Das Porträtfoto (gelöscht)

H

Hakan Tezkan

Gast
Hallo Markus,

wir haben uns noch nicht gelesen. Also heiße ich dich herzlich auf der Leselupe willkommen.

Dein Text zeugt von großer Detailverliebtheit, Poesie und Beobachtungsgabe. Du hast einen runden, leisen Stil, der mir gefällt. Zart schwingt der Inhalt mit.

Das Herzstück der Leselupe ist die Textarbeit und ich habe durchaus auch ein paar Kritikpunkte. So wird mir persönlich macnhes einfach zu viel und zu klein klein erklärt. Ich würde den Text straffen, um mehr Raum zu schaffen. Ich mache mal ein paar Vorschläge im Text:

Das Porträtfoto

Ich lag seitlich ausgestreckt auf dem Bett. Die Blätter der getrockneten Rosen in der Vase raschelten in dem kühlen Luftzug, der durchs offene Erkerfenster einströmte[strike]; er streichelte meine geschlossenen Lider und fuhr mir über die Stirn. Mir war, als salbte mich der Allmächtige.[/strike][red]hier wird es mir bereits zu dick, auch die personifikation des windes will mir nicht zusagen. es klingt weich, es klingt zart, gewiss, aber entdecke ich hier nur lyrische Standardsätze, die m.E.n. gestrichen werden können...[/red] Ich schlug die Augen auf. Der Himmel wurde im Fensterrahmen zu einem azurblauen Gemälde komprimiert.[blue]dies stelle ich mir zwar nicht unmöglich, aber doch schwierig vor, da das fenster ja geöffnet ist, aber nun gut, es funktioniert noch...[/blue] Die im oberen Drittel schwebende Sonne schien über etwas Endgültiges zu meditieren, dann und wann wurde sie von einer vorüber ziehenden Wolke ausgeknipst. Als ich blinzelte, flogen die Wolken urplötzlich im Zeitraffer vorbei[red]hier stimmt die Formulierung nicht ganz, sie lässt mich hängen bleiben. Dies liegt daran, dass hier ein Ursache->Wirkung Vorgang suggeriert wird(durch das "als") der aber so gar nicht sein kann, oder habe ich ein Brett vor dem Kopf?[/red] , das Solarlicht wurde in kurzen Intervallen an- und ausgeschaltet. Von Schwindel erfasst schloss ich die Augen und mir kam die beunruhigende Idee[blue]das ist wie in der Schule. Es ist schon klar, dass es die Idee des Ich-Erzählers ist, die er erwähnt, schließlich schreibst du einen inneren Monolog. Also: kill. Ich würd es so schreiben: "...erfasst schloss ich die Augen. Bin ich auch nur ein Wolkenschatten?"[/blue], ich sei vielleicht nur ein Wolkenschatten.
Das Zimmer[strike], in dem ich mich befand,[/strike][red]sag an! Hätte ich niemals erwartet...streichen![/red] hatte etwas Unwirkliches an sich und ich konnte mir nicht sicher sein, ob ich mich faktisch nicht bloß in einem meiner düsteren Gedankengebäude niedergelegt hatte. Eine laute, bedrohliche Stille verstärkte die Furcht meiner Nerven und ließ mich schaudern.[blue]schwacher Absatz. Wirkt auf mich sehr abgegriffen und unnütz, würde ich eventuell sogar ganz streichen... Konzentriere dich auf das Wesentliche. Was denkst du?[/blue]
Als ich die Augen öffnete, blickte ich meiner Frau ins Gesicht. Iris lag in einer Kuhle, ein gekrümmter Körper wie aus weißem Marmor, von Rodin[blue]owei, den musste ich googlen, würd ich anders handhaben, schließlich kann nicht jeder wissen, wer das ist. Es kommt mir einfach wie Intellektuelle Klugscheißerei vor...:D Ich würds fürs Verständnis anders schreiben, vielleicht nur "von einem Meister" oder so ähnlich[/blue] vollendet aus der Materie befreit. Ihr Kopf ruhte auf dem Kissenzipfel, den sie sich um den Oberarm geschlagen hatte. So eine schöne Gestalt, so herzzerreißend lieblich, lieblich ...
Ein schräg einfallender Sonnenstrahl verfing sich in ihrem Haar, es schimmerte rostrot. [strike]Ihr Gesicht war vorzüglich geschnitten.[/strike][red] Auf ein tolles Detail folgt solch ein blasser Satz. Weg damit.[/red][strike] Mein mit Sonne bekränzter Engel! [/strike] [red]Würd ich auch rausnehmen. Dass er sie schön findet wird allein durch die Beschreibungen deutlich und das ist auch gut so. Ich mag diese Fazit ziehenden Erklärungen nicht.[/red]Sie hatte wieder diesen abgehärmten Zug um den Mund. Die Hautpartie über ihren Lippen war entzündet, Iris hatte andauernd Schnupfen. Sie blickte wie durch mich hindurch, als sei ich aus Glas oder existiere nicht. Das tat sie in letzter Zeit öfters. Ich rückte mit dem Gesicht ganz dicht an sie heran und atmete den grasigen Duft ihres Stirnschweißes ein, verzehrte mich nach ihr ...
Leise seufzend kreuzte sie die Arme fötal vor der Brust. Ihre Fingernägel waren bis zur Schmerzgrenze abgekaut. Leerer Blick. Sie seufzte erneut [blue]tat sie das schon einmal? habe ich das verpasst?[/blue]und senkte die Lider mit den dornigen Wimpern.
[strike]Meine Fingerkuppen glitten über das Bettzeug, mir kam es vor, als spürte ich es nicht.[/strike][red]Einfahc zu viel, ja, mir ist bewusst, dass die Stelle metaphorisch zu sehen, dies nicht Spüren-Können. Ist ja die ganze Zeit so und das find ich auch eigentlich gerade so schön ansprechend. Ich würde aber sparsamer sein...[/red] Iris murmelte im Schlaf. Die Stille saugte sich an mir fest und blies mir ihren Moder ins Gesicht. Etwas hatte schon vor Tagen meine Lebenswurzeln verbrannt, war mit dem innersten Wesenskern meines Menschseins aus mir herausgetreten und hatte mich wie eine abgestreifte Haut zurückgelassen. Ich hatte mich heftig zur Wehr gesetzt, gezittert, gekämpft und gerungen ...
Das Licht, des Tages überdrüssig geworden, ließ seine Sklaven – die Schatten aus ihren Käfigen, ehe es sich zurückzog. Das Zwielicht im Zimmer wurde dunkler, das Fenstergemälde verwandelte sich nach und nach in schimmerndes Schwarz. Ich sah den Sternen zu, wie sie allmählich ausschwärmten.
Iris erwachte aus ihrem Schlummer und knipste die Nachttischlampe an. Sie entnahm der Schublade ein gerahmtes Porträtfoto von mir und führte es an ihre Lippen, wobei sich ihr Gesicht zu einer Schmerzensmaske verzog. Mein Blick fiel auf den schwarzen Trauerrand des Fotos …

