Ich sitze da, beim Sommerkonzert der Schule. Meine Kinder hüpfen fröhlich vor der Bühne herum. Ich ermahne sie, ruhig zu sein, aber ändert dies etwas am Geräuschpegel? Ich habe nur drei Kinder. Die anderen 500 gehören nicht zu mir. Und das ist auch gut so.
Die Aula ist gefüllt mit Menschen. Es ist heiß, es ist stickig. Körper dünsten, wir schwitzen und transpirieren. Wasser tropft von der Stirn, mir laufen Sturzbäche den Rücken herunter. Ich wage nicht, mich nach vorne zu beugen, denn wie muss mein Rücken aussehen?
Der Direktor hält eine herzerwärmende Ansprache. Betont, wie fleißig die Kinder alle geübt haben. Haha, meine Tochter hat das Klavier in den letzten Tagen auch mal betrachtet, und ein, zwei Mal habe ich sogar gehört, dass sie eine Taste gedrückt hat. Ist das bereits fleißig? Ich weiß nicht, was mich erwartet. Und vermutlich wäre es besser, dies nie zu erfahren.
Das erste Kind betritt die Bühne. Ein Erstklässler mit runder Brille und Anzug, dessen Eltern vermutlich denken, wenn er so aussieht wie Harry Potter, dann verzeiht man ihm jede Schandtat. Für mich ist er der geborene Nerd. Ich ertrinke in meinem eigenen Schweiß. Und bete, dass ich in meinem Leben nicht zu sehr gesündigt habe, so dass das, was nun kommt, nicht meine Strafe ist.
Ein akustisches Inferno bricht über uns herein. Der Kleine schafft es, auf dem Klavier keine einzige Taste korrekt zu treffen. Ich erkenne nicht einmal das Lied. Ist das vielleicht ein Stück von John Cage? sinniere ich und lache innerlich. Pfui schelte ich mich selbst. Das ist unfair. Schließlich ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. Dennoch, als Harry Potter fertig ist, habe ich den Eindruck, dass die meisten nur deshalb klatschen, damit er nicht noch einmal spielt.
Eine Erstklässlerin steht nun vorne, und mein Herz rutscht mir in die Hose. Der pure Horror erwartet uns. Sie spielt Geige. Oder sagen wir: Sie hält eine Geige in der Hand, und sie wird sie in den nächsten Sekunden malträtieren. Hoffentlich ist das Stück kurz. Abermals denke ich über meine bisherigen Sünden nach. Geige ist entsetzlich. Geigenspiel müsste polizeilich verboten werden. Zumindest für Kinder. Geige spielende Kinder sind die Geißel des Gehörganges. Und dieses Mädchen ist keine Ausnahme. Ich schwitze noch mehr, dehydriere. Nicht nur wegen der Wärme, sondern auch wegen des Kraches, den die Kleine da anrichtet. Hätte sie diese Geige doch niemals in die Hand genommen…
Die nächsten Künstler kommen, sie werden nach und nach älter, aber sie werden nicht besser. Doch das Publikum applaudiert artig. Wieder und wieder. Ich hänge entkräftet auf meinem Sitz. Hört denn niemand außer mir diese akustische Vergewaltigung, dieses Verbrechen an der Menschheit?
Vier Mittelstufenschüler spielen ein Beethovenquartett. Zwei Geigen, Bratsche, Cello. Ich kenne das Stück nicht. Ich bin allerdings auch kein Musiker. Dennoch: Ich bin sicher, Beethoven könnte man nach dieser Performance als Tunnelfräse einsetzen, so muss er in seinem Grab rotieren. Das Publikum klatscht, und irgendjemand jubelt sogar „Bravo!“ Es ist bestimmt die Mutter eines der akustischen Verbrecher. Genetisch dazu verpflichtete Claqueure.
