Da stille Werk

Es wird ein gutes Ende nehmen, denn des Raben Haupt ist weiß geworden.
(Trismosin)


Wenn an den östlichen Fenstern
der Kathedrale von Laon
der Morgen dämmert,
lauschen die Drachenköpfe und Wasserspeier
noch dem Echo der Lesungen des Anselmus,
des unvergessenen Lehrers
von Guillaume de Champeaux und Abélard,
und Trivium und Quadrivium
werden verschwiegene Zeugen des Opus Majus.

Lichtkaskaden irrisieren über taunasse, gotische Fensterbögen,
zögern tastend auf schwarzpatiniertem Sandsteinmauerwerk,
liegen seidig auf dem Tympanon
mit dem Märtyrium des Heiligen Stephanus.

Immer, am Beginn jedes einzelnen neuen Tages,
wenn die Sonne aufgeht,
sieben Jahrhunderte schon,
arbeiten sie den Pfauenschweif:
Von der Ermordung des Königs
durch die Nacht,
über seine Grablegung,
die langsame Putrefactio,
bis hin zum grünen Löwen.

Wenn die Strahlen der Morgensonne
dann die hohen Fenster mit leuchtenden Farben durchhauchen,
haben sie das Nigredo bereits überwunden,
und ihr Werk strahlt in gläsernem Rubinrot.

Sobald das Licht die Nacht gänzlich geschmolzen hat
und hell durch die alten Fenster greift,
ist der goldene König als Regulus
in seiner himmlischen Majestät auferstanden,
als Abbild der Ewigkeit.
 



 
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