"Schreibend denken oder umgekehrt denkend schreiben" halte ich für sehr flach. Sowieso scheinen sich an dieser Frage die Geister zu scheiden. So als würde man sagen: Schreiben ist für mich wie schriftliches Denken. Diese Aussage finde ich unterirdisch und unreflektiert. Vielleicht sollten solche erstmal darüber schreiben, was sie da für ein Zeug schreiben. Hoffentlich geht das Denken nicht immer den Umweg über das Schreiben.Hinterher könnte man nicht behaupten, dass man beides wirklich beherrsche...
Ich halte die Glieder "schreiben" und "denken" keinesfalls für problemfrei in eine Gleichung setzbar und umkehrbar. Wer das tut, entlarvt meist seinen Unverstand und verkrallt sich in Sätzen, die dem ungeübten Auge distinktive Funktion in der Charakteranalyse solcher Aussager sein will. Und trotzdem bleibt es billige Bauernphilosophie.
Dazu noch ein Zitat von Franz Fühmann aus "Zweiundzwanzig Tage oder Die Hälfte des Lebens", S.91:
"Kann man sagen, was man nicht denken kann? Was zum Beispiel denkt man, wenn man "aua" sagt? Denkt man da etwas, oder sagt man da etwas, ohne zu denken, undzwar etwas, was man auch denken könnte, oder sagt man da etwas, was in Gedanken nicht fassen kann? Natürlich kann ich "aua" in dem Sinn denken, dass ich diese Laute mit innerer Stimme ausspreche, aber dann denke ich nicht "aua", dann realisiere ich meinen Vorsatz, den Lautkomplex "aua" unhörbar zu reproduzieren..."
Wenn man schriftlich oder schreibend denken könnte, hieße es, dass sich Gedachtes mithilfe der Schrift eins zu eins realisieren ließe und keine Dechiffrierung vonstatten gehen müsse. Ich jedenfalls unterstütze Fühmanns Plädoyer für eine Eigenständigkeit, die das Denken vorrangig noch vor dem Schreiben hat. Und Geschriebenes ist keineswegs abschlagsfreies Wiedergeben von Gedachtem. Es sei denn, jemand möchte tatsächlich behaupten, dass er so langsam denkt, dass er Zeit hat, um all das (...wenige?) aufzuschreiben.