Der letzte Gang

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FrankK

Mitglied
Hallo, Thomas

Steky hat recht.
Die "Rücksitzbank" wirkt echt gekünstelt. Der "Kombi" als Familienauto, (Mama, Papa, Töchter, Hund) kommt harmonischer in das Bild, entsprechend der Laderaum.
Ich kann mir sehr(!) gut vorstellen, dass dieser der gewohnte Platz für das Tier war.

Hinzu kommt, für mein empfinden, folgende verschlimmbesserte Passage:
Meine Gefühle sperre ich weg, in ein Kästchen.
Tief verborgen in meiner Brust.
ursprünglich war es ein Satz. Er hatte Fluss, Emotion, Symbolik.
Eben diese Symbolik ist jetzt (Mein Empfinden!) unterbrochen.
Ich finde, Kästchen und Brust gehören unbedingt zusammen. Wie Karn und Zeder würde ich eine andere Stelle für den Umbruch empfehlen:
Meine Gefühle sperre ich weg.
In ein Kästchen, tief verborgen in meiner Brust.

Es liegt eine "Atempause" (sie verleiht dieser Passage zusätzliches Gewicht) zwischen der Handlung (wegsperren) und dem Ort (Kästchen und Brust), wobei zusätzlich der zusammengehörige Ort dann auch wieder zusammnenliegen würde.

Ebenfalls verschlimmbessert (für mein Empfinden):
Zehn Minuten Fahrt. Ich weiß nicht, ob es lange oder kurze Minuten werden.
Durch die Aussagereduzierung auf die Fahrt und die Zeitempfindung wird die Situation auf den rein sächlichen Aspekt reduziert. Diese ursprünglichen kleinen Wörtchen "stehen uns noch bevor" erzeugen eine gewisse Dramatik (es steht etwas bevor) und eine Emotion, die Zusammengehörigkeit.
Vor allem ist es dieses "uns", was ich hier vermisse.
Nunja, immerhin, dieses "noch" könnte wegfallen. Es füllt den Text und dehnt den Zeitablauf. Letzteres ist nicht nötig.

Wäre nur noch Karns zweiter Vorschlag:
Behutsam trage ich sie die Treppe runter und bette sie ...
Er hat recht, um sie die Treppe runtertragen zu können, muss er sie irgendwo auf die Arme genommen haben. Dieses "Behutsam" wirkt als Einstieg ausgesprochen stark, der Leser wird sofort darauf eingestimmt, dass hier ein emotionaler Hammer auf ihn wartet.

Die Überschrift über dem Text wegzulassen ist eine Frage des Stils. Ich persönlich finde, die Überschrift (der Titel) gehört zum Text.
(Ich weiß auch gerade nicht, in welcher Form einer behindertengerechten Darstellung - Vorlese-Automat / Breil-System - die Systemüberschrift mit einbezogen wird.)


Uff, schon wieder.
Vier mal so viel Anmerkung wie eigentlicher Text.
Schaun wir mal, was die anderen davon halten. ;)


Ach ja, fast vergessen - echt starkes Stück! Eine Pein für jeden Hundehalter.

Abendliche Grüße aus Westfalen
Frank
 
S

steky

Gast
"Laderaum" fände ich super, @Thomas - aber es ist dein Text!

Was das "Kästchen" betrifft, das Frank eben erwähnte:

Es ist der sprachliche Höhepunkt der Geschichte; verleiht ihr so viel Charakter, passt so gut - es wäre ein Verbrechen, es zu streichen!

Ebenso bin ich froh darüber, dass du hinter

Zehn Minuten Fahrt
kein Ausrufezeichen gesetzt hast. Das passte nämlich überhaupt nicht zum zerknirschten Charakter des Erzählers. Er ist ein ruhiger, etwas deprimierter Typ - und er ist bemitleidenswert. Was die Sprache nicht alles kann!

Wie ich schon sagte: Dein Text wird keine großen Veränderungen durchmachen, weil er untastbar ist.

Deswegen kommt man dir jetzt auch mit Überschriften und weiterem Kleinkram, der eigentlich nichts zur Sache tut.

Aber ich bin mir sicher, man meint es nur gut!

LG
Steky
 
K

Karn Hardt

Gast
Hallo Thomas,

ich noch mal :)

Grundsätzlich haben meine Vorposter Frank und steky recht. Literatur ist nun mal ein subjektives Erlebnis, der eine findet´s geil, der andere grottig. Seinen eigenen Stil finden ist die hohe Kunst.
Vorschläge von Anderen (wie z.B. von mir) und deren Übernahme sind eine schmale Gratwanderung, man kann sehr leicht stürzen, weil man eben den "Einen" glücklicher weiß, aber womöglich Andere (viele) plötzlich mit Milchgesicht klotzen :-(

Lass dir von uns allen nicht zu viel reinreden, schreiben lernt man nur durch schreiben. Wenn Herzblut gelingt wie hier in deinem Plot, hast du alles richtig gemacht.
UND!
Pfeif auf die Wertungen. Alles subjektiv. Auf 1 bis 5 kannst du stolz sein, wenn auch ein paar Sieben und Achten dabei sind. Die Billigwerter sind nämlich die Neider :)

LG und - man liest sich
 
S

steky

Gast
Noch was:

Ich denke, der Text besitzt einen Desillusionierungsplot:

Blinde, hysterische Hoffnung vs. Ernüchterung.

Hättest du Geschichte umgekehrt geschrieben, wäre dir nur ein offenes Ende geblieben, da Hoffnung immer etwas Unfertiges, Unabgeschlossenes ist, das eine Antwort verlangt.

Ernüchterung ist ein Ergebnis, Hoffnung ein Zustand.
 

ThomasQu

Mitglied
Hallo Frank,
ehrlich gesagt, mir gefällt die Originalfassung immer noch sehr gut und die ist bald doppelt so lang, wie die Jetzige.
Trotzdem interessant, wenn es auch mal so da steht, wie sich das Karn und die anderen vorstellen.

Meine ursprüngliche Version:
Vorsichtig hebe ich sie auf, trage sie die Treppe hinunter und lege sie in den Laderaum meines Kombis.
All meine Gefühle sperre ich weg, in ein kleines Kästchen, das tief verborgen in meiner Brust schlummert.

Zehn Minuten Fahrt stehen uns noch bevor und ich weiß nicht, ob es lange oder kurze Minuten werden.
Ich funktioniere einfach.

Als ich sie hinein trage, schaut sie mich an, aber ich kann dem Blick nicht standhalten.
Er tut, was er tun muss.
Ich kraule ihr das Fell und ein letztes Mal treffen sich unsere Blicke.

Als ich wieder im Auto sitze, platzt das Kästchen.
 

ThomasQu

Mitglied
Der letzte Gang

Behutsam trage ich sie die Treppe hinunter und bette sie in den Laderaum meines Kombis.
Meine Gefühle sperre ich weg, in ein Kästchen, tief verborgen in meiner Brust.

Zehn Minuten Fahrt stehen uns bevor und ich weiß nicht, ob es lange oder kurze Minuten werden.
Sie schaut mich an, als ich sie hineintrage, ich kann ihrem Blick nicht standhalten.

Der Arzt tut, was er tun muss. Ich bin ihr ganz nahe, streichle über das Fell, kraule ihr die Ohren.
Dann schläft sie ein.

Als ich wieder im Auto sitze, explodiert das Kästchen.
 



 
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