Der letzte Tanz (Fantasy)

Daijin

Mitglied
Das letzte Lied (Fantasy)

Das letzte Lied

Für Anne


Da waren sie nun. Umzingelt und ohne Ausweg waren sie schließlich am Ende ihrer langen Flucht, die sie über das Hochland von Styglad und in die Wälder Silvariens geführt hatte. Die letzte Hoffnung der freien Völker, ihre Prinzen, Botschafter und Würdenträger waren nun versammelt auf der mondbeschienenen Lichtung, umstellt von Argoths Häschern, die um ihr Lager schlichen. Dabei hatte alles so gut begonnen. Vor beinahe zwei Wochen hatten sie sich auf Burg Dunkeltrutz getroffen, überzeugt, daß sowohl der Ort als auch die Zeit ihrer Zusammenkunft ein ungelüftetes Geheimnis für den Feind war. Es sollte das Zeitalter der Einigkeit werden; die große Allianz, der Traum der letzten freien Staatsoberhäupter, sollte die Wende des Krieges und schließlich den Frieden bringen. In diesem Geiste und wegen der beunruhigenden Informationen von den Schlachten an der Front, herrschte ein Gefühl der Zusammengehörigkeit zwischen den so unterschiedlichen Rassen wie nie zuvor. Schnell wurden Kompromisse geschlossen, Opfer gebracht und uralte Feindseligkeiten überwunden, um den Weg für das Bündnis zu ebnen. Aber als Lord Argoths Kreaturen mordend und schlachtend über die Versammlung herfielen und innerhalb kürzester Zeit die Leibwachen und ausgewählten Veteranen niedermachten, da zerplatze der Traum, wie eine Seifenblase und die Versammelten ergaben sich wehrlos ihrem Schicksal. Und mit Sicherheit wären sie alle in jener Nacht gestorben, hätte nicht der edle Magierabgesandte aus dem fernen Dschinnenreich einen machtvollen Zauber gewoben und somit wenigstens die Botschafter gerettet. Seitdem waren sie auf der Flucht; gejagt von Bluthunden, Orks, Dunkelzwergen und anderen Geschöpfen der Finsternis. Ihre prunkvollen Kleider zerrissen und verdreckt mit dem Ausdruck der Hoffnungslosigkeit auf ihren Gesichtern, saßen sie nun auf dieser Lichtung und erwarteten den Tod. Immer wieder hatten sie versucht ihren Häschern zu entkommen, hatten Finten geschlagen und alle Waldläufertricks angewandt, die dem Elfen bekannt waren. Es hatte die Jagd nur verlängert, entkommen konnten sie nicht.
Warum Finwariell, Prinz des Elfenvolkes und Herr des Waldes von Efrimis, den Tarnungszauber auf die Lichtung gesprochen hatte, wußte er selbst nicht mehr. Niemand hatte ihn darum gebeten und ihm war klar, daß er nur einige Stunden wirkte, sofern er nicht schon vorher von einem feindlichen Magiekundigen aufgehoben würde. Traurig blickte er zu seinen Gefährten. In kleinen Grüppchen saßen sie zusammen, schweigend, die alten Mauern waren wieder errichtet worden. In ihren Augen konnte er Trauer, Wut, Angst, Erschöpfung und Hoffnungslosigkeit erkennen. Jeglicher Stolz war aus ihren müden, ausgezehrten Gesichtern gewichen und selbst die Krieger waren mutlos und abwesend. Nur das Antlitz des jungen Kämpfers aus Noharu wirkte friedlich und entspannt. Sein Körper lag auf der Seite, ein wenig abseits auf der Lichtung. Das Gras unter ihm nahm langsam die Farbe seines Blutes an, das aus seinem Herzen quoll und wie ein kleiner roter Wasserfall über seine Brust lief und zu Boden tropfte. Als ihm ihre ausweglose Situation bewußt geworden war, hatte er sich schweigend von den anderen entfernt und ins Gras gekniet. Er hatte seine Kurzschwert gezogen, dem Mond entgegengereckt, so als wollte er es ihm als Opfer darbieten, sich verbeugt, die Klinge geküßt und sich dann mit einem Seufzer die Waffe ins Herz gestoßen. So hatte er sich das Leben genommen und gleichzeitig nach den alten Ritualen seines Volkes seine Ehre gerettet. Für Finwariell war dies keine Lösung. Sein Volk verehrte das Leben als höchstes Gut, weshalb ein Selbstmord bei ihnen einem Frevel