Für mich würde dein Text so arg gewinnen. Kannst ja schauen, was du davon übernehmen möchtest. Ich finde, dein "Porträtfoto" hat durchaus viel Potential, das aber noch nicht ganz verbraucht wurde...

Liebe Grüße und wieterhin frohes Schaffen,

Hakan
 

Markus Saxer

Mitglied
Das Porträtfoto

Hallo Hakan

Ich bin echt platt! Heute Mittag erstellte ich diesen Beitrag und noch am selben Abend lese ich Deine wertvolle Textarbeit, für die ich mich hiermit ganz herzlich bedanke. Merci auch fürs Willkommen heissen. Manche - nicht alle - Deiner angeführten Kritikpunkte sind für mich gut nachvollziehbar. Ob ich mir den Rodin nehmen lasse (ich könnte statt dessen auch z.B. den Michelangelo einsetzen, den kennt ja jeder, aber die Figur vor meinem geistigen Auge ist eher eine von Auguste Rodin), kann ich noch nicht sagen, auch wenn das tatsächlich nach intellektueller Klugscheisserei klingen mag. Wahrscheinlich lasse ich mir auch "die Salbung durch den Allmächtigen" nicht wegstibitzen, es ist für mich einfach ein schönes, stimmiges Bild - aber das muss natürlich nicht jeder so empfinden. Ich werde nun Deine Vorschläge genau prüfen und unsere Textversionen gegenüberstellen. Ganz gewiss werde ich das Porträtfoto noch ein bisschen straffen und einige von dir vorgeschlagene Optimierungen vornehmen, was noch ein wenig Zeit in Anspruch nehmen dürfte. Je kürzer der Text, desto anspruchsvoller, finde ich, muss man doch beinahe jedes Wort auf die Goldwaage legen. Mit diesem Text möchte ich eine subtile Verstörung im Leser erwecken, ich hoffe, dass mir dies teilweise geglückt ist.

Wünsche Dir inzwischen eine gute Zeit und hoffentlich auf bald!

LG, Markus
 
H

Hakan Tezkan

Gast
hallo markus,

um genau zu sein, habe ich exakt 35 minuten nach der veröffentlichung meinen kommentar abgeschickt. ich war sofort da. schön, dass du meine textarbeit als wertboll empfindest. es ist vollkommen natürlich, dass du nicht alle meine vorschläge übernehmen möchtest. prüfe sie und schau, was dir davon zusagt. bin gespannt auf das ergebnis.

lg,
hakan
 

Markus Saxer

Mitglied
guten nachmittag hakan

danke für den erneuten komm. und fürs gespanntsein. in einem ersten schritt habe ich den text nun einer sanften revision unterzogen, ein bisschen was geändert, ein bisschen was gestrafft. weiter möchte ich im moment noch nicht gehen. werde ihn nun ein wenig ruhen lassen und ihn in ein paar tagen nochmals prüfen. und ja, deine hinweise waren mir überaus wertvoll und auch hilfreich.

hab eine gute zeit!

lg, markus
 
H

Hakan Tezkan

Gast
besser, aber mir immer noch ein wenig zu dick aufgetragen, weniger ist oftmals einfach mehr und die bilder, die du benutzt, sind zwar brauchbar, aber wenn sie kein neues themengebiet aufgreifen, sind viele auch einfach entbehrlich. ich würde die besten herausfiltern und den rest streichen. aber, es sit dein text, du bist der autor.
und deine vorsichtige herangehensweise finde ich genau richtig, so handelst du nicht übereilig. bin weiterhin gespannt, wie sich der text entwickelt...

lg,
hakan
 



 
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