BLIMPER (13) Netarts Bay

Michael Kempa

Mitglied
Netarts Bay





Mit einem dicken Kopf wachte Blimper auf. Die Motoren brummten wie ihr Kopf auch. Eve saß neben ihr. Blimper sortierte sich. Sie sah die Instrumente und sah, dass sie sich mit knapp hundert Kilometern pro Stunde in Richtung Norden bewegten. Unter dem Blimp war wieder nur Wasser. „Wo sind wir?“, fragte Blimper.
Eve antwortete monoton. „Auf dem Weg zur Zitadelle.“
Hannah sortierte sich. „Wo ist Alaska?“
„Nicht weit weg, noch ein paar Seemeilen und du wirst die Küste von Alaska sehen!“
„Mir ist nicht nach Wortspielen! Du weißt genau, dass ich Alaska meine und Marcel und Paul und Ricarda und Sabrina! Wo sind sie?“

„Du wolltest zurück!“ Eve sah Hannah direkt in die Augen. Hannah blieb stumm. Der Blimp sank langsam zur Meeresoberfläche und setzte auf. Mit den Wellen ein sanftes auf und ab. Eve küsste Hannah sanft auf die Wange und ging langsam zur Hecktüre, stieß sie auf und schaute kurz auf die Wellen, die fast in die Kabine schwappten, dann gab sie sich einen Stoß und glitt elegant in die graue See. Hannah war fassungslos, sie rannte an die Luke und sah nur noch den silbernen Streifen, in dem Eve versank. Unbändig war ihr Wunsch zu folgen. In ihrem Kopf hämmerte eine Botschaft: „Es ist nicht dein Weg!“
Die Luke schlug zu, der Weg war versperrt. Die „Cairo“ schaukelte mit der Dünung und verhielt sich wie ein steuerloses Schiff. Wasser drang in den Schiffsraum ein, die Gangway lag bereits unter Wasser. Blimper suchte einen Weg. Da sah sie das Zodiac. Wer hatte das Teil zu Wasser gelassen? Blimper hastete durch das Schiff und suchte ihre Sachen zusammen. Viel Zeit blieb ihr nicht, die Gangway lag gut 10 Zentimeter unter Wasser. Es gab erste Kurzschlüsse. Die Elektronik versagte, das Licht fiel aus. Der einzige Weg schien das Zodiac zu sein. Blimper überlegte nicht lange, zum Überlegen blieb ihr auch keine Zeit. Sie packte was sie hatte und bestieg das Zodiac, das neben der „Cairo“ locker vertäut war. Wie im Traum bestieg Blimper das Zodiac, löste die Seile und ließ sich vom Blimp davontreiben.

Die „Cairo“ lag auf dem Wasser wie ein gestrandeter Wal. Das Zodiac dümpelte mit Hannah über die Wellen und nahm nur langsam Abstand zum Blimp. Aus den Kammern der Hülle zischte das Gas, die Hülle der „Cairo“ begann in sich zusammenzufallen, dann war die Kabine nicht mehr zu sehen, die Hülle lag schlaff darüber. Das Helium entwich weiter, die Hülle sog sich mit Wasser voll und der Bug tauchte nun unter Wasser. Mit lautem Pfeifen entwich weiteres Gas, der mächtige Blimp verwandelte sich in ein unförmiges Etwas, das auf dem Wasser trieb. Es ging dann alles sehr schnell, übrig blieb ein zischender Strudel, etwas Unförmiges, das rasch in der Tiefe versank.

Blimper trieb in ihrem Zodiac auf der See. Nun kam der Moment, in dem sie ihre Tränen nicht zurückhalten konnte. Zwei Schiffe hatte sie in den Untergang gehen sehen, die „London“ in einem Funkenregen und nun die „Cairo“, versunken im Meer. Die „Kiew“ war nicht mehr da. Hannahs Freunde waren weg und Eve war in der See verschwunden.
Mit einem Schlag wurde ihr das klar, es schnürte ihr die Kehle zu. Ein Schluchzen befreite ihren Atem, hilflos weinend lag Blimper am Boden des Zodiacs und trieb mit dem großen Schlauchboot davon. Nach einer Weile hatte sie sich beruhigt und Hannah versuchte ihre Lage zu bestimmen. Der Himmel war so grau wie das Wasser und die Linie zwischen Horizont, Wasser und Himmel konnte sie nicht bestimmen. Eines war so grau wie das andere.

