Gernot Jennerwein
Mitglied
Der Junge und die Elster
(für Kinder ab ca. sechs)
Früher einmal, es ist noch nicht lange her, da lebte ein Junge auf dem Land, dem der Vater im Mai das Schuhwerk nahm und es ihm erst in den Tagen wieder zurückgab, in denen sich die Windräder der Mühlen Tag und Nacht drehten, und schwer beladene Karren über abgeerntete Felder fuhren. Der Vater meinte, gesünder wär`s, und der Junge hatte es gerne, barfuß zu gehen. Er ging barfuß auf den Pflastersteinen der Straße, auf den Äckern und Wiesen, und er ging barfuß zur Schule.
Der Junge liebte es, draußen in der Natur zu sein und verbrachte die freie Zeit häufig in den Wäldern und an den Bächen, wo er die Forelle mit den bloßen Händen fing. Er kannte die Stimmen der Tiere, konnte ihre Spuren deuten und wusste, wo sie zu finden waren, wenn er ihnen nahe sein wollte, denn sein Herz schlug für die Welt da draußen.
Von einem seiner Streifzüge brachte er eine junge Elster mit, die von hoch oben aus einem Nest gefallen war. Von Hand zog er sie auf und sie wurden bald zu unzertrennlichen Freunden. Man traf sie selten alleine an die Zwei, und wenn der Junge zur Schule ging, dann saß der Vogel draußen auf einem Baum und schimpfte auf Gott und die Welt, dass die Leute nur so schauten.
Waren sie beisammen, dann saß die Elster auf der Schulter des Jungen und spielte mit seinen Haaren, oder sie schnatterte in allen Tonlagen, als wollte sie ihm eine Geschichte erzählen. Der Junge konnte die Sprache der Elster nicht verstehen, aber es musste sich um Geschichten handeln, dachte er, denn sie waren an Lebhaftigkeit nicht zu überbieten. Manchmal leise und dann wieder laut, oft ungestüm und man merkte, dass der Elster das zu Erzählende sehr wichtig war, nur innehaltend, um schnell einen Vogelruf in der Ferne nachzuahmen, bevor es in gleicher Manier weiterging.
Im Haus gegenüber des Jungen wohnte Griesgram. Die Kinder nannten ihn heimlich so, wenn sie von ihm sprachen. Er war ein alter, launischer Mann, der sich und die Welt nicht mochte. Er war nicht gut auf den Jungen und seine Elster zu sprechen, hatte diese ihm doch erst vor Kurzem die Fensterbank mit Vogelkot eingedeckt. Er hatte sie dabei erwischt und ihr einen seiner hölzernen Pantoffeln nachgeworfen, worauf die Elster vom Schuh gestreift, fürchterlich erschrak und schnell nach Hause flog.
Griesgram freute sich über den Treffer aber er hatte nicht gewusst, dass Elstern unglaublich kluge Vögel sind und die vergessen nie und nimmer was. So kam es, das Griesgram an einem Sonntagmorgen bei geöffnetem Fenster in seinem Bett schlief. Die Elster nahm die Gelegenheit wahr und landete kurzerhand auf dem Holzrahmen des Bettes. Die Zehen von Griesgram lugten unterhalb der Decke wie krumme Hölzchen hervor und wurden blitzschnell wund gepickt. Der Mann schrie vor Schmerz und die Elster flog davon.
Am späten Nachmittag saß der Junge in kurzen Hosen auf einer Mauer und lies seine Beine nach Herzenslust baumeln. Die Elster kam angeflogen und landete ein kleines Stückchen neben ihm. Sie hatte eine wilde Erdbeere im Schnabel und hüpfte näher an den Jungen heran. Sie steckte das Erdbeerchen in die Hosentasche des Jungen und dieser wusste, sie hatte wieder einmal etwas angestellt. Denn die Elster kannte die Vorliebe des Jungen für Erdbeeren, und jedes Mal, wenn sie ein schlechtes Gewissen aus vollbrachten Taten plagte, schenkte sie ihm eine Beere. Der Junge lächelte, aß die Erdbeere und war froh, dass er die darauf folgende Geschichte der Elster nicht verstand.
(für Kinder ab ca. sechs)
Früher einmal, es ist noch nicht lange her, da lebte ein Junge auf dem Land, dem der Vater im Mai das Schuhwerk nahm und es ihm erst in den Tagen wieder zurückgab, in denen sich die Windräder der Mühlen Tag und Nacht drehten, und schwer beladene Karren über abgeerntete Felder fuhren. Der Vater meinte, gesünder wär`s, und der Junge hatte es gerne, barfuß zu gehen. Er ging barfuß auf den Pflastersteinen der Straße, auf den Äckern und Wiesen, und er ging barfuß zur Schule.
Der Junge liebte es, draußen in der Natur zu sein und verbrachte die freie Zeit häufig in den Wäldern und an den Bächen, wo er die Forelle mit den bloßen Händen fing. Er kannte die Stimmen der Tiere, konnte ihre Spuren deuten und wusste, wo sie zu finden waren, wenn er ihnen nahe sein wollte, denn sein Herz schlug für die Welt da draußen.
Von einem seiner Streifzüge brachte er eine junge Elster mit, die von hoch oben aus einem Nest gefallen war. Von Hand zog er sie auf und sie wurden bald zu unzertrennlichen Freunden. Man traf sie selten alleine an die Zwei, und wenn der Junge zur Schule ging, dann saß der Vogel draußen auf einem Baum und schimpfte auf Gott und die Welt, dass die Leute nur so schauten.
Waren sie beisammen, dann saß die Elster auf der Schulter des Jungen und spielte mit seinen Haaren, oder sie schnatterte in allen Tonlagen, als wollte sie ihm eine Geschichte erzählen. Der Junge konnte die Sprache der Elster nicht verstehen, aber es musste sich um Geschichten handeln, dachte er, denn sie waren an Lebhaftigkeit nicht zu überbieten. Manchmal leise und dann wieder laut, oft ungestüm und man merkte, dass der Elster das zu Erzählende sehr wichtig war, nur innehaltend, um schnell einen Vogelruf in der Ferne nachzuahmen, bevor es in gleicher Manier weiterging.
Im Haus gegenüber des Jungen wohnte Griesgram. Die Kinder nannten ihn heimlich so, wenn sie von ihm sprachen. Er war ein alter, launischer Mann, der sich und die Welt nicht mochte. Er war nicht gut auf den Jungen und seine Elster zu sprechen, hatte diese ihm doch erst vor Kurzem die Fensterbank mit Vogelkot eingedeckt. Er hatte sie dabei erwischt und ihr einen seiner hölzernen Pantoffeln nachgeworfen, worauf die Elster vom Schuh gestreift, fürchterlich erschrak und schnell nach Hause flog.
Griesgram freute sich über den Treffer aber er hatte nicht gewusst, dass Elstern unglaublich kluge Vögel sind und die vergessen nie und nimmer was. So kam es, das Griesgram an einem Sonntagmorgen bei geöffnetem Fenster in seinem Bett schlief. Die Elster nahm die Gelegenheit wahr und landete kurzerhand auf dem Holzrahmen des Bettes. Die Zehen von Griesgram lugten unterhalb der Decke wie krumme Hölzchen hervor und wurden blitzschnell wund gepickt. Der Mann schrie vor Schmerz und die Elster flog davon.
Am späten Nachmittag saß der Junge in kurzen Hosen auf einer Mauer und lies seine Beine nach Herzenslust baumeln. Die Elster kam angeflogen und landete ein kleines Stückchen neben ihm. Sie hatte eine wilde Erdbeere im Schnabel und hüpfte näher an den Jungen heran. Sie steckte das Erdbeerchen in die Hosentasche des Jungen und dieser wusste, sie hatte wieder einmal etwas angestellt. Denn die Elster kannte die Vorliebe des Jungen für Erdbeeren, und jedes Mal, wenn sie ein schlechtes Gewissen aus vollbrachten Taten plagte, schenkte sie ihm eine Beere. Der Junge lächelte, aß die Erdbeere und war froh, dass er die darauf folgende Geschichte der Elster nicht verstand.