gleichkam. „ Doch er hat es hinter sich. Wer weiß, was sie mit uns anstellen, wenn sie uns nur gefangen nehmen, anstatt uns zu töten “, fuhr es ihm durch den Kopf. Auf einmal mußte er an den heimatlichen Wald denken und an seine Familie, die er niemals wiedersehen würde. Traurig ließ er sich mit dem Rücken an einen Baumstamm gelehnt auf den Boden gleiten und zog ein längliches Instrument aus seinem Gürtel. Es war eine Flöte aus bestem Holz, kunstvoll mit Schnitzereien verziert. Seine Frau hatte sie ihm gefertigt aus dem Baum, aus dem später ihr Haus gewachsen war. Seine Finger suchten geschickt die kleinen Vertiefungen, die durch den häufigen Gebrauch schon ganz abgenutzt waren. Dann begann er leise zu spielen. Es war eine einfache Melodie ohne Schnörkel und nicht sehr schwer, aber dennoch schön. Und während er spielte, dachte er an zu Hause. Er dachte an das Sonnenlicht, daß sanft durch das dichte Blätterdach rieselte. An den würzigen Geruch nach Nadeln und feuchtem Laub, der allgegenwärtig war. An die Lichtungen, die tagsüber mit dem verführerischem Duft der Blumen und dem saftigen Grün des Grases allerlei Tiere anlockte und die nachts vom bleichen Mondlicht verzaubert, wirkten wie märchenhaften Feenorte aus einer anderen Welt. Eine solche Leidenschaft und solcher Schwermut ging von seinem Spiel aus, daß alle Gespräche auf der Lichtung erstarben. Die Angehörigen der verschiedensten Völker, sie alle waren still und lauschten. Dann plötzlich erhob sich Bartosch Sohn des Boramosch aus dem Volk der Zwerge, ging zu seinem Rucksack und holte eine kleine Trommel hervor. Liebevoll betrachtete er das Instrument in seinen Händen, das er sich vor vielen vielen Jahren selbst gefertigt hatte. Und als er zu dem Elfen hinüberschritt und sich zu ihm setzte, da war es als wären all die Jahre der Feindschaft und des Mißtrauens zwischen ihren beiden Völkern nur noch Erinnerungen an eine längst vergangene Zeit. Dann begann der Zwerg behutsam zu trommeln. Und sein Spiel kündete von Höhlen und Kavernen, von Grotten und unterirdischen Städten. Vom hellen Klingen der Spitzhacken, die sich eifrig und unaufhaltsam durch die Berge fraßen und vom Licht der Grubenlaternen, das sich schillernd in alle Farben des Regenbogens auf den Edelsteinen in den Kristallgärten brach. Denn Bartosch dachte an seine Heimat, an die Stadt unter den Bergen, die erfüllt war vom Leben der geschäftigen Zwerge. An die finsteren Tunnel und Stollen, in denen Tag und Nacht nach wertvollen Erzen geschürft wurde. Sowie an die hell erleuchteten Grotten, in denen die Kristallzüchter ihre Rubinrosen und anderen Edelsteinblumen pflegten. Und obwohl sein Spiel gänzlich unterschiedlich war vom lieblichen Flötenspiel des Elfen, war es doch als gehörte beides zusammen.
Der nächste, der sich zu ihnen gesellte, war Hjaldir. Der blonde Hühne aus dem Seefahrervolk des Nordens hatte seinen Dudelsack geschultert und stimmte nun seinerseits in das Lied mit ein. Voller Kraft war sein Spiel, kraftvoll wie sein Volk. Und es kündete von der Weite des Meeres, von den Wellen, die mit lautem Donnergrollen gegen die Felsen an der Küste brandeten, vom geschäftigem Arbeiten der Männer in den Schiffswerften, von Drachenbooten, die elegant über das Wasser glitten und auch vom traurigen Schrei der Möwen, der die Nordleute immer wieder zurück zum Meer trieb. Einer nach dem anderen stand jetzt auf. Fenia, eine Kriegerin der Hochländer ergriff ihre Laute und spielte ein Lied aus ihrer Heimat. Ein Lied über sanft geschwungene grüne Hügel auf denen das Gras sich im Wind wiegt, über Schafs- und Rinderherden, die auf den üppigen Weideflächen grasen und über die wilden und stolzen Pferde, die durch das Land zogen und die, einmal gezähmt, zu so vortrefflichen Schlachtrössern