Der alte Löwe

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Einsam zieht der Löwe
Weiß geworden
an der blonden Mythe
die ihn jagt

Trüb das Gemüt
geschlurft der Gang
die Ringe um die Augen
fad

Und seine Mähne
bleicht schon in den letzten
Tag;

-,vexiert ihn eine ungeheure Ferne
Gräsermeere
Nächte

ohne Sterne

Und eine namenlose Leere
die ihn zum springen zwingt
über das ärmste Hälmchen

Er wäre gerne
was er nicht mehr ist,
-vielleicht nie war

Und der gebleckte Greisenbiß
kommt ihm beim Bramarbasieren viel zu nah -
doch flieht wie eine Wildhundschar
schon jetzt der Jägrin Augenpaar
die noch geduldig
wartet


 
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fee_reloaded

Mitglied
Lieber Dio!

Das hier glänzt nur so von Mythos und Steppenmagie! Klanglich und von den Bildern her wieder ganz groß!
Nur bei der letzten Strophe stehe ich deutungsmäßig irgendwie an und bräuchte vermutlich deine Hilfe, um sie mir zu entschlüsseln.
Und heißt es nicht richtigerweise "bramarbasieren"?

Und der gebleckte Greisenbiß
kommt ihm beim Brambasieren viel zu nah -
doch flieht wie eine Wildhundschar
schon jetzt der Jägrin Augenpaar
die noch geduldig
wartet
Das "schon jetzt" widerspricht gefühlt dem "noch". Wie geht das zeitlich zusammen? Die Jägerin wartet noch geduldig. Es ist offensichtlich noch nicht Zeit. Wie also kann ihr Augenpaar "schon jetzt" fliehen. Müsste es nicht eher "jetzt noch" heißen?

Dann könnte diese Strophe beispielsweise so lauten:

Und der gebleckte Greisenbiss
- beim Bramarbasieren viel zu nah.
Doch noch flieht wie die Wildhundschar
der Jägerin geduldig wartend'
Augenpaar


Aber ev. liege ich interpretatorisch auch völlig falsch. Ich bin auch noch nicht ganz sicher, wie genau der Löwe an der Mythe zieht, die ihn jagt.

Insgesamt aber - wie immer - gerne gelesen und mich einweben lassen in eine wunderbar stimmungsvolle Nachtsteppenstimmung voller lauernder Magie und Mythen.

LG,
fee
 
Hi @fee_reloaded

natürlich hast Du recht und es heißt "bramabarsieren". Habe es direkt korrigiert.

Nun das "schon jetzt" bezieht sich auf das Bild des Greisenbisses, der die Augen der blonden Mythe flieht, obwohl diese ihn ja noch nicht erlegt, ihm NOCH nicht zu Leibe rückt, aber schon ihre Augen auf ihn geworfen hat.

Ein paar Bilder zur letzten Strophe, die ich so beim Nachwirken hatte:

Darin liegt vielleicht letztlich etwas, was ich nicht besser beschreiben kann, als jene Art von paranoiden Kontrollzwanges eines einsamen (vereinsamten) Reviergängers, der seine besten Jahre längst hinter sich hat und nur noch ob des Raubtierinstinktes erahnt, dass das Schließen des Mythenkreises für ihn selber nichts Gutes verheißen wird, jene Krankheit von gealterten Gigolos und Blendern, deren alte Marktschreiertricks längst an der Klugheit der Welt und ihrer Kinder zerbrochen sind, und die dennoch von sich glauben, sie selber seien doch "der und der". Sie geben sich gerne als besonders mondän und liberal, sind aber im Grunde sehr engstirnige, kontrollwütige, bemitleidenswerte Kreaturen der Dunkelheit geworden.

Das Ziehen des Löwen bezieht sich auf das Durchstreunen seines leeren Reviers, nicht auf die Mythe. Er zieht nicht die Mythe, sondern durchzieht sein Revier. Das kann man in der Tat leider leicht missverstehen.

Danke, dass Du das Stückchen besprochen hast

mes compliments

Dio
 

fee_reloaded

Mitglied
Besten Dank für die ausführliche und geduldige Aufklärung, lieber Dio!

Dann lag ich in meiner Deutung ja weitestgehend richtig.
Das Bild des greisen Löwen und der blonden Mythe und die Dynamik zwischen beiden hast du ja sehr stimmig und eindrücklich gezeichnet. Selten ein so spannendes Gedicht gelesen!

Dass der Greisenbiss das Augenpaar flieht...jetzt ist auch das klar. Ich hatte das falsch - nämlich andersbezüglich gelesen, und zwar so, dass das Augenpaar das Subjekt ist, welches flieht. Und das ergab natürlich keinen Sinn. *augenroll

Ich wünsch dir einen angenehmen Abend!

fee
 



 
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