Curriculum Vitae (Sonett)

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HerrK

Mitglied
Es kommt mit lautem Schrei, was Liebe einst beschloss,
Als rote Frucht des Leibs, der bunten Welt entgegen.
Es ruht im warmen Arm, bricht auf zu weiten Wegen.
Voll Neugier blüht er auf, des Lebens neuer Spross.

Mit letztem Atem geht, verlässt des Lebens Schloss,
Der graue alte Leib, der lange war zugegen.
Ihm droht die nahe Gruft, schon nach dem letzten Segen.
Er blickte starr nach vorn, als er zu Nichts zerfloss.

Des Lebens Flamme brennt, am Abend alles ab.
Was Himmelwärts geblüht, zerfällt zu Aschestaub,
Doch aus dem grauen Grund, wächst Neues dann voll Glück.

Denn wenn die Sonne sinkt, steigt sie auch auf fernab.
Was heute glänzt und fühlt, wird morgen matt und taub.
So dreht des Lebens Rad, so spielt des Lebens Stück!
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Heute ist die Alexandrinerform sehr selten. Zu dem Thema passt sie aber gut. Vor ca. 300 Jahren war sie Standard im französischen und deutschen Sonett. Sie wirkt aber hier gut. Zu der alten Form passt auch die Großschreibung der Versanfänge.

Werden und Vergehen, Leben entsteht und verfällt zu Staub, und die Sonne treibt alles aufs Neue, bis sie auch selbst vergeht.

Einige Kommas verstehe ich nicht:

Ihm droht die nahe Gruft, schon nach dem letzten Segen.
Des Lebens Flamme brennt, am Abend alles ab.
Doch aus dem grauen Grund, wächst Neues dann voll Glück.

Sollen sie (nach altem Stil) die Zäsuren kennzeichnen?

Ist "Himmelwärts" groß, weil "Himmel" vorkommt? (Was Himmelwärts geblüht, zerfällt zu Aschestaub,)

Im Moment sehe ich das als Fehler an, solange ich nicht überzeugt bin, dass es so sein sollte.
 

HerrK

Mitglied
Hallo Bernd,

ja, die Kommas sollen hier die Zäsuren im Alexandriner kennzeichnen.
Bei "Himmelwärts" hab mich einfach vertippt und werde das Ganze ändern.
 

HerrK

Mitglied
Es kommt mit lautem Schrei, was Liebe einst beschloss,
Als rote Frucht des Leibs, der bunten Welt entgegen.
Es ruht im warmen Arm, bricht auf zu weiten Wegen.
Voll Neugier blüht er auf, des Lebens neuer Spross.

Mit letztem Atem geht, verlässt des Lebens Schloss,
Der graue alte Leib, der lange war zugegen.
Ihm droht die nahe Gruft, schon nach dem letzten Segen.
Er blickte starr nach vorn, als er zu Nichts zerfloss.

Des Lebens Flamme brennt, am Abend alles ab.
Was himmelwärts geblüht, zerfällt zu Aschestaub,
Doch aus dem grauen Grund, wächst Neues dann voll Glück.

Denn wenn die Sonne sinkt, steigt sie auch auf fernab.
Was heute glänzt und fühlt, wird morgen matt und taub.
So dreht des Lebens Rad, so spielt des Lebens Stück!
 

Walther

Mitglied
lb. herrk,

wozu die kommata? der leser erkennt das auch ohne den holzhammer. sie stören und sind meist schlicht falsch. wenn, dann wäre ein gedankenstrich die richtige wahl, aber das ist nicht nötig und hemmt nur den lesefluß.

lg w.

lb. bernd,

klassisches memento mori in der barocken form aber ohne den exstatischen/expressiven klang und diktus der damaligen sprache. das ist technisch ordentlich, will aber wenigstens mich nicht überzeugen.

lg w.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ich habe mal einige frühe Sonette von Gryphius durchgesehen.
Beispiel: http://www.sonett-archiv.com/gh/Gryphius/sonI.htm#ortels

Er setzt die Kommas an solchen Stellen nicht.

---

Inhaltlich ist das Gedicht durch Gegensätze, These und Antithese - sowie Synthese gekennzeichnet. Damit entspricht es der grundsätzlichen Struktur vieler Sonette, diese Struktur ist ebenfalls schon alt, sie wird unter anderen auch von Johannes R. Becher propagiert.
 

Walther

Mitglied
lb bernd,

natürlich tut er das nicht.

herrn becher sehe ich aufgrund seiner rolle in der regierung der ddr sehr kritisch und ziehe ihn für solche themen nur ungern heran. natürlich hat er gute sonette geschrieben.

als deutsche protagonisten empfehle ich friedrich rückert und august von platen.

lg w.
 

HerrK

Mitglied
Es kommt mit lautem Schrei, was Liebe einst beschloss,
Als rote Frucht des Leibs der bunten Welt entgegen.
Es ruht im warmen Arm, bricht auf zu weiten Wegen.
Voll Neugier blüht er auf, des Lebens neuer Spross.

Mit letztem Atem geht, verlässt des Lebens Schloss,
Der graue alte Leib, der lange war zugegen.
Ihm droht die nahe Gruft schon nach dem letzten Segen.
Er blickte starr nach vorn, als er zu Nichts zerfloss.

Des Lebens Flamme brennt am Abend alles ab.
Was himmelwärts geblüht zerfällt zu Aschestaub,
Doch aus dem grauen Grund wächst Neues dann voll Glück.

Denn wenn die Sonne sinkt steigt sie auch auf fernab.
Was heute glänzt und fühlt wird morgen matt und taub.
So dreht des Lebens Rad - so spielt des Lebens Stück!
 

