Biene in der Toilette

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Rachel

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Biene in der Toilette

Ich hielt sie für ertrunken und spülte. Plötzlich bewegte sie sich. Ich fischte sie raus
und setzte sie ans offene Fenster in die Sonne. Ein windiger Tag.

Sie krabbelte unverletzt aus dem Toilettenpapier und ging auf dem Sims umher. Sie
wippte ihren Körper mit tanzenden Bewegungen auf und ab und ließ sich vom Wind
trocknen. Dann speichelte sie sich neu ein, Beine, Bauch, Po, und spähte vom dritten
Stock in den Abgrund. Von unten stieg kühlender Wind an der Hauswand empor. Sie
hängte sich mutig über die Kante - noch mehr Ventilation!

Ihre haarigen Vorderbeine hielten so angeblasen wie angebohrt, nebenher vibrierten
zwei hauchdünne Flügelpaare. Zuletzt rannte sie zwei-, dreimal Orientierung suchend
im Kreis. Dann flog sie los.
 
Zuletzt bearbeitet:

petrasmiles

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Ein schöner Text und ein feiner Blick für Details.
Ich finde nur das 'endlich' so missverständlich. Man kann es zeitlich auffassen, dass sie quasi 'am Ende' losflog, aber auch drängelnd, wie in 'na endlich' als sei der Betrachter des Zusehens müde geworden. Und das meint es hier sicher nicht. Aber so im letzten Satz gibt es dem Leser ein Fragezeichen mit. Ich glaube auch, wenn das Wort nicht da stünde, würde der Text nichts verlieren.

Liebe Grüße
Petra
 

Rachel

Mitglied
Danke, liebe Petra. Ich stimme dir zu - "endlich" ist missverständlich. Der Betrachter soll nicht müde werden.
Meinerseits war es als Ausdruck der Erleichterung und Freude gemeint. Ja! Sie kann bestens fliegen!
Vielleicht habe ich das "unverletzt" unterschätzt.

Erzählt sei, ich hatte am Ende noch eine (ziemlich schräge) Wendung, die ich ganz entfernte.
Es heißt ja - Kill your Darlings. Hier ist sie:


Zuhause angekommen, schimpfte ihr Mann, wo sie so lange abgeblieben sei. Sie sagte überhaupt nichts
und ging erst mal unter die Dusche.
 

petrasmiles

Mitglied
Liebe Rachel,

für eine Kurzgeschichte wäre Dein darling eine gute Pointe, aber Deine kleine feine Kurzprosa wäre damit ein bisschen überladen, da hast Du völlig recht. Es entsteht ja gerade der Zauber in der Konzentration auf diese Situation - da stören Menschen nur :)
Aber grundsätzlich finde ich die Kontrastierung des feinsinnigen Menschen und seiner Erlebniswelt mit dem 'Rationalen' einen guten Plot. das ist ausbaufähig.

Liebe Grüße
Petra
 

Rachel

Mitglied
Vielen Dank, liebe Petra, für dein Reinschauen und deinen Blick.
Es war hilfreich und hat mich echt gefreut.

Dann flog sie los. :)

Liebe Grüße
 



 
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