Der Museumswächter

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Herr H.

Mitglied
Die Wände in dem Saal sind weiß gestrichen
und das Parkett am Boden schimmert hell.
Der graue Fenstervorhang ist verblichen.
Der Deckenfluter strahlt ein wenig grell.

Die Lüftung surrt in monotoner Weise.
Sie macht’s diskret, damit es keinen stört.
Denn hier im Raum verhält sich jeder leise,
weil sich das schon aus Rücksicht so gehört.

Und auch die Bilder an den Wänden schweigen
und sind in ihren Rahmen wie erstarrt.
Der Staub vergangner Zeit ist ihnen eigen.
Man fühlt sich fremd in ihrer Gegenwart.

Oft bin ich mit den Bildern ganz alleine.
Das ist nicht schön, doch man gewöhnt sich dran.
Dann hüpfe ich schon mal auf einem Beine
und tue so, als käme ich voran.

Dann wieder gehe ich mit schnellen Schritten,
die Arme schwingend, durch den großen Saal.
Das tut dem Kreislauf gut, ganz unbestritten,
na, und den Bildern ist es ja egal.

Wenn Leute kommen, bleib’ ich kerzengrade
in einer Ecke stehn und gebe Acht.
Doch ist auch dies im Grunde ziemlich fade,
weil ohnehin kaum einer mal was macht.

Da draußen vor dem Fenster pulst das Leben.
Da hat es Lust und Liebe, Glück und Not.
Im Raum hier steht man irgendwie daneben.
Und alles schmeckt nach Moder und nach Tod.
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
why not

Schön geschrieben, glatt und gefällig, und in sich stimmig.
Aber "Deckenfluter" - grelles Licht wird in Gemäldemuseen vermieden, weil es den Bildern schadet.
Und "Staub" auf den Werken - na, das dürfte auch weniger der Realität als einer Projektion der müden Wärterseele entstammen, die als Lyri natürlich realitätsfern rumphantasieren darf.
 
C

cellllo

Gast
Diese Museumslangeweile
als geniales Geschreibe
ein echter G e n u s s !!!
Erstere wäre dem Herrn H. aber im Nu zu vertreiben,
wenn ich noch vorbeikäme mit so einer typischen Meute
halbstarker Flegel samt Gespielinnen im Schlepptau...
er stünd mitten im Leben, nimmer daneben :)
cellllo
 

Herr H.

Mitglied
Die Wände in dem Saal sind weiß gestrichen
und das Parkett am Boden schimmert hell.
Der graue Fenstervorhang ist verblichen.
Das Licht der Decke wirkt ein wenig grell.

Die Lüftung surrt in monotoner Weise.
Sie macht’s diskret, damit es keinen stört.
Denn hier im Raum verhält sich jeder leise,
weil sich das schon aus Rücksicht so gehört.

Und auch die Bilder an den Wänden schweigen
und sind in ihren Rahmen wie erstarrt.
Ein Hauch Vergangenheit ist ihnen eigen.
Man fühlt sich fremd in ihrer Gegenwart.

Oft bin ich mit den Bildern ganz alleine.
Das ist nicht schön, doch man gewöhnt sich dran.
Dann hüpfe ich schon mal auf einem Beine
und tue so, als käme ich voran.

Dann wieder gehe ich mit schnellen Schritten,
die Arme schwingend, durch den großen Saal.
Das tut dem Kreislauf gut, ganz unbestritten,
na, und den Bildern ist es ja egal.

Wenn Leute kommen, bleib’ ich kerzengrade
in einer Ecke stehn und gebe Acht.
Doch ist auch dies im Grunde ziemlich fade,
weil ohnehin kaum einer mal was macht.

Da draußen vor dem Fenster pulst das Leben.
Da hat es Lust und Liebe, Glück und Not.
Im Raum hier steht man irgendwie daneben.
Es riecht wie Moder. Und es schmeckt nach Tod.
 

Herr H.

Mitglied
Hallo mondnein,
besten Dank für deine wertvollen Hinweise. Habe die Verse dementsprechend ein wenig abgeändert.

Hallo celllo,
ja, solche Jugendgruppen kenne ich auch, habe eine davon noch vorgestern im Museum selbst erlebt und bin sofort flüchten gegangen. Viel nachhaltigeren Eindruck aber hat auf mich einer der Museumswärter gemacht; und dessen Bild stand mir bei den Versen vor Augen.

LG von
Herrn H.
 

anbas

Mitglied
Hallo Herr H.,

sehr gerne gelesen. Auf diese Art und Weise könnte auch der berühmte umfallende Reissack in China zur spannenden und interessanten Hauptfigur eines Werkes werden ... :D

Liebe Grüße

Andreas
 

Herr H.

Mitglied
Die Wände in dem Saal sind weiß gestrichen
und das Parkett am Boden schimmert hell.
Der graue Fenstervorhang ist verblichen.
Das Licht der Decke wirkt schon fast zu grell.

Die Lüftung surrt in monotoner Weise.
Sie macht’s diskret, damit es keinen stört.
Denn hier im Raum verhält sich jeder leise,
weil sich das schon aus Rücksicht so gehört.

Auch die Gemälde an den Wänden schweigen
und sind in ihren Rahmen wie erstarrt.
Der Staub verflossner Zeit ist ihnen eigen.
Sie passen nicht mehr in die Gegenwart.

Oft bin ich mit den Bildern ganz alleine.
Das ist nicht schön, doch man gewöhnt sich dran.
Dann hüpfe ich schon mal auf einem Beine
und tue so, als käme ich voran.

Dann wieder gehe ich mit schnellen Schritten,
die Arme schwingend, durch den großen Saal.
Das tut dem Kreislauf gut, ganz unbestritten,
und den Gemälden ist es ja egal.

Wenn Leute kommen, bleib’ ich steif und grade
in einer Ecke stehn und gebe Acht.
Doch ist auch dies im Grunde ziemlich fade,
weil ohnehin kaum einer mal was macht.

Da draußen vor dem Fenster pulst das Leben.
Da hat es Lust und Liebe, Glück und Not.
Im Saal hingegen steht man stumm daneben.
Es riecht wie Moder. Und es schmeckt nach Tod.
 

Herr H.

Mitglied
Hallo Andreas,

ja, vielleicht sind es gerade die scheinbar unbedeutenden Randerscheinungen des Lebens, die eine genauere Betrachtung lohnen. Mit dem blassen Museumswächter ging es mir jedenfalls so ...

Danke für den Kommi und

LG von
Herrn H.
 

namibia

Mitglied
Lieber Herr H,

das gefällt mir - dem Stummen Ausdruck zu verleihen ... Manchmal frage ich mich, über was könnte ich bloß schreiben ; dies ist jedenfalls ein richtig spannendes Thema, weil es an Kindheit im Museum erinnert, an interessante Ausstellung , an ein Vertiefen in ein Bild , an einfach soviel ..

Es hat mir Spaß bereit, die Zeilen zu lesen und mir viele Blder beschert ..

Liebe Grüße

Änne
 

Herr H.

Mitglied
Hallo Änne,
freut mich, dass dir die Verse gefallen. Wie viele andere, sind auch diese ganz spontan entstanden. Der Museumsbesuch in der vergangenen Woche hat eben nicht nur von den Gemälden her bei mir Spuren hinterlassen ...

LG von
Herrn H.
 



 
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