Der Bauherr

Der Bauherr

Frühstückspause am Bau. Erich Löffler, der Polier, und die Maurergesellen Wagner, Fuchs und Steiner diskutieren noch immer private Neuigkeiten vom Wochenende.
Löffler sieht auf die Uhr. „Komisch, wo bleibt eigentlich der Herr Fabrikbesitzer? 10 Uhr, das ist doch sonst seine Zeit?“
„Du vermisst wohl schon seine Mäkeleien?“, meint Wagner.
„Und überhaupt, was heißt hier Fabrikbesitzer! Seinen Alten beerbt hat er, ins gemachte Nest hat er sich gesetzt, der…der…“ Fuchs beißt sich auf die Zunge. „Na ja, in spätestens zwei Monaten haben wir ihn überstanden“.
„Bis dahin kann ihm noch eine Menge einfallen“, seufzt Steiner, vielleicht will er zur Abwechslung noch eine Zwischenmauer eingezogen haben“.
„Meine Tochter geht übrigens mit seiner in eine Klasse. Die zieht auch über ihren Erzeuger her“, stellt Wagner fest. Steiner macht eine wegwerfende Handbewegung. „Kein Wunder, wer die Mitarbeiter der eigenen Firma schikaniert, drangsaliert auch die Familie“.

Eine Autotür schlägt zu. Das wird er sein, der Eigner der zukünftigen Villa.
Um die Ecke schießt eine drahtige Gestalt, ein braungebrannter Yuppie, der dem neuesten Herrenmode-Journal entstiegen sein könnte. Seine Augen funkeln zornig
„Immer noch Frühstückspause bei euch? 10 Uhr ist lange vorbei!“

Löffler lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. „Herr Doktor Schneidewind, um halb zehn ist ein LKW vorgefahren, den wir erst entladen mussten.
Schneidewind überhört den Einwand. „Wo steckt eigentlich der Hartmann?“
„Der hat sich krank gemeldet“.
„Krank, krank …, Herr Löffler, wenn sie Ihre Leute nicht im Griff haben, muss ich mir etwas anderes einfallen lassen. Übrigens, die Wohnzimmertür muss versetzt werden. Näheres hören Sie nachher vom Architekten“.

Jawoll ja, der Herr Manager kann sich dauernd was Neues einfallen lassen, und der Architekt kriecht und sagt zu allem Ja und Amen. Löffler und seine Leute sind sauer.
Schneidewind verschwindet im Keller, wo er Schlampereien der Maurer vermutet.


Samstagvormittag. Löffler ist auf dem Nachhauseweg. Er hat sich beim Bauern mit neuen Kartoffeln eingedeckt. Das Autoradio dudelt vor sich hin. Auf einmal bemerkt er einen heftig gestikulierenden Mann – Schneidewind, vergeblich bemüht, eine Reifenpanne zu beheben. Fast hätte der innere Schweinehund gesiegt, am liebsten hätte Löffler Gas gegeben. Zu sehr hatte er sich die Woche über aufregen müssen über völlig unberechtigte Beanstandungen des feinen Herrn.
Löffler gibt sich einen Stoß und hält an. Hat sich Schneidewind schon wieder einen neuen Schlitten geleistet? Die Betriebsanleitung hat er offensichtlich noch nicht studiert.
„Herr Löffler, Sie schickt der Himmel!“.
Das ist aber auch alles. Als Löffler zur Tat schreitet und sich mit Erfolg dem Reifenwechsel widmet, stellt sich Schneidewind lässig daneben und verzieht keine Miene. Zu einem Dankeschön reicht es nicht.


Wieder Montag. Frühstückspause. Löffler berichtet. Schneidewind, diesem Widerling, müsste man wirklich einen Denkzettel verpassen. Der wieder genesene Hartmann hat einen Vorschlag. „Wie wäre es mit einem Abschiedsgeschenk? Wir könnten ihm doch den gesamten Bauschutt hinterlassen“.
Löffler winkt ab. „Leider kein brauchbarer Einfall, das ist gesetzwidrig“.
Da hat Fuchs eine Idee: Unkrautsamen – am besten von Disteln, Quecke, Goldrute und anderen robusten Kräutern, und Sporen von Schachtelhalmen nicht zu vergessen.
„Wagner, dein Bruder ist doch beim landwirtschaftlichen Forschungsinstitut angestellt,
könnte der nicht eine hübsche Mischung zusammenstellen?“
Alle feixen. Zwar hätten sie auch hier das Gesetz gegen sich, aber das sollte man ihnen erst mal nachweisen.


Mittwoch früh. Steiner schwenkt das Lokalblättchen. „Erich, Du hast doch am Samstag Pannenhilfe geleistet?“
„Und?“
„Das war für die Katz. Unser Antreiber hat im Suff eine Hauswand gerammt. Wirtschaftlicher Totalschaden. Ihm selbst ist wohl nicht viel passiert“.
Das Unfallfoto wird herumgereicht.
Erich wird nachdenklich. „Der hat seine Strafe weg, vielleicht wird er nun zahmer“.
„Löffler, das glaubst auch nur du“, spottet Hartmann.

„Jedenfalls werde ich euch zu gegebener Zeit an meinen Vorschlag erinnern“. Fuchs sieht im Geist schon die Disteln sprießen und den Schachtelhalm wuchern.
 



 
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