ausgebildet wurden. Denn auch davon handelte das Lied, vom Donnern der Hufe, wenn die gepanzerten Ritter in die Schlacht ziehen, von selbstlosen Heldentaten und von ruhmreichen Kämpfen und Kriegen längst vergangener Tage. Alle die ein Instrument dabei hatten, stimmten nun mit ein und die anderen setzten sich dazu, summten mit oder lauschten einfach der Melodie, unfähig sich dem Zauber der Musik zu entziehen. Und obwohl sich die unterschiedlichsten Instrumente und Melodien mischten, schwebte doch über allem eine unerklärliche Harmonie, die alles zu einem einzigen Lied, einem Lied über ihre langsam sterbende Welt, vereinte. Niemand außer Yassabad, dem Magier bemerkte das schwache magische Band, das sich zwischen ihnen bildete und langsam kräftiger wurde. Er allein vermochte die Geheimnisse der Magie zu entschlüsseln, denn er war ein Mann von großer Macht. In seiner Heimat, dem Djinnenreich nannte man ihn Meister und man begegnete ihm mit Ehrerbietung. Kurz dachte er an die Lavaseen seiner Residenz, die er mit seiner Magie aus dem Marmor der Berge geschmolzen hatte und an die elementaren Heiligtümer von Wasser, Erde, Feuer, Luft und Erz. An die Statuen aus eben diesen Elementen, die unterschiedliche Lebewesen darstellten und die niemals ihre Form verloren. Er könnte sie wiedersehen. Er hatte die Macht zu fliehen, als einziger. Aber als er sich erneut der Musik und ihrer Magie zuwandte, entglitt ihm dieser Gedanke und verblaßte, wie ein ausgeträumter Traum. Er gehörte dazu, er war ein Teil des Bandes und er würde es nicht verlassen.
Indessen, während auf der Lichtung die Gefährten ihr letztes Lied anstimmten, versammelten sich die Jäger und Häscher des dunklen Fürsten und schlichen leise um das Lager. Der Zauber, der die Lichtung verbarg, war von einem der Schwarzmagier entdeckt und gebrochen worden. Dennoch trat keiner der Verfolger aus dem Wald heraus. Es war als ob irgendetwas sie daran hinderte. Diese seltsame Musik, die in der Luft lag, machte es ihnen unmöglich die Lichtung zu betreten. Wie eine unsichtbare Barriere hielt sie jene Fern, die Böses im Herzen trugen. Aber um ihre grausame Aufgabe zu erfüllen, waren sie bereits nah genug. Schon begannen die Ersten damit, ihre Bögen bereitzumachen.
Immer noch spielten sie, versunken in die Musik und mit geschlossenen Augen. Das helle Sirren des ersten Pfeiles, der vom Waldrand her geflogen kam, störte die Harmonie nur wenig. Und als das Trommeln des Zwergenfürsten erstarb und das Instrument langsam aus seinen kraftlosen Fingern glitt und zu Boden fiel, bemerkten die anderen dies nicht. Keiner beachtete, wie langsam ein Instrument nach dem anderen aussetzte und auch das Summen erlosch bis nur noch das traurige, klare Spiel der Flöte zu hören war. Der letzte Pfeil schwirrte über die Lichtung und traf sein Ziel und mit einem letzten Gedanken an die sonnendurchfluteten Wälder seiner Heimat, hauchte Finwariell sein Leben aus. Was blieb war Stille, die sich auf die Lichtung senkte und wie ein kalter Luftzug zum Waldrand hinüberwehte.
So starben die Prinzen, Botschafter und Würdenträger der freien Völker und mit ihnen starb die Hoffnung für viele Generationen, die nach ihnen kamen. Doch in all den Jahren des Leids und der Dunkelheit, sollte die Lichtung ein Zufluchtsort für all jene sein, die auf der Flucht waren. Denn bei Argoths Armee galt sie als verflucht und niemand wagte es sie zu betreten. Wer hier aber Schutz suchte und nachts, wenn der Mond schien, genau hinhörte, der konnte es vernehmen. Im Rauschen der Blätter, im Pfeifen des Windes, in allen Geräuschen der Natur war es zu hören; ein Lied voll fremder Melodien und dennoch jedem, der es vernahm, seltsam vertraut. Ein Lied, das jeden an seine Heimat erinnerte, egal woher er stammte.

