NakedLunch
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Back mich
„Back mich.“
Schon wieder einer dieser Kettenbriefe, dachte sich Helga und löschte die Email ungelesen. In letzter Zeit waren die Sicherheitsmaßnahmen in der Firma deutlich erhöht worden. Es war streng verboten im Büro Privates zu erhalten oder Unbekanntes zu öffnen. In den Gängen munkelte man etwas von Spionageangriffen und Spamattacken.
Erneut erklang ein Computer-Piep und das Postfach blinkte.
„Back mich, Helga.“
Mist, woher wusste diese Email ihren Namen? Vielleicht ein Spaß von einem ihrer Bekannten? Oder war es ein Virus? Ein Kollege hatte von solchen Würmern erzählt, die in den Computer eindrangen und alle möglichen Briefe und Dokumente lesen konnten. Wieder drückte Helga auf die Löschtaste in ihrem Mailprogramm.
Es piepte zum dritten Mal.
„Back mich Helga und ein Traum wird wahr.“
Wie außerordentlich penetrant! Helga starrte auf ihren Monitor und überlegte. Sollte sie einen der Servicetechniker anrufen? Aber der würde bestimmt wieder aufstöhnen, wenn er ihre Stimme erkannte. Helga musste öfter die Hotline bemühen, denn aus unerfindlichen Gründen waren immer wieder Icons verschoben, Dateien verschwunden oder Passwörter geändert worden.
Vielleicht sollte sie doch mal nachsehen, was in der Email steht? Zögerlich fuhr sie mit der Maus über das Betreff.
„Klick“, die Email öffnete sich.
Langsam, Zeile für Zeile, erschien ein Bild. Helga schmunzelte. Ein aus Teig gebackenes Krönchen, wie man es aus Märchenbüchern kannte, konnte doch nichts Böses bedeuten, oder? Unter der Abbildung war zu lesen: „Knet mich, walk mich wunderbar. Back mich, iss mich, Traum wird war.“
Es klopfte und die Tür zum Büro schwang auf. „Ein Päckchen für sie Frau Gänseklein. Ich hoffe ihnen ist klar, das private Post nicht ans Büro geliefert werden darf.“ Ihre Kollegin Frau Glitter legte einen kleinen Karton vor Helga auf den Tisch und tippelte auf ihren High-Heels wieder aus dem Zimmer.
„Wer schickt mir denn ein Päckchen?“, dachte Helga und zerrte bereits an der Verpackung. Sie rieb sich die Augen. Kaum zu glauben, aber es war tatsächlich ein Klumpen Teig.
Kurz entschlossen ging Helga in die Kaffeeküche, drückte und formte die Hefekugel und legte sie in den kleinen Kombiofen.
Nach zwanzig Minuten ertönte ein „Pling“ und das Backwerk war fertig. Mit Genuss biss Helga hinein.
Als sie den Gang zurück in ihr Büro betrat, sah sie eine kleine graue Maus, die in vier roten Stöckelschühchen Richtung Kantine huschte.
„Guten Appetit Frau Glitter“, rief ihr Helga hinterher und konnte sich einen Gluckser nicht verkneifen.