas den Gnomen überbringen muss, dass vor Sharkû dem Herrscher von Avavelyon in Sicherheit gebracht werden muss.“
„Sie ist zu den Gnomen? Aber die leben doch im Kûlabgebirge und das liegt ganz im Osten an der Grenze zu Yagdbûrbag. Das ist Selbstmord diesen Weg auf sich zu nehmen, es heißt keiner kann den Garuk-Shígul überqueren! Das kann sie doch nicht so einfach machen, ohne uns etwas davon zu sagen.“
„Du hast Recht. Jeder im Dorf sagt, dass dieser Weg viel zu weit ist und voller Gefahren steckt. Mutter meinte, wir würden es verstehen, wenn wir älter wären.“
„Was sollen wir denn daran bitte verstehen? Es wird auch, wenn ich erwachsen bin unlogisch sein, dass sie einfach so abhaut ohne ein Wort zu sagen.“
„Lass uns einfach zu Hause Vater fragen, warum sie fort musste.“
„Mmmhh.“, murmelte Irkûn und sah etwas ratlos und nachdenklich zu Boden.
„Irkûn, Mutter hat mich gebeten dir etwas zu sagen.“
Fragend sah er zu seiner großen Schwester auf und wartete.
„Sie sagt, du sollst auf keinen Fall der Armee Sharkûs beitreten.“
„Warum dass denn?“
„Das hat sie nicht gesagt, aber sie wird schon einen Grund dafür haben.“
„Es ist doch unmöglich einen Einberufungsbefehl zu verweigern, ohne eingesperrt oder gar getötet zu werden?“
Schweigend setzte Irkûn seinen Weg fort und dachte über das Gesagte nach.
Was musste sie nur den Gnomen überbringen? Warum durfte Sharkû es nicht in die Finger bekommen? Irkûns Wunsch war es immer gewesen zur Armee Sharkûs zu gehören. Wieso verlangte seine Mutter das von ihm. Würde er ihrem Wunsch nicht nachkommen, wäre es, als würde er seine Mutter verleugnen.
„Überleg dir doch einfach noch mal in Ruhe, warum du ihrem Wunsch nicht nachkommen solltest.“
„Ganz einfach, weil ich sterben werde.“
„Sei nicht immer so pessimistisch. Ich meinte doch nur, dass du nachdenken sollst, ob du deiner Mutter vertraust oder lieber Sharkû.“
„Ach komm, hör schon auf mit diesem Quatsch. Darüber muss ich alleine nachdenken, ich kann das nicht so schnell entscheiden.“
„Das sollst du auch nicht sofort entscheiden.“, sagte Joroles und nahm ihren Bruder an die Hand. Irkûns Blick wanderte von ihrem Gesicht zu seiner Hand, starrte darauf, ehe er mit einem Achselzucken den Weg fortsetzte.

Langsam begann sich die Dunkelheit über ihnen zu lichten und der Pfad war jetzt auch deutlich zu erkennen. Schweigend legten sie die letzte Meile zurück und bogen in den Pfad ein. Ineinanderverschlungene Wurzeln übersäten den Waldboden, morsche Äste versperrten ihnen die Sicht auf den Nâlarsee. Vereinzelt glitzerte sein helles Blau zwischen den Zweigen hindurch.


Liebe Grüße
 



 
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