Lieber Walther,
nachdem Du mich wissen ließest, dass meine Kommentare zu Deinen Gedichten dazu angetan sind, Dein Amüsement noch zu steigern, fühle ich mich nun geradezu ermutigt, Dein Vergnügen weiter voranzutreiben und Dein vorliegender Text scheint mir dazu bestens geeignet. Allerdings fände ich es sehr schade, wenn auch dieser Kommentar wie sein Vorgänger anschließend spur- und kommentarlos aus dem Forum entwendet würde, weil vermutlich ein amüsierscheuer Foren-Redakteur soviel Freude nicht zu ertragen vermochte.
Um den Spaß in redaktionell erträglichen Forengrenzen zu halten, werde ich mich daher hüten, in meine Analyse Überlegungen zur Person des Autors oder den persönlichen Anlass des Gedichtes einfließen zu lassen, wie auch die Art des Vortrages (öffentlich/privat) für meine Betrachtung unerheblich sein wird. Ich werde mich nur mit der schriftlichen Fassung begnügen, die hier vorliegt.
Das Reimschema erinnert an ein Sonett. Und der "rollende Amphibrachys" wurde bereits erwähnt. Doch "rollt" der hier tatsächlich? Mein Eindruck ist dies nicht, wenn sinnfreie Worte betont werden, wie "
habe" (V1), oder wenn stattdessen ein Daktylus verwendet wird: "
den silbernen Löffel". Dann entsteht eher ein tänzelnder, kokettierender Eindruck, zwar nicht unpassend zum Inhalt, der jedoch leider immer wieder empfindlich gestört wird: V8, V10,V13. Sonettklang und Amphibrachys-Rhythmus werden so leider verschenkt, es entsteht vielmehr ein gequälter Eindruck: Man fragt sich unwillkürlich, wozu der Autor sich in das Reimschema abba-abba gezwungen hat, wenn er es doch nicht zu nutzen versteht.
Und er quält sich in die Reime. Mir ist zumindest keine Redensart bekannt, nach der '
ein silberner Löffel im Gesicht getragen' wird. Auch der '
besessene Standpunkt' klingt in meinen Ohren zumindest arg geschuldet. Das setzt sich auch in S2 fort: '
vergessen, wo Menschen einst herkamen' könnte zwar auf Afrika anspielen, passt aber irgendwie schlecht zum Thema. Ähnliches ließe sich auch noch zu den folgenden Strophen anmerken.
Doch geht es im Kern um etwas ganz Anderes. Hier spricht ein LyrIch, das im Brustton der Selbstgewissheit Wahrheiten über sich preisgibt, die nicht gerade schmeichelhaft sind. Schnell erkennt der Leser, dass es sich dabei um Eigenschaften handelt, die gemeinhin im Streit einem Gegner vorgeworfen werden: selbsteingenommen, borniert, rechthaberisch, arrogant, unhöflich, rücksichtslos, uneinsichtig, egoman. Diese unrühmlichen Eigenheiten werden hier zwar wie Eigenlob aufgezählt, doch beweist jener, der sich solcher Sachen auch noch rühmt, nur seinen skrupellosen Charakter.
Allerdings weckt die bloße Aufzählung charakterlicher "Gemein"-Plätze keine Betroffenheit. Wer sollte sich bei solch einem Pappkameraden denn selbst ertappt fühlen? Keiner sieht sich selbst so, aber jeder wird ihm bestimmt schon einmal begegnet sein. Man verspürt zwar den Ärger, den Hass auf einen Gegner, der sich hier als LyrIch äußert, doch zur tieferen Einsicht fehlen die treffende Feder, der selbstironische Humor und die leichtfüssige Formulierung. Aber immerhin: Man verspürt etwas von der Qual des Autors.
So bleibt als Nachgeschmack, dass der Autor sich selbst eines Kotzbrockens entledigt hat, der ihm im angeschwollenen Halse stecken geblieben war und den er uns nun hier in Gedichtform vorgelegt hat: Unappetitlich, lyrisch nur leicht angedaut, ungenießbar. Sollte er vielleicht beim nächsten Mal lieber zur Spucktüte greifen? Ich würde es mir wünschen.
Gern kommentiert.
JB