Liebe Vera-Lena!
Gott sei Dank hast Du meine Verirrung, die mich in unserem Gespräch zwischen des Menschen Ein- und Mehrzahl geraten ließ, wieder auf den rechten Weg geführt, wenn Du vom Einfluss der Natur auf den Menschen sprichst. Das sollte doch auch das Thema meines ersten Beitrags sein.
Wir wissen ja alle, dass der Mensch mit der Natur nicht gut umgeht, dass er sozusagen die Kuh schlachtet, von deren Milch er sich ernährt. Und immer, wenn der Mensch auf die Natur Einfluss nehmen wollte bzw. nahm, hat er sie ganz oder teilweise zerstört. Weil er sie ganz einfach viel zu wenig versteht.
Das wollte ich mit meinem Gedanken zu Deiner letzten Strophe ausdrücken. Inzwischen habe ich auch gelernt, warum Du im Bergischen Land eine Ausnahmesituation zu erkennen glaubst. Mir fällt es ehrlich gesagt sehr schwer, „dem“ Menschen das nötige Vertrauen im Umgang mit der Natur entgegen zu bringen. Ja, es gibt Naturforscher, Biologen, engagierte Laien, Künstler, die sich sehr intensiv und im positiven Sinne dieser Frage widmen. Werden sie, werden wir die Natur gegen die Übermacht der Industrie, der Politik, der Gleichgültigkeit schützen können?
Der Salzburger Georg Trakl schrieb das Gedicht „Kaspar Hauser“ nach jenem Findling von 1828, der in Nürnberg bis zu seinem 16. Lebensjahr gefangen gehalten wurde und anfangs weder gehen noch reden konnte, mit einundzwanzig hat man ihn getötet. In seinem Gedicht verlieh ihm Trakl sozusagen die Anwaltschaft der Natur, die in ihrem Ausgeliefertsein dem Menschen zum Opfer fällt:
„Er wahrlich liebte die Sonne, die purpurn den Hügel hinabstieg,
Die Wege des Walds, den singenden Schwarzvogel
Und die Freude des Grüns.
Ernsthaft war sein Wohnen im Schatten des Baums
Und rein sein Antlitz. ...
Ihm aber folgte Busch und Tier,
Haus und Dämmergarten weißer Menschen
Und sein Mörder suchte nach ihm.
Frühling und Sommer und schön der Herbst
Des Gerechten, sein leiser Schritt
An den dunklen Zimmern Träumender hin.
Nachts blieb er mit seinem Stern allein;
Sah, dass Schnee fiel in kahles Gezweig
Und im dämmernden Hausflur den Schatten des Mörders.
Silbern sank des Ungebornen Haupt hin.“
Doch ich will nicht so trostlos enden und sage mit Hölderlin:
„Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch!“
Liebe Grüße und ein schönes Wochenende!
Harald