Buecherbiene
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Besuch im Pflegeheim
Schon drei Jahre besuche ich regelmäßig meinen Opa - mindestens einmal wöchentlich - im Seniorenheim. Anfangs war er noch immer gut drauf. Vormittags geht es ihm besser als im
Laufe des Tages. Man kann mit ihm noch reden. Bereits am frühen Nachmittag verlassen ihn seine Kräfte. Er spricht dann nur noch sehr wenig. Oma versteht das nicht. Sie zieht ihr
Vormittagsprogramm tagtäglich durch, das entschuldigte nur ihr Alter, um dann rechtzeitig zur Kaffeezeit im Pflegeheim zu erscheinen, so hat sie wenigstens immer ihre Unterhaltung.
Wie oft bin ich schon diese Stufen hinaufgegangen. Gezählt habe ich sie nicht, doch bereits beim Begehen des Treppenhauses war er da, dieser dicke Kloß im Hals.
Warum musste es so kommen, warum konnte Opa nicht zu Hause gepflegt werden? Das Zimmer, welches er im Heim bewohnt, ist sehr klein und er musste es zunächst mit einem bettlägerigen Mann teilen. Oder war es gut so? Denn Opa hatte gleich das Bedürfnis, sich zu ihm zu legen. Das Pflegepersonal erzählte davon und wunderte sich darüber, wie unser alter Herr es überhaupt schaffte, über das Gitterbett des anderen zu klettern. Erfreulich, der Anblick der beiden friedlich schlummernden Herren. Schade, dass ich es nicht gesehen habe.
Mittlerweile sitzt Großpapa im Rollstuhl, kann solche Ausflüge nicht mehr machen. Vielleicht besser so. Sein neuer Zimmermitbewohner ist noch mobil, doch vor Unfällen nicht gefeit. Ich erlebte es einmal, als sich dieser vom Stuhl in den Sessel setzen wollte, und genau daneben zu Fall kam. Keine Chance für mich, ihm beim Aufstehen zu helfen. Zu fünft stellte man ihn wieder auf die Beine. -
Manchmal füttere ich Opa, wenn es zu langsam geht, bevor sein Essen kalt wird. Er benötigt viel Zeit, um seine Suppe auszulöffeln. Meine Zeit bei ihm ist dann fast schon um, da ich daheim eine Familie zu versorgen habe. Also setze ich ihn in seinem Rolli ans Fenster, erkläre ihm, dass ich bald wieder komme und dass in einer Stunde seine Frau kommt, und dass ich von unten noch einmal zu ihm heraufwinke.
Ich eile die Treppen hinunter, bevor Opa vergisst, mir zu winken. Mein Hals ist frei, der Kloß hat sich aufgelöst, doch wie ich so eben zu ihm hinaufschaue und ihn so wehmütig winken sehe, überkommt mich trotz Dankbarkeit eine Traurigkeit und ich ahne seine Endlichkeit.
(c) Inge E.
Schon drei Jahre besuche ich regelmäßig meinen Opa - mindestens einmal wöchentlich - im Seniorenheim. Anfangs war er noch immer gut drauf. Vormittags geht es ihm besser als im
Laufe des Tages. Man kann mit ihm noch reden. Bereits am frühen Nachmittag verlassen ihn seine Kräfte. Er spricht dann nur noch sehr wenig. Oma versteht das nicht. Sie zieht ihr
Vormittagsprogramm tagtäglich durch, das entschuldigte nur ihr Alter, um dann rechtzeitig zur Kaffeezeit im Pflegeheim zu erscheinen, so hat sie wenigstens immer ihre Unterhaltung.
Wie oft bin ich schon diese Stufen hinaufgegangen. Gezählt habe ich sie nicht, doch bereits beim Begehen des Treppenhauses war er da, dieser dicke Kloß im Hals.
Warum musste es so kommen, warum konnte Opa nicht zu Hause gepflegt werden? Das Zimmer, welches er im Heim bewohnt, ist sehr klein und er musste es zunächst mit einem bettlägerigen Mann teilen. Oder war es gut so? Denn Opa hatte gleich das Bedürfnis, sich zu ihm zu legen. Das Pflegepersonal erzählte davon und wunderte sich darüber, wie unser alter Herr es überhaupt schaffte, über das Gitterbett des anderen zu klettern. Erfreulich, der Anblick der beiden friedlich schlummernden Herren. Schade, dass ich es nicht gesehen habe.
Mittlerweile sitzt Großpapa im Rollstuhl, kann solche Ausflüge nicht mehr machen. Vielleicht besser so. Sein neuer Zimmermitbewohner ist noch mobil, doch vor Unfällen nicht gefeit. Ich erlebte es einmal, als sich dieser vom Stuhl in den Sessel setzen wollte, und genau daneben zu Fall kam. Keine Chance für mich, ihm beim Aufstehen zu helfen. Zu fünft stellte man ihn wieder auf die Beine. -
Manchmal füttere ich Opa, wenn es zu langsam geht, bevor sein Essen kalt wird. Er benötigt viel Zeit, um seine Suppe auszulöffeln. Meine Zeit bei ihm ist dann fast schon um, da ich daheim eine Familie zu versorgen habe. Also setze ich ihn in seinem Rolli ans Fenster, erkläre ihm, dass ich bald wieder komme und dass in einer Stunde seine Frau kommt, und dass ich von unten noch einmal zu ihm heraufwinke.
Ich eile die Treppen hinunter, bevor Opa vergisst, mir zu winken. Mein Hals ist frei, der Kloß hat sich aufgelöst, doch wie ich so eben zu ihm hinaufschaue und ihn so wehmütig winken sehe, überkommt mich trotz Dankbarkeit eine Traurigkeit und ich ahne seine Endlichkeit.
(c) Inge E.