HerrK

Mitglied
Ich habe mich eines Besseren belehren lassen und die Zeichensetzung überarbeitet. Hoffe, sie ist jetzt überzeugender.
 
A

AchterZwerg

Gast
Herr K.,
erschrecken Sie nicht, diese plänkelnden Sach-Dispute sind das GUTE an der Lupe, nur anfangs leicht gewöhnungsbedürftig. Mit Walther und Bernd haben Sie zwei Experten im Angebot. :) -
Leider sind sich beide diesmal (!) weitgehend einig, was mich etwas miss stimmt; denn richtig schön wird es erst, wenn ein schnödes Komma zu lang anhaltenden Experten-Fetzereien führt. Dann (und nur dann) war ein echter Kriegsgrund gegeben. - Warum sollen sich Auseinandersetzungen vornehmlich an schönen Helenen entzünden? Das frage ich mich schon lange!
Kommatechnisch liegen Sie noch einmal leicht daneben:
Es kommt mit lautem Schrei, was Liebe einst beschloss,
Als rote Frucht des Leibs der bunten Welt entgegen.
Es ruht im warmen Arm, bricht auf zu weiten Wegen.
Voll Neugier blüht er auf, des Lebens neuer Spross.

Mit letztem Atem geht, verlässt des Lebens Schloss,
Der graue alte Leib, der lange war zugegen.
Ihm droht die nahe Gruft schon nach dem letzten Segen.
Er blickte starr nach vorn, als er zu Nichts zerfloss.

Des Lebens Flamme brennt am Abend alles ab.
Was himmelwärts geblüht, (!) zerfällt zu Aschestaub,
Doch aus dem grauen Grund wächst Neues dann voll Glück.

Denn wenn die Sonne sinkt steigt sie auch auf fernab.
Was heute glänzt und fühlt wird morgen matt und taub.
So dreht des Lebens Rad - so spielt des Lebens Stück!
Ansonsten finde ich das Sonett gut gemacht. Zäsuren (in Alexandrinern nach der dritten Hebung) könnten Sie m. E. durchaus in der alten Form kennzeichnen / bzw. //. Oder nicht? *michmalindieeckeduck

Das sind in meinen Augen aber Winzigkeiten.

Was mich ein wenig mehr stört, ist der Mangel an Enjambements, die einem Sonett erst die nötige Eleganz verleihen. Zumindest beim Übergang zwischen den Terzetten könnten Sie darüber nachdenken ...
Ich warte jedenfalls noch etwas (treudoof) ab.

Der8.
 
A

AchterZwerg

Gast
Leider habe ich nun zu lange an Ihrem Text herumgepusselt und bin deshalb abgeschnitten worden. :( Was ich nämlich noch dringend sagen wollte: Sie arbeiten bereits mit Übergängen, doch die sind mir nicht schön genug (denn etc.).

Froh hingegen stimmt mich Ihr Thema und die Sprachfertigkeit, die Sie mitbringen und offenbar auch umsetzen können.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Und diesmal bin ich mir sogar mit Heidrun weitgehend einig, die Schrägstriche vermeiden die Orthographieprobleme und geben die Zäsuren an, und sie wurden auch verwendet.

Die haben mir in den alten Gedichten besonders gefallen.
 

HerrK

Mitglied
Es kommt mit lautem Schrei, was Liebe einst beschloss,
Als rote Frucht des Leibs der bunten Welt entgegen.
Es ruht im warmen Arm, bricht auf zu weiten Wegen.
Voll Neugier blüht er auf, des Lebens neuer Spross.

Mit letztem Atem geht, verlässt des Lebens Schloss,
Der graue alte Leib, der lange war zugegen.
Ihm droht die nahe Gruft schon nach dem letzten Segen.
Er blickte starr nach vorn, als er zu Nichts zerfloss.

Des Lebens Flamme brennt am Abend alles ab.
Was himmelwärts geblüht, zerfällt zu Aschestaub,
Doch aus dem grauen Grund wächst Neues dann voll Glück.

Denn wenn die Sonne sinkt steigt sie auch auf fernab.
Was heute glänzt und fühlt wird morgen dumpf und taub.
So dreht des Lebens Rad - so spielt des Lebens Stück!
 

HerrK

Mitglied
Hallo Achterzwerg,

an die "Sachdispute" habe ich mich inzwischen gewöhnt ;) ich habe mich ja auch auf der Leselupe angemeldet um Kritik zu bekommen.
Diesbezüglich danke für das teilweise positive Feedback und für die weiteren Anregungen. Was die Enjambements bzw deren Eleganz betrifft, so muss ich wohl einfach noch ein wenig üben.

Ich arbeite an mir!
 

HerrK

Mitglied
Es kommt mit lautem Schrei, was Liebe einst beschloss,
Als rote Frucht des Leibs der bunten Welt entgegen.
Es ruht im warmen Arm, bricht auf zu weiten Wegen.
Voll Neugier blüht er auf, des Lebens neuer Spross.

Mit letztem Atem geht, verlässt des Lebens Schloss,
Der graue alte Leib, der lange war zugegen.
Ihm droht die nahe Gruft schon nach dem letzten Segen.
Er blickte starr nach vorn, als er zu Nichts zerfloss.

Des Lebens Flamme brennt am Abend alles ab.
Was himmelwärts geblüht, zerfällt zu Aschestaub,
Doch aus dem grauen Grund wächst Neues dann voll Glück.

Denn wenn die Sonne sinkt steigt sie auch auf fernab.
Was heute glänzt und fühlt wird morgen dumpf und taub.
So dreht des Lebens Rad - so spielt des Lebens Stück!
 



 
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