Blinder Fleck
Ich stehe hinter der Tür und schaue durch den Spion hinaus in den Gang. Draußen ist niemand zu sehen. Nur das trübe Licht im Treppenhaus schneidet die letzten PVC Meter ab. Die Glasscheibe des kleinen Dachfensters ist mit Taubenkot und faulem Laub bedeckt. Wenige milchige Lichtstäbe fallen durch den Schmutz hindurch. Manchmal, an den Wochenden kann ich sehen wie sie die Wände langsam abtasten.
Ich stehe also vor dem Spion und warte. Nein, eigentlich warte ich nicht, ich schaue hinaus. Ich habe alles fest im Blick. Nur ein paar Zentimeter trennen mich vom Gang, doch das Bild ist fern. Es will sich auf meine Pupille legen wie mein an die Linse gepresstes Auge. Es kann nicht eindringen. Mein Auge ist geübt, findet sich sofort im Halbdunkel zurecht. Auf einer Fußmatte stehen Turnschuhe. Zwei Türen weiter ein nasser Regenschirm und daneben eine zugebundene Mülltüte, die zum Container gebracht werden will.
Letzte Woche kam ein Mann auf meine Tür zu. Ich kannte ihn nicht. Ich habe den Daumen auf die Linse gelegt und bis dreißig gezählt. Dann war er weg. Schon als Kind habe ich das gemacht, immer wenn die Nachbarin hochkam und mich aus der Wohnung an ihren Mittagstisch locken wollte. Die Eltern arbeiteten tagsüber und ich war nach der Schule allein. Irgendwann aber gab meine Mutter der Frau den Schlüssel. Ohne es mir zu sagen. Ich stand auf der umgedrehten Holzkiste und spielte mein Daumenspiel. Doch sie verschwand nicht. Sie riß die Tür auf, ich fiel von der Kiste und schlug mir den Kopf an. Da wusste ich, dass man nichts aus den Augen verlieren darf, egal was kommt.
Der blinde Fleck ist eine Täuschung, mir entgeht nichts.
Ein winziger Punkt soll er sein, direkt am Sehnerv. Blind, weil dort keine Lichtrezeptoren sind. Die Lücke wird aber sogleich geschlossen. Es heißt, das andere Auge reguliere dieses Loch sofort ohne dass man es wahrnehmen würde. Die kleinste Gefahr einen Riss im Bild zu erkennen wird sofort ausgelöscht. Vielleicht beunruhigt das manche Menschen. Da ist etwas, das die Welt außen vor lassen will, etwas, das sich wehrt gegen das eindringende Licht. Vergeblich, aber dennoch. Abgeschnitten zu sein vom Licht - diese Angst vor der Dunkelheit wohnt in vielen. Eine durchaus unpraktische Konstruktion hat die Evolution da hervorgebracht, Menschen sinnlos in diese Furcht vor einem immer größer werdenden blinden Fleck zu versetzen. Dabei bemerken sie ihn doch gar nicht. Darauf kommt es doch an. Wird alles sofort ausgeglichen und man bleibt keineswegs in einem Bild mit einem Schatten zurück. Alles strahlt, Dunkelheit gebannt.
Die Wahrnehmung der Welt ist also vollkommen sicher.
Oft stehe ich fast eine halbe Stunde am Spion, gerade gegen Abend. Dann wird es besonders schwer alles fest im Blick zu behalten. Außer der Dachlucke im Treppenhaus gibt es keine natürliche Lichtquelle. Doch ich werde besser, beginne selbst in der totalen Dunkelheit mehr Einzelheiten zu erkennen. Vor mir liegt der Gang an dessen Ende die Stäbe jetzt allmählich dunkel ausfransen. Heute wird es besonders dunkel werden, es hat den ganzen Tag geregnet. In einer halben Stunde wird nichts mehr zu sehen sein.
Ich stehe hinter der Tür und schaue durch den Spion hinaus in den Gang. Draußen ist niemand zu sehen. Nur das trübe Licht im Treppenhaus schneidet die letzten PVC Meter ab. Die Glasscheibe des kleinen Dachfensters ist mit Taubenkot und faulem Laub bedeckt. Wenige milchige Lichtstäbe fallen durch den Schmutz hindurch. Manchmal, an den Wochenden kann ich sehen wie sie die Wände langsam abtasten.
Ich stehe also vor dem Spion und warte. Nein, eigentlich warte ich nicht, ich schaue hinaus. Ich habe alles fest im Blick. Nur ein paar Zentimeter trennen mich vom Gang, doch das Bild ist fern. Es will sich auf meine Pupille legen wie mein an die Linse gepresstes Auge. Es kann nicht eindringen. Mein Auge ist geübt, findet sich sofort im Halbdunkel zurecht. Auf einer Fußmatte stehen Turnschuhe. Zwei Türen weiter ein nasser Regenschirm und daneben eine zugebundene Mülltüte, die zum Container gebracht werden will.
Letzte Woche kam ein Mann auf meine Tür zu. Ich kannte ihn nicht. Ich habe den Daumen auf die Linse gelegt und bis dreißig gezählt. Dann war er weg. Schon als Kind habe ich das gemacht, immer wenn die Nachbarin hochkam und mich aus der Wohnung an ihren Mittagstisch locken wollte. Die Eltern arbeiteten tagsüber und ich war nach der Schule allein. Irgendwann aber gab meine Mutter der Frau den Schlüssel. Ohne es mir zu sagen. Ich stand auf der umgedrehten Holzkiste und spielte mein Daumenspiel. Doch sie verschwand nicht. Sie riß die Tür auf, ich fiel von der Kiste und schlug mir den Kopf an. Da wusste ich, dass man nichts aus den Augen verlieren darf, egal was kommt.
Der blinde Fleck ist eine Täuschung, mir entgeht nichts.
Ein winziger Punkt soll er sein, direkt am Sehnerv. Blind, weil dort keine Lichtrezeptoren sind. Die Lücke wird aber sogleich geschlossen. Es heißt, das andere Auge reguliere dieses Loch sofort ohne dass man es wahrnehmen würde. Die kleinste Gefahr einen Riss im Bild zu erkennen wird sofort ausgelöscht. Vielleicht beunruhigt das manche Menschen. Da ist etwas, das die Welt außen vor lassen will, etwas, das sich wehrt gegen das eindringende Licht. Vergeblich, aber dennoch. Abgeschnitten zu sein vom Licht - diese Angst vor der Dunkelheit wohnt in vielen. Eine durchaus unpraktische Konstruktion hat die Evolution da hervorgebracht, Menschen sinnlos in diese Furcht vor einem immer größer werdenden blinden Fleck zu versetzen. Dabei bemerken sie ihn doch gar nicht. Darauf kommt es doch an. Wird alles sofort ausgeglichen und man bleibt keineswegs in einem Bild mit einem Schatten zurück. Alles strahlt, Dunkelheit gebannt.
Die Wahrnehmung der Welt ist also vollkommen sicher.
Oft stehe ich fast eine halbe Stunde am Spion, gerade gegen Abend. Dann wird es besonders schwer alles fest im Blick zu behalten. Außer der Dachlucke im Treppenhaus gibt es keine natürliche Lichtquelle. Doch ich werde besser, beginne selbst in der totalen Dunkelheit mehr Einzelheiten zu erkennen. Vor mir liegt der Gang an dessen Ende die Stäbe jetzt allmählich dunkel ausfransen. Heute wird es besonders dunkel werden, es hat den ganzen Tag geregnet. In einer halben Stunde wird nichts mehr zu sehen sein.