Nun kommt meine Tochter. Meine Mutter neben mir versetzt mir einen Rippenstoß, und sie lächelt mich an. Sie freut sich, dass ihre Enkelin spielt. Ich nicht. Wenigstens konnte ich verhindern, dass meine beiden Jungs auch auftreten. Meine Tochter schreitet zum Klavier. Das Kleid sitzt, die Haare sind perfekt zurecht gemacht. Mir war noch gar nicht bewusst, dass sie so erwachsen aussieht. Moment, ist sie nicht erst elf? Sie ist eine kleine Frau. Unwillkürlich denke ich an Harry Potter vorhin in seinem Anzug, wie lächerlich ich das fand. Sitzt da jetzt irgendjemand im Publikum, der ebenso über meine Tochter denkt? Doch das verbietet sich doch einfach von selbst. Schaut sie an. Sie ist so hübsch, so adrett. Ich muss mehr auf sie achten. Bestimmt kommt bald der erste Freund…
In meinen Gedanken verpasse ich den Anfang ihres Stückes. Es klingt gar nicht schlecht, finde ich. Mein Herz springt vor Stolz. Das Kind sitzt am Klavier und spielt. Es ist wunderbar! Ich schwitze, nun vor Freude! „Bravo“ rufe ich, als sie geendet hat und sich zum Publikum verneigt. „Bravo!“ Auch die anderen Zuschauer klatschen, jedoch habe ich nicht den Eindruck, dass es stärker ist als bei den Möchtegern-Performances zuvor. Sind die denn taub? Können die den Unterschied nicht hören? Vermutlich nicht. Entweder sind das alles Ignoranten, oder die Möchtegern-Künstler zuvor haben sich des Verbrechens der Trommelfell-Vernichtung schuldig gemacht, und alle klatschen nur, wenn sich jemand verneigt. Mir ist es egal. Ich bin stolz!
Es folgt eine Blockflöte. Ein infernalisches Quietschen. Nie hätte ich gedacht, dass einer Blockflöte derartige Geräusche zu entlocken sind. Warum nimmt niemand dem Kind das Instrument weg und opfert es auf dem Altar der geschundenen Muse Euterpe? Ich lache in mich hinein. Wen sollte man opfern? Das Instrument oder das Kind? Oder verdient Euterpe überhaupt ein Opfer? Schließlich ist sie für den Flötenkrach verantwortlich! Meine hochintellektuellen Gedankenspielchen helfen mir über diesen kakophonischen Beitrag hinweg.
Nun betreten drei Mädchen die Bühne. Ich schätze fünfte oder sechste Klasse. Herausgeputzt wie… wie… Ja, wie eigentlich? Mein älterer Sohn, zwei Plätze weiter, lächelt begeistert: „Die sehen aus wie…“
Ich erfahre nie, wie die drei aussehen, denn seine weiteren Worte gehen im tosenden Jubel der Zuschauer unter. Scheinbar imitieren die drei irgendeine Popgruppe. Musik vom Band setzt ein. Viel zu laut. Ich spüre die durch die Lautsprecher verursachten Luftbewegungen am ganzen Körper. Ich gewinne den Eindruck, dass mein Schweiß nun von mir fortgeblasen wird. Die Mädchen auf der Bühne strahlen wie Honigkuchenpferde und piepsen irgendetwas in ihre Mikrophone. Das Publikum, die Mitschüler, aber auch die unzähligen Mütter, sie johlen und trampeln. Väter bemühen sich, Fassung zu wahren. Ich staune und schwitze. Hey, ihr Mütter, kennt ihr das Stück wirklich? Ich habe keine Ahnung, was das für ein Lied ist oder wer es singt. Und egal wer es singt: So wie die drei da vorne geht das bestimmt nicht. Einfach nur dauergrinsen, ins Mikro piepsen und sich mit zehn oder elf zurecht machen wie eine Achtzehnjährige reicht nicht.
Die Menge um mich herum straft meine Gedanken Lügen. Die Mütter flippen völlig aus. Hey, meint ihr das wirklich ernst? Oder müsst ihr euren Kindern nur beweisen, wie cool ihr noch drauf seid? Gebt es doch zu: Ihr wisst doch auch nicht, wen oder was die Drei da vorne verunstalten.
Mein jüngerer Sohn bekommt seinen Mund nicht mehr zu. Verzückt starrt er auf die Piepsmäuschen auf der Bühne. Sehe ich da Herzchen in seinen Augen? Ich glaube es nicht! Mein Sohn ist verliebt! In einen Möchtegern-Popstar! Wage es ja nicht, mir eine von den Dreien da anzuschleppen. Noch habe ich das Sagen zu Hause. Und die sind eh zu alt für dich!