Und dereinst sollte an eben jenem Ort der Widerstand geboren werden, der die Fesseln der Unterdrückung sprengte und Lord Argoths beinahe ewig währender Herrschaft ein Ende bereitete. Denn das Band der Freundschaft, das in jener schicksalhaften Nacht zwischen den Völkern geknüpft worden war, hatte er in all den Jahren nicht zerstören können.
So kam es, daß sich überall im Land die Unterdrückten erhoben und wider den Tyrannen zogen. Und als das gemischte Heer aus Elfen, Zwergen, Halblingen und Menschen aller Völker gegen Argoths finstere Scharen in die Schlacht zog, da sangen sie ein Lied. Ein seltsames Lied, das sie alle schon einmal irgendwo vernommen hatten; im Rauschen des Windes, im Rascheln der Blätter oder im Donnern der Brandung.


Fin
 

RockRebell

Mitglied
einfach schön

wunderschön.

ich finde diese geschichte sehr gelungen.
daijin, wenn man sich dein märchen so durchliest, dann meint man, die musik hören zu können und auf einer lichtung zu sitzen. mir gefällt die atmosphäre sehr gut, die du erzeugst ;-)

ich hoffe, hier noch mehr von dir zu lesen *smile*

es grüsst

der rebell
 

Daijin

Mitglied
Danke

Vielen Dank für das Lob. Das was Du als Märchen bezeichnest, sollte eigentlich eine Fantasy-Kurzgeschichte sein :)
Im Nachhinein betrachtet, hast Du aber recht. Es ist wohl eher ein Märchen als eine Kurzgeschichte.

Hier wird auch bald mehr von mir zu lesen sein. Ich weiß aber noch nicht, wie ich meine Geschichte von immerhin 18 Din A4 Seiten hier posten soll, denn als durchgehender Text wird sie wohl kaum von jemandem hier komplett gelesen werden.

Tschöö

Daijin
 

RockRebell

Mitglied
mehr davon

na, ich hoffe doch, dass du deine geschichte hier posten wirst ;-))

wenn du dir nicht sicher bist, ob die leute deine 18 seiten komplett lesen werden, dann mach doch eine fortsetzungsgeschichte. was denkst du?

bis denne

der rebell
 

Daijin

Mitglied
mieser Anfang

Ich habe auch schon darüber nachgedacht, daraus eine Fortsetzungsgeschichte zu machen. Aber leider sind die ersten zwei Seiten meiner Meinung nach ziemlich schlecht und ich befürchte, daß die weiteren Teile dann niemand mehr lesen wird...
Ich werde aber auf jeden Fall bald wieder eine meiner Geschichten posten.

Tschöö

Daijin
 



 
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