Der Motor des Zodiacs surrte leise und eine kleine Bugwelle entstand. Die Richtung war Hannah nicht klar, schließlich entschied sie sich, nach Osten zu steuern, der Kompass hatte hier auch eine Markierung. Gut eine Stunde pflügte das Schlauchboot durch das Wasser. Immer mehr Möwen umkreisten das Boot, ein gutes Zeichen, dass Land in der Nähe war. Am Horizont tauchten die ersten Hügel auf, das Wasser wurde hakeliger, Hannah behielt den Kurs bei. Nach einer weiteren Stunde konnte sie das Ufer sehen, eine leichte Brandung machte sich bemerkbar, Land war sicher in Reichweite.
Die Landung war problemlos, eine sandige Bucht bot ideale Voraussetzungen, das Zodiac setzte sanft am Strand auf, die Reise war beendet.
Hannah schaute sich um, in der Ferne sah sie ein helles Licht, das sie anstrahlte. Sie lief vorsichtig darauf zu. Die Dunkelheit kam langsam aber stetig, das Licht blieb. Nach dem Sandstrand wurde der Boden fester, das Laufen einfacher. Hannah schulterte ihre Tasche neu und hielt auf das Licht zu. Erschöpft ließ sie sich auf einen Felsen nieder und blickte über die Landschaft. Sie bemerkte den Fremden nicht.

„Hannah Susandottir?“, der Fremde sprach sie an. Blimper zuckte zusammen, musste sich zunächst sortieren.
„Ja?“, antwortete sie unsicher.
Der Mann reichte ihr ein kleines Buch, eher so etwas wie ein Heft. Hannah schlug das Buch auf und sah ihr eigenes Foto auf einer Seite. In der Dämmerung konnte sie gerade noch eine weitere Eintragung lesen: „Hannah Susandottir.
„Ich soll sie von Eve grüßen, mein Auftrag ist es, sie in ihre Unterkunft zu bringen und für Sicherheit zu sorgen, mein Name spielt eigentlich keine Rolle, doch Eve meinte, ich soll mich vorstellen. Ich bin Jan. Jan Trust.“
Jan lud Hannas Gepäck in den Kofferraum und wies Blimper in das Innere des Wagens. Vorsichtig schloss er die Tür und setzte sich selbst hinter das Steuer. „Wollen wir?“, fragte er vorsichtig. Hannah nickte mechanisch mit dem Kopf, es blieb ihr nichts anderes übrig. Die Fahrt dauerte eine gute Stunde, vielleicht auch mehr. Viel konnte Hannah nicht erkennen, es war dunkel und manchmal blendeten Lichter. Schließlich stoppte der Wagen, Jan brachte Hannah in ein kleines Gebäude und trug die Taschen hinterher. Vor Hannah tat sich ein geräumiges Zimmer auf, eine große Couch in der Mitte, Decken und Kissen darauf verteilt. Auf einem kleinen Tisch lag ein verschlossener Brief.
Jan verabschiedete sich, der Wagen verließ knirschend die Hofeinfahrt. Fassungslos schaute sich Hannah um. Sie setzte sich auf die Couch und öffnete umständlich den Brief.

Du bist in Sicherheit, schlaf dich erst mal aus. Eve.“

Hannah war viel zu verwirrt, um an Schlaf denken zu können. Sie fand die Küche, untersuchte die Ausstattung und machte sich einen Tee. Mit der dampfenden Tasse ging sie zurück ins Wohnzimmer, fand dort eine Karte an der Wand und sah Bilder von dem Haus, in dem sie nun offensichtlich war. „Netarts Bay“, murmelte sie. „Orgeon, ich bin in Oregon!“

Am nächsten Morgen klingelte Jan an der Tür, er wartete geduldig, bis Hannah die Türe öffnete. Jan nahm am Küchentisch platz, er hatte den Stuhl gedreht und nutzte die Rückenlehne als Stütze für seine Arme, dann stand er auf, ging in die Küche und machte Kaffee. Offenbar kannte er sich im Haus aus. Eine Tasse schob er zu Hannah. Er lächelte. „Sie haben Fragen“, vermute ich.









 



 
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