Das Konzert dauert ewig. Die Luft wird nicht besser, die Künstler auch nicht. Es ist entsetzlich bis zum Schluss. Es gab nur ein einziges Highlight: Meine Tochter!
Nun warte ich am Ausgang der Aula. Ich bin erlöst. Es ist vorbei! Ich habe überlebt. Meine Ohren… ich weiß nicht, ob sie durchkommen werden. Der Saal leert sich allmählich. Der Schweiß beginnt abzutrocknen. Ich freue mich, meiner Tochter zu sagen, wie wundervoll sie gespielt hat. Da kommt sie auch schon, in ihrem Kleid…
Eine Frau schräg hinter mir sagt zu ihrem Begleiter: „Da ist dieses Mädel in Kitsch-Gelb.“
Ich merke auf. Gelb? Meine Tochter trägt gelb. Wo ist das Mädel, von der sie spricht? Ich sehe keines.
„Haha“, macht der Begleiter, „wenn ich der Vater von der wäre, würde ich ihr versehentlich die Finger unter dem Klavierdeckel festklemmen.“
Ich halte die Luft an. Von wem sprechen die?
„Das wäre das Beste“, sagt nun die Frau. „Das war unglaublich schlecht. Bei den anderen Kindern hat man ja wenigstens den Spaß an der Musik gehört, auch wenn es alles noch sehr schräg war. Na ja, es ist ja nur selten ein Meister vom Himmel gefallen, und die müssen ja erst mal alle üben. Nur bei der da…“
„Bei der ist Hopfen und Malz verloren. Entweder ist sie vollkommen unmusikalisch, oder sie hat nicht geübt. Vermutlich beides. Und mit einem grottenhässlichen Kleid in Ekelgelb kann man das Manko auch nicht kompensieren.“
Meine Tochter ist das einzige Kind in Gelb, das ich sehe.
Eine andere Frau hinter mir zischt den beiden Lästermäulern zu: „Psst, der Vater und die Großmutter stehen vor ihnen.“
„Von dieser entsetzlichen Klavierspielerin?“ Die erste Frau bricht ab.
„Oh“, macht der Mann.
Schweigen.
Und ich beginne, erneut zu schwitzen.
Die Aula ist gefüllt mit Menschen. Es ist heiß, es ist stickig. Körper dünsten, wir schwitzen und transpirieren. Wasser tropft von der Stirn, mir laufen Sturzbäche den Rücken herunter. Ich wage nicht, mich nach vorne zu beugen, denn wie muss mein Rücken aussehen?
Der Direktor hält eine herzerwärmende Ansprache. Betont, wie fleißig die Kinder alle geübt haben. Haha, meine Tochter hat das Klavier in den letzten Tagen auch mal betrachtet, und ein, zwei Mal habe ich sogar gehört, dass sie eine Taste gedrückt hat. Ist das bereits fleißig? Ich weiß nicht, was mich erwartet. Und vermutlich wäre es besser, dies nie zu erfahren.
Das erste Kind betritt die Bühne. Ein Erstklässler mit runder Brille und Anzug, dessen Eltern vermutlich denken, wenn er so aussieht wie Harry Potter, dann verzeiht man ihm jede Schandtat. Für mich ist er der geborene Nerd. Ich ertrinke in meinem eigenen Schweiß. Und bete, dass ich in meinem Leben nicht zu sehr gesündigt habe, so dass das, was nun kommt, nicht meine Strafe ist.
Ein akustisches Inferno bricht über uns herein. Der Kleine schafft es, auf dem Klavier keine einzige Taste korrekt zu treffen. Ich erkenne nicht einmal das Lied. Ist das vielleicht ein Stück von John Cage? sinniere ich und lache innerlich. Pfui schelte ich mich selbst. Das ist unfair. Schließlich ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. Dennoch, als Harry Potter fertig ist, habe ich den Eindruck, dass die meisten nur deshalb klatschen, damit er nicht noch einmal spielt.
Eine Erstklässlerin steht nun vorne, und mein Herz rutscht mir in die Hose. Der pure Horror erwartet uns. Sie spielt Geige. Oder sagen wir: Sie hält eine Geige in der Hand, und sie wird sie in den nächsten Sekunden malträtieren. Hoffentlich ist das Stück kurz. Abermals denke ich über meine bisherigen Sünden nach. Geige ist entsetzlich. Geigenspiel müsste polizeilich verboten werden. Zumindest für Kinder. Geige spielende Kinder sind die Geißel des Gehörganges. Und dieses Mädchen ist keine Ausnahme. Ich schwitze noch mehr, dehydriere. Nicht nur wegen der Wärme, sondern auch wegen des Kraches, den die Kleine da anrichtet. Hätte sie diese Geige doch niemals in die Hand genommen…
Die nächsten Künstler kommen, sie werden nach und nach älter, aber sie werden nicht besser. Doch das Publikum applaudiert artig. Wieder und wieder. Ich hänge entkräftet auf meinem Sitz. Hört denn niemand außer mir diese akustische Vergewaltigung, dieses Verbrechen an der Menschheit?
Vier Mittelstufenschüler spielen ein Beethovenquartett. Zwei Geigen, Bratsche, Cello. Ich kenne das Stück nicht. Ich bin allerdings auch kein Musiker. Dennoch: Ich bin sicher, Beethoven könnte man nach dieser Performance als Tunnelfräse einsetzen, so muss er in seinem Grab rotieren. Das Publikum klatscht, und irgendjemand jubelt sogar „Bravo!“ Es ist bestimmt die Mutter eines der akustischen Verbrecher. Genetisch dazu verpflichtete Claqueure.
Nun kommt meine Tochter. Meine Mutter neben mir versetzt mir einen Rippenstoß, und sie lächelt mich an. Sie freut sich, dass ihre Enkelin spielt. Ich nicht. Wenigstens konnte ich verhindern, dass meine beiden Jungs auch auftreten. Meine Tochter schreitet zum Klavier. Das Kleid sitzt, die Haare sind perfekt zurecht gemacht. Mir war noch gar nicht bewusst, dass sie so erwachsen aussieht. Moment, ist sie nicht erst elf? Sie ist eine kleine Frau. Unwillkürlich denke ich an Harry Potter vorhin in seinem Anzug, wie lächerlich ich das fand. Sitzt da jetzt irgendjemand im Publikum, der ebenso über meine Tochter denkt? Doch das verbietet sich doch einfach von selbst. Schaut sie an. Sie ist so hübsch, so adrett. Ich muss mehr auf sie achten. Bestimmt kommt bald der erste Freund…
In meinen Gedanken verpasse ich den Anfang ihres Stückes. Es klingt gar nicht schlecht, finde ich. Mein Herz springt vor Stolz. Das Kind sitzt am Klavier und spielt. Es ist wunderbar! Ich schwitze, nun vor Freude! „Bravo“ rufe ich, als sie geendet hat und sich zum Publikum verneigt. „Bravo!“ Auch die anderen Zuschauer klatschen, jedoch habe ich nicht den Eindruck, dass es stärker ist als bei den Möchtegern-Performances zuvor. Sind die denn taub? Können die den Unterschied nicht hören? Vermutlich nicht. Entweder sind das alles Ignoranten, oder die Möchtegern-Künstler zuvor haben sich des Verbrechens der Trommelfell-Vernichtung schuldig gemacht, und alle klatschen nur, wenn sich jemand verneigt. Mir ist es egal. Ich bin stolz!
Es folgt eine Blockflöte. Ein infernalisches Quietschen. Nie hätte ich gedacht, dass einer Blockflöte derartige Geräusche zu entlocken sind. Warum nimmt niemand dem Kind das Instrument weg und opfert es auf dem Altar der geschundenen Muse Euterpe? Ich lache in mich hinein. Wen sollte man opfern? Das Instrument oder das Kind? Oder verdient Euterpe überhaupt ein Opfer? Schließlich ist sie für den Flötenkrach verantwortlich! Meine hochintellektuellen Gedankenspielchen helfen mir über diesen kakophonischen Beitrag hinweg.
Nun betreten drei Mädchen die Bühne. Ich schätze fünfte oder sechste Klasse. Herausgeputzt wie… wie… Ja, wie eigentlich? Mein älterer Sohn, zwei Plätze weiter, lächelt begeistert: „Die sehen aus wie…“
Ich erfahre nie, wie die drei aussehen, denn seine weiteren Worte gehen im tosenden Jubel der Zuschauer unter. Scheinbar imitieren die drei irgendeine Popgruppe. Musik vom Band setzt ein. Viel zu laut. Ich spüre die durch die Lautsprecher verursachten Luftbewegungen am ganzen Körper. Ich gewinne den Eindruck, dass mein Schweiß nun von mir fortgeblasen wird. Die Mädchen auf der Bühne strahlen wie Honigkuchenpferde und piepsen irgendetwas in ihre Mikrophone. Das Publikum, die Mitschüler, aber auch die unzähligen Mütter, sie johlen und trampeln. Väter bemühen sich, Fassung zu wahren. Ich staune und schwitze. Hey, ihr Mütter, kennt ihr das Stück wirklich? Ich habe keine Ahnung, was das für ein Lied ist oder wer es singt. Und egal wer es singt: So wie die drei da vorne geht das bestimmt nicht. Einfach nur dauergrinsen, ins Mikro piepsen und sich mit zehn oder elf zurecht machen wie eine Achtzehnjährige reicht nicht.
Die Menge um mich herum straft meine Gedanken Lügen. Die Mütter flippen völlig aus. Hey, meint ihr das wirklich ernst? Oder müsst ihr euren Kindern nur beweisen, wie cool ihr noch drauf seid? Gebt es doch zu: Ihr wisst doch auch nicht, wen oder was die Drei da vorne verunstalten.
Mein jüngerer Sohn bekommt seinen Mund nicht mehr zu. Verzückt starrt er auf die Piepsmäuschen auf der Bühne. Sehe ich da Herzchen in seinen Augen? Ich glaube es nicht! Mein Sohn ist verliebt! In einen Möchtegern-Popstar! Wage es ja nicht, mir eine von den Dreien da anzuschleppen. Noch habe ich das Sagen zu Hause. Und die sind eh zu alt für dich!
Das Konzert dauert ewig. Die Luft wird nicht besser, die Künstler auch nicht. Es ist entsetzlich bis zum Schluss. Es gab nur ein einziges Highlight: Meine Tochter!
Nun warte ich am Ausgang der Aula. Ich bin erlöst. Es ist vorbei! Ich habe überlebt. Meine Ohren… ich weiß nicht, ob sie durchkommen werden. Der Saal leert sich allmählich. Der Schweiß beginnt abzutrocknen. Ich freue mich, meiner Tochter zu sagen, wie wundervoll sie gespielt hat. Da kommt sie auch schon, in ihrem Kleid…
Eine Frau schräg hinter mir sagt zu ihrem Begleiter: „Da ist dieses Mädel in Kitsch-Gelb.“
Ich merke auf. Gelb? Meine Tochter trägt gelb. Wo ist das Mädel, von der sie spricht? Ich sehe keines.
„Haha“, macht der Begleiter, „wenn ich der Vater von der wäre, würde ich ihr versehentlich die Finger unter dem Klavierdeckel festklemmen.“
Ich halte die Luft an. Von wem sprechen die?
„Das wäre das Beste“, sagt nun die Frau. „Das war unglaublich schlecht. Bei den anderen Kindern hat man ja wenigstens den Spaß an der Musik gehört, auch wenn es alles noch sehr schräg war. Na ja, es ist ja nur selten ein Meister vom Himmel gefallen, und die müssen ja erst mal alle üben. Nur bei der da…“
„Bei der ist Hopfen und Malz verloren. Entweder ist sie vollkommen unmusikalisch, oder sie hat nicht geübt. Vermutlich beides. Und mit einem grottenhässlichen Kleid in Ekelgelb kann man das Manko auch nicht kompensieren.“
Meine Tochter ist das einzige Kind in Gelb, das ich sehe.
Eine andere Frau hinter mir zischt den beiden Lästermäulern zu: „Psst, der Vater und die Großmutter stehen vor ihnen.“
„Von dieser entsetzlichen Klavierspielerin?“ Die erste Frau bricht ab.
„Oh“, macht der Mann.
Schweigen.
Und ich beginne, erneut zu schwitzen.