Der letzte Dichter schließt die Augen

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KaGeb

Gast
Hallo Ralf,

kein Thema. Wegen Deines Textes brauchst Du nun wirklich nicht verzweifelt sein. Der ist völlig ok. Mir hat er gut gefallen.
Auch meine Beiträge finden nicht immer Bewunderer :D , obwohl da Herzblut dran hängt. Ist halt die unterschiedliche Leseperspektive^^

LG und schönes Wochenende,

KaGeb
 

Ralf Langer

Mitglied
Der letzte Dichter schließt die Augen


Es ist Nacht, mittelmeerische Gefilde:
Der Klang der Brandung bahnt sich seinen Weg durch den kleinen Pappelhain, die Klippen hinauf, vorbei an wilden Orchideen, und weiter hoch bis an den Rand der Veranda.
Dort sitzt der alte Mann, mit ernstem Blick ins sternenklare Dunkel.
Sein Rollstuhl quietscht ein wenig, als die Krankenschwester die Bremsen drückt und ihn an seinem Lieblingsplatz abstellt.
„ Das ist der letzte Dichter“, flüstert hinter ihm ein feister Medienvertreter und nickt gewichtig in die Runde der zukünftigen Autoren.
„Der hat schon lang nicht mehr geredet. Man erzählt, er spricht nur noch mit den Pappeln!“
„ Ein großer Geist!“
„Wie alt?“
„ Gleich hundert vier!“
„Schon hundert vier?“
„ Ruhe bitte! So geht das nicht. Wenn der nun plötzlich spricht!“
Der Medienmann räuspert sich, und bittet um Entschuldigung.

Ein Nachtkauz ruft und Wind stößt durch die Pappeln!
Es blitzt hell im Hirn des letzten Dichters:
Dieser Gedanke wird zum Wort. Und Wort für Wort zur Zeile.
Fast fertig ist schon das Gedicht. Er seufzt. Die Krankenschwester reicht ihm ein Glas Wasser.
Er trinkt`s gemächlich und schaut lange in die Runde.
„ Dies hier behalte ich wohl für mich.“
Dann schließt er seine Augen